Blog, Industrie 4.0

#312 – KI, eine neue Ära beginnt

Generative KI künstliche Intelligenz als Chance für uns «Alte»
Der Verlust von Arbeitsplätzen durch die Fusion von zwei schweizer Grossbanken zeigt uns einmal mehr das Dilemma zwischen technologischem Fortschritt und unserer Abhängigkeit von Lohnarbeit (Recht auf Arbeit). In Extremsituationen ist es wenig hilfreich, über den Sinn solcher Arbeit zu diskutieren. Dennoch bleibt die Tatsache, dass wir auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel und die Stellung von uns «Alten» in der Arbeitswelt, aktuelle revolutionäre Technologiedemonstrationen, wie die Entwicklung der KI künstlichen Intelligenz, zu sehr ausblenden. Im Blog von Bill Gates (67), GatesNotes online, beschreibt er am 21. März 2023 unter dem Titel «The Age of AI has begun», das Zeitalter der künstlichen Intelligenz hat begonnen, wie er im September letzten Jahres mit GPT (Generative Pre-Trained Transformer) gerade den wichtigsten technologischen Fortschritt seit der grafischen Benutzeroberfläche erlebt hatte. Die Entwicklung der KI sei so grundlegend wie die Entwicklung des Mikroprozessors, des Personal Computers, des Internets und des Mobiltelefons. Diese wird die Art und Weise verändern, wie Menschen arbeiten, lernen, reisen, sich medizinisch versorgen und miteinander kommunizieren, stellt er fest.

Bild: GatesNotes, März 2023

Wettbewerbsvorteile oder kreative Zerstörung
Generative KI künstliche Intelligenz, wie zum Beispiel ChatGPT, hat das Potenzial, nahezu jede Branche zu revolutionieren – sie verspricht sowohl Wettbewerbsvorteile als auch kreative Zerstörung. François Candelon, Abhishek Gupta, Lisa Krayer und Leonid Zhukov von BCG Boston Consulting Group veröffentlichten dazu am 7. März 2023 ihren CEO-Leitfaden zur generativen KI-Revolution. Sie gehen davon aus, dass CEOs oder KMUs die wahrscheinlich weiter von der eigentlichen Technologie entfernt sind, möglicherweise unsicher sind über die nächsten Schritte. Die Priorität für Führungskräfte besteht jedoch nicht darin, vollständig in die Technologie einzutauchen. Stattdessen sollten sie sich darauf konzentrieren, wie sich die generative KI auf ihre Organisation und ihre Branche auswirkt und welche strategischen Entscheidungen es ihnen ermöglichen, Chancen zu nutzen um Herausforderungen zu bewältigen. Dazu fokussieren die Autoren auf drei Hauptbereiche:

🟡 Potenzial: Identifikation der Anwendungsfälle, welche ein Unternehmen differenzieren werden.
🟡 Menschen: Anpassen der Organisationsstrukturen und Vorbereitung von Mitarbeitenden für den Einsatz.
🟡 Richtlinien: Einrichten von ethischen Leitplanken und rechtlichen Schutzmassnahmen.

Jeder dieser Bereiche beinhaltet kurz- und langfristige Überlegungen – und viele unbeantwortete Fragen. Auch KMUs müssen sich auf den Moment vorbereiten, wenn ihre aktuellen Geschäftsmodelle obsolet werden. Im Beitrag machen die Autoren Vorschläge, für eine strategische Vorgehensweise. Kompetente, weise und erfahrene «Alte» im Team mit den «jungen Wilden» agieren bei der Umsetzung idealerweise als Mentoren, Coaches oder Sparringspartner.

Bild: GatesNotes, März 2023

Veränderungen machen Angst
Jede neue Technologie, die so disruptiv ist, wird die Menschen zwangsläufig beunruhigen, und das gilt sicherlich für künstliche Intelligenz. Schwierige Fragen werden aufgeworfen, über die Belegschaft, das Rechtssystem, den Datenschutz oder Vorurteile. KIs machen auch sachliche Fehler und erleben Halluzinationen. Bill Gates schlägt in seinem Beitrag einige Möglichkeiten zur Minderung der Risiken vor und beschreibt seine Definition von KI, welche dazu beitragen wird, Menschen bei der Arbeit zu stärken, Leben zu retten und die Bildung zu verbessern. Technisch bezieht sich in seinem Verständnis der Begriff künstliche Intelligenz auf ein Modell, das erstellt wurde, um ein bestimmtes Problem zu lösen oder einen bestimmten Dienst bereitzustellen. Was Dinge wie ChatGPT antreibt, ist künstliche Intelligenz. Diese lernt, wie man besser chattet, kann aber keine anderen Aufgaben lernen. Im Gegensatz dazu bezieht sich der Begriff allgemeine künstliche Intelligenz auf Software, die in der Lage ist, jede Aufgabe oder jedes Fach zu lernen. AGI (artificial general intelligence) existiert noch nicht – in der Computerbranche findet darüber eine heftige Debatte statt, wie man diese erstellt und ob sie überhaupt erstellt werden kann.

Bild: GatesNotes, März 2023

Der Traum von der allgemeinen künstlichen Intelligenz
Die Entwicklung von KI und AGI war der grosse Traum der Computerindustrie. Jahrzehntelang war die Frage, wann Computer etwas anderes als Berechnungen besser können als Menschen. Jetzt, mit der Ankunft des maschinellen Lernens und grosser Mengen an Rechenleistung, sind ausgefeilte KIs Realität und sie werden sehr schnell besser werden. Gates denkt dabei zurück an die Anfänge der Personal-Computing-Revolution, als die Softwareindustrie noch so klein war, dass die meisten Protagonisten auf dem Podium einer Konferenz Platz fanden. Heute ist es eine globale Industrie. Da sich ein grosser Teil davon jetzt der KI zuwendet, werden die Innovationen viel schneller kommen als das, was wir nach dem Durchbruch der Mikroprozessoren erlebt haben. Egal, ob Text, Datenbank oder Modell – weiterhin unerlässlich sind fachkundige und kompetente Menschen, die den Output kritisch prüfen und korrigieren. Eine erfolgreiche Digitalisierung fordert mehr als zuvor unsere zwischenmenschlichen und kommunikativen Fähigkeiten heraus. Wir «Alten» sind dank unserer Erfahrung und Reife eine grosse Hilfe in den Entwicklersteams, denn solche Programme müssen so einfach werden wie die Bedienung eines Smartphones um Erfolg zu haben.

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Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


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#309 – Neue Rollenmodelle für uns «Alte»

25 Jahre Ausruhen – eine bescheuerte Perspektive
Unzählige Programme, Seminare oder Workshops haben zum Ziel, uns «Alte» auf das Leben nach der Pensionierung vorzubereiten. Viele von uns möchten sich im Alter nochmals verändern, einen lange gehegten Wunsch erfüllen und ausserhalb des angestammten Berufs eine neue Herausforderung annehmen. Wenn Menschen auch im Rentenalter beruflich aktiv bleiben und mit ihrer immensen Erfahrung Unternehmen tatkräftig unterstützen geht es auch um Soft Skills wie Agilität und Veränderungsbereitschaft. Mit 65 in den Ruhestand zu treten, findet der Philosoph, Autor und Redner Ludwig Hasler (78) einen Irrsinn. Er ist der Meinung, dass wir «Alten» uns bewegen müssen, uns altruistisch engagieren, im Team mit Jüngeren unsere Erfahrung und Reife einbringen, als Mentoren, Coaches oder Sparringspartner. Dank unserer Seniorität, Weisheit und Gelassenheit, erfüllen wir auch die Funktion des «sozialen Gewissens». Jemand bemerkte: Das Alter ist ein Zeichen von Stärke und dafür, dass wir dem Leben standgehalten haben.

«Alte» in jungen Teams
Hasler nimmt Bezug auf den Philosophen Arthur Schopenhauer (1788-1860) der meinte: Es spielt überhaupt keine Rolle, über welche Kräfte ein Mensch verfügt, ob er mathematisch begabt, handwerklich geschickt oder ein guter Unterhalter ist. Hauptsache, er hat etwas im Kopf und im Herzen und in der Hand. Und er braucht es, macht es nutzbar, auch für andere. Gelegenheiten gäbe es reichlich. Im Alter schrumpft logischerweise die eigene Zukunft. Es lohnt sich immer weniger, in sie zu investieren. In die Zukunft anderer jedoch umso mehr, Junge fördern, die entwickeln sich dann natürlich grossartig. Der Respekt der Jungen kommt von selbst, wo wir «Alten» Akteure uns aufrichtig für die Zukunft einsetzen. Ein Zusammenspiel von frischem Wissen plus Elan und Erfahrung plus Skepsis ist unschlagbar. Dazu braucht es jedoch auch den Willen von uns «Alten», denn Erfahrung ist kein Automatismus. Es gibt 60-Jährige, die sind frei von Erfahrung. Sie pochen auf ihr Wissen von gestern, fühlen sich bedroht durch Mentalitäten der Jungen. Immerhin hat die Wirtschaft ein vitales Interesse an älteren Mitarbeitenden. Im nächsten Jahrzehnt scheiden 200’000 gestandene Fachkräfte mehr aus dem Arbeitsleben aus, als junge nachrücken. So werden selbst Konzerne gezwungen sein, ältere nicht nur als Kostenstelle zu betrachten. Trotz Digitalisierung, Automatisierung und dem Megatrend künstlicher Intelligenz dürfte die Nachfrage nach Leuten steigen, die mit gesundem Menschenverstand, mit Herz und Hand bei der Sache sind.

KI DALL·E nach Textvorgabe: «ein gemischtes team jung und alt bearbeitet eine Prozessoptimierung»

Flexible Personalplanung contra Loyalität
Corinne Päper, Chefredaktorin des Fachmagazins für Personalverantwortliche, HR Today schreibt über die Situation von uns «Alten» unter dem Titel «Gefragt und trotzdem entlassen» in KMU_today vom 1. März 2023. Obschon die Arbeitsmarktchancen von über Fünfzigjährigen besser sind als früher, werden sie trotz aller Diversity- und Inklusion-Versprechen aktuell deutlich häufiger entlassen als Mitarbeitende anderer Altersgruppen. Die Widersprüche zeigen sich nirgends so offensichtlich, wie in der Diskussion über den Fachkräftemangel. «Dass jemand mit Erreichen des Pensionsalters aus dem Arbeitsmarkt ausscheidet, ist immer weniger der Fall. Viele der Ü65 sind weiterhin erwerbstätig.» sagt Pascal Scheiwiller, CEO des Outplacement-Unternehmens von Rundstedt und Simon Wey. Andererseits gehen Unternehmen bei jüngeren Mitarbeitenden oft davon aus, dass diese länger bleiben und übersehen dabei, dass Jüngere ihre Stelle viel öfter wechseln als früher. Denn Verbindlichkeit und Loyalität verlieren immer mehr an Bedeutung, weil Arbeitgebende heute selbst keine längere Zusammenarbeit garantieren können. Firmen brauchen eine flexible Personalplanung, um der Veränderungsdynamik der Märkte gerecht zu werden, während Arbeitskräfte möglichst grosse persönliche Freiheit wollen.

Botschaft (m)eines grossen Vorbildes
Ich fand kürzlich den folgenden Beitrag, der gut in die Diskussion zur eingangs erwähnten Veränderung passt. Es gibt viele Dinge, worüber wir «Alten» uns Gedanken machen sollten, was in unserem eigenen Leben wirklich wichtig ist. Marcel Schwantes, Inc. Mitherausgeber und Gründer von Leadership from the Core, schrieb in Inc. online, der täglichen Zusammenfassung für Unternehmer und Führungskräfte, am 20. Februar 2023 über die Botschaft, welche Steven (Paul) Jobs (1955-2011) in 2005 an die frischgebackene Klasse von Absolventen der Stanford University mitgab. Beim Mitgründer und langjährigen CEO von Apple Inc. wurde kurz zuvor Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert, und ihm wurden noch drei bis sechs Monate zu leben prognostiziert. Die Konfrontation mit seiner eigenen Sterblichkeit hatte ihm vor Augen geführt, wie wichtig es ist, das bestmögliche Leben zu führen, und so vermittelte er die Botschaft: «Ihre Zeit ist begrenzt, also verschwenden Sie sie nicht damit, das Leben eines anderen zu leben.» Seine drei Fragen sind heute, bald 20 Jahren später, so aktuell wie damals, was mich veranlasste diese für uns «Alte» leicht anzupassen:

1. Lebe ich das Leben, das ich möchte, und mache ich die Arbeit, die ich tun möchte?
An die begrenzte Zeit zu denken, die uns «Alten» noch auf dieser Erde bleibt, soll kein Wermutstropfen sein. Im Gegenteil, es befähigt uns, diese kostbare Zeit so sinnvoll wie möglich zu nutzen. Jobs nannte die Konfrontation mit seiner Endlichkeit «das wichtigste Werkzeug, das mir je begegnet ist, um mir zu helfen, die grossen Entscheidungen im Leben zu treffen». Fast alles, sagte er – unsere Ängste, unser Versagen und unser Stolz – «fallen im Angesicht des Todes weg und lassen nur das übrig, was wirklich wichtig ist.»

2. «Wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre, würde ich dann das tun wollen, was ich heute tun werde?»
Jobs sagte, er habe sich diese Frage jeden Morgen vor dem Spiegel gestellt und «immer wenn die Antwort zu viele Tage hintereinander nein lautet, weiss ich, dass ich etwas ändern muss.» Doch in dieser Phase seines Lebens und seiner Karriere, war die Antwort ein klares «Ja!», denn er tue das, wozu er leidenschaftlich berufen sei, und er seine Bestimmung auslebe. Wir sollen darauf achten, was auf uns zukommt, während wir unsere Gefühle überprüfen. Wenn man sich selbst treu bleibt, kann es beängstigend sein, zuzugeben, dass man nicht das Leben lebt, das man sich wünscht, aber es ist der einzige Weg, sich auf die Suche nach etwas Neuem zu machen – etwas, das unsere wahre Berufung sein könnte.

3. Tue ich, was ich liebe?
Wie Jobs erklärt, verschwenden wir unser eigenes Leben, wenn wir das Leben eines anderen leben. Stattdessen forderte er uns auf, die Rolle zu finden, die uns ausfüllen sollte, man muss finden, was man liebt. Unsere Arbeit wird einen grossen Teil unseres Lebens ausfüllen, und der einzige Weg, wirklich zufrieden zu sein, besteht darin, das zu tun, was wir für grossartige Arbeit halten. Und der einzige Weg, grossartige Arbeit zu leisten, besteht darin, zu lieben, was man tut, das gibt uns einen Sinn, morgens aufzustehen und, mit den Worten von Warren Buffett (93), «zur Arbeit zu steppen (von Stepptanz)». Eine im Harvard Business Review veröffentlichte Studie kam zum Schluss, dass Menschen das Gefühl haben müssen, dass ihre Arbeit wichtig ist und dass ihre Beiträge helfen, etwas Wichtiges zu erreichen, was auch die Produktivität steigert.

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#179 – Arbeit und Lohn

Was nichts kostet ist nichts wert?
In der Schweiz wären ältere Mitmenschen durchaus in der Lage, eine gute Gesundheit vorausgesetzt, auch ausserhalb ihres angestammten «Berufs» weiterhin tätig zu sein, zum Beispiel als Sparringspartner im Team mit Jüngeren. Nicht das biologische Alter, Standesdünkel oder bei finanzieller Unabhängigkeit die Honorierung, sollen den Entscheid beeinflussen. Wichtig ist vielmehr der Wille sich weiterzubilden und seine Offenheit für Neues. Wie das geht, lesen Sie im Beitrag des Tages-Anzeigers vom 13. Juli 2020: Überalterung in Asien – In Japan müssen die Rentner ran. Seniorinnen und Senioren sind dort gefragte Arbeitskräfte, denn in Zeiten des Fachkräftemangels braucht es jeden Kopf und jede Hand. Die Erfahrung mit der Plattform «kompetenz60plus» zeigt jedoch, wie wir «Alten» in der Schweiz den Job mehrheitlich noch mit einem Diplom oder einem erlernten Beruf mit entsprechender Entlöhnung gleichsetzen. Obwohl der eigene Lebenslauf das Abbild einer sich schnell verändernden Vergangenheit darstellt, definieren wir uns vielfach über unseren (einstigen) Status. Klammern wir uns also aus falscher Angst um die eigene Existenz an bewährte Muster und verkennen dabei alternative Beschäftigungen als willkommenen Befreiungsschlag für ein erfülltes Leben im Alter?

Nachdenken über den Wert von Arbeit
Im Interview von Philipp Loser und Christian Zürcher, Tages-Anzeiger vom 23. Juli 2020, mit der Zukunftsforscherin Karin Frick, Geschäftsleitung GDI Gottlieb Duttweiler Institut, mit dem Titel: «Wer wird denn heute noch tatsächlich für seine Arbeit bezahlt?» macht sich Frau Frick Gedanken zum Thema. Schon im Alter von 15 oder 16 Jahren, nach der (viel zu kurzen) Grundschule, müssen sich 80% der hiesigen Teenager bereits für einen möglichst zukunftsträchtigen Beruf entscheiden. Karin Frick fragt sich deshalb: Ist ein Job überhaupt noch die richtige Kategorie? Können wir uns nicht davon befreien, statt uns ewig daran festzuhalten? Viele Jobs machen wir nicht gerne, wir machen sie nur des Geldes wegen. Sie findet: Wir müssen Arbeit und Lohn entkoppeln – dann werden wir alle viel entspannter – und können uns auf Aufgaben konzentrieren, die uns wirklich interessieren.

EINBLICKE: «Holzverbindungen – Ausdruck tektonischer Kultur», Ausstellung bis 11. September 2020 in der Schweizer Baumuster-Centrale Zürich. Bild: WKR

Roboterluxuskapitalismus
Schon heute kann man viele Dinge automatisieren, Routinejobs, die sich relativ einfach in kleinere Schritte zerlegen lassen, weiss Karin Frick. Als junger Mensch sucht man natürlich eine Perspektive; etwas, das man gerne macht und nicht einfach nur zum Geldverdienen. Junge haben höhere Ambitionen, und es gibt sehr viele ungelöste Probleme: Produkte, die ersetzt und neu erfunden werden müssen. Kommt hinzu: Zuerst muss ja jemand all die Roboter bauen. Die Implementation dieser neuen Technik braucht extrem viel Kopfarbeit und Verständnis. Ist das erst einmal geschafft, wird es darum gehen, sich selber eine neue Aufgabe zu suchen. Jede neue Antwort bringt in der Regel auch mindestens zwei neue Fragen hervor. Neue Erkenntnisse über das menschliche Immunsystem eröffnen neue Perspektiven für bessere Behandlungsmöglichkeiten, stellen aber gleichzeitig viele neue Fragen, an die bisher noch niemand gedacht hat. Klar ist: Aus einer volkswirtschaftlichen Perspektive wird Arbeitskraft als Produktionsfaktor immer unbedeutender und Kapital und Technik/Wissen immer wichtiger.

Kurzarbeit oder Grundeinkommen
Heute ist Arbeit eine Religion, konstatiert Karin Frick. Arbeit gibt Status, Identität. Wenn die Leute ihren Vater beschreiben, dann wird zuerst sein Job genannt. Bei der Mutter heisst es dann, sie sei nur Hausfrau. Das müssen wir brechen. Viele Menschen können sich bestens beschäftigen, auch ohne Erwerbsarbeit. Das gilt für gut ausgebildete Leute in gehobenen Positionen, und das gilt für Menschen, die heute in Routinejobs arbeiten. Wer wird denn heute noch – im Kontext der Kurzarbeit – tatsächlich für seine Arbeit bezahlt? Im Fokus steht das Modell des Grundeinkommens. Im Grunde: Was heisst ein gutes Leben? Was bedeutet Wohlstand, wenn alle Grundbedürfnisse gedeckt sind? Wenn wir uns in der Gesellschaft nicht mehr über den Beruf definieren würden, würden wir vielleicht alle sehr entspannt, ohne den Stress bedingt durch die Vergleichbarkeit. Die Corona-Krise zeigte uns den Weg. Alles, was im Forschungsfeld des GDI zum Teil seit Jahrzehnten Thema ist, wurde plötzlich Realität. Homeoffice, Onlineshopping, Telemedizin. Ganz simple Fragen werden neu gestellt: Warum gehen wir eigentlich ins Büro? Wieso ist das überhaupt nötig? Oft: gar nicht. Dabei wäre die Aufgabe des Staates eigentlich die Entkoppelung von Job und Einkommen institutionell zu begleiten. Im Moment zerfällt vieles, verändert sich, verschiebt sich. Das ist eine grosse Aufgabe – für uns alle sagt Karin Frick.

Kassiererin oder Manager
Es gibt einfach Jobs, die das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben. Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man schaut, dass sich ein fairer, anständiger Onlinehandel entwickelt, bei dem auch wieder jene Leute gebraucht werden, die heute an der Kasse arbeiten. Oder man stellt fest, dass gewisse Branchen Heimatschutz verdienen und entsprechend mit Subventionen gestützt werden müssen. Auch der Job der Manager steht auf dem Spiel. Einen Grossteil von ihnen wird es nicht mehr brauchen, denn ein Management-Job besteht im Grundsatz darin, Ressourcen zu verteilen. Das kann eine Maschine viel besser. Gerade bei Managern hängt jedoch sehr viel Identität am Beruf, weil auch die Ausbildung länger dauert, sagt Frick. Wie man mit dieser gefährdeten Spezies umgeht, wird tatsächlich zur Herausforderung. Je mehr Routinearbeiten automatisiert werden, umso weniger Arbeitskräfte müssen gemanagt werden. Eine Flotte von selbstfahrenden Fahrzeugen braucht höchstens einen Flotten-Manager für den Unterhalt.

Die Erfahrung von uns «Alten»
Die Krise zeigt auch, dass ältere Mitmenschen oft viel weniger Mühe haben, sich mit den neuen Gegebenheiten zu arrangieren. Anstatt zu versuchen, unseren «Erfolgen» aus früheren Zeiten nachzutrauern, besinnen wir uns auf Fähigkeiten die uns wirklich Spass machen und packen dort an wo wir gebraucht werden. Unsere Aufgabe ist nicht mehr die Führung einer Unternehmung, sondern das Weitergeben unserer breiten (Lebens-)Erfahrung an eine jüngere Generation. Unabhängig vom angestammten Beruf und losgelöst vom Karrieredenken entdecken wir neue Formen in der Zusammenarbeit im Team auf Augenhöhe mit den «jungen Wilden» und entdecken neu den Sinn des Lebens.

Kompetente Senioren denken mit
«kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich ihrer Verantwortung gegenüber der jüngeren Generation bewusst sind und sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Wir «Alten», Frauen und Männer, im Team auf Augenhöhe mit den «jungen Wilden», stellen unsere Erfahrung mit Leidenschaft zur Verfügung. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
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