Blog, Industrie 4.0

#295 – Befreiungsschlag für soziale Medien

Von den Schwierigkeiten sozialer Netzwerke
Ein Name erscheint dieser Tage immer wieder in den Schlagzeilen: Elon Reeve Musk (51), bestens bekannt als Tesla-Gründer. Der Multimilliardär aus Kalifornien hat vor wenigen Wochen für $44 Milliarden, den im Jahr 2006 gegründeten Kurznachrichtendienst Twitter gekauft. Inhaltlich will ihn Musk neu ausrichten. Der Redaktionsbeitrag in der NZZ vom 10. November 2022 beschreibt, wie Musk in seiner Funktion als CEO das neue graue Häkchen für verifizierte Accounts prominenter Nutzer (anstelle des bereits bekannten Blauen) nach wenigen Stunden wieder gestoppt habe. «Bitte nehmen sie zur Kenntnis, dass Twitter in den kommenden Monaten jede Menge dummer Sachen machen wird», schrieb er an seinen Tech-Blogger Marques Brownlee in einer Mitteilung. «Wir werden behalten, was funktioniert – und das andere wieder ändern». Weitere Pressebeiträge thematisieren die Zukunft der sozialen Medien und der Tech-Konzerne ganz allgemein, auch infolge des «Absturzes» von Meta (Facebook) an der Börse, welcher die Entlassung von 11’000 Mitarbeitenden (13% der Belegschaft) zur Folge hat. Auch über einen möglichen Bankrott von Twitter wird spekuliert.

Schöpferische Zerstörung in Krisenzeiten
Wir «Alten» erleben hier ein Déjà-vu von Schwarzmalerei und Missgunst. Wir erinnern uns noch sehr genau wie nach 2008, als Musk die Leitung der 2004 gegründeten Firma TESLA übernahm, die Presse jahrelang mehrheitlich negativ über Lieferschwierigkeiten und finanzielle Verluste des Konzerns berichtete. Schliesslich verkaufen sich solche Geschichten besser, im Vergleich zu Erfolgsmeldungen. Auch ist Scheitern in der Schweiz nach wie vor verpönt. Dabei sind Krisen bekanntlich Phasen des beschleunigten Strukturwandels. Vor 15 Jahren erfolgte mit dem iPhone von Apple, die bewegte Einführung des wohl erfolgreichsten Produktes der Technikgeschichte. Wirtschaftliche Übertreibungen der Vergangenheit werden in diesen Monaten korrigiert. Firmen mit überkommenen Geschäftsmodellen scheiden aus dem Markt aus, an ihre Stelle treten Unternehmen mit besseren Zukunftschancen. Dieser Bereinigungseffekt – auch als schöpferische Zerstörung bezeichnet – mag kurzfristig schmerzhaft sein, aber langfristig bringt er eine Volkswirtschaft auf einen Pfad höheren Wachstums. Anstatt die Entwicklungen mit Häme zu verfolgen, lohnt sich der Blick in die Zukunft und die potenzielle Weiterentwicklung des Internet. Von den geplanten Vereinfachungen werden vor allem auch wir «Alten» profitieren können.

Das blaue Häkchen, Illustration Simon Tanner / NZZ

Projekt X – Das Potenzial einer «Alles-drin-App»
Die Analyse von Rafael Zeier, Tagesanzeiger vom 1. November 2022, mit dem Titel: «Twitter ist nur der Anfang – Was steckt hinter Elon Musks Projekt X?» befasst sich mit den Zukunftsplänen von Elon Musk für die Plattform. Denn der reichste Mann der Welt hat grössere Pläne. Als Meister der grossen Visionen wird Musk immer noch von vielen unterschätzt. Im Verständnis von Rafael Zeier, beschleunige der Twitter-Kauf für Musk die Entwicklung von «X», einer «Everything App», schreibt er im Beitrag. Also einer alles umfassenden oder «Alles-drin-App». Dank dem Twitter-Kauf würde X nun drei bis fünf Jahre früher möglich. Was Twitter mit so einer App zu tun hat, wie die genau aussehen soll, und vor allem, was sie können wird, liess Musk offen. Aber der grosse Masterplan ist angekündigt – und Spekulationen folgen auf dem Fuss.

«Wechat» für den Westen
Tatsächlich ist die Idee einer solchen Alles-drin-App nicht neu, schreibt Zeier weiter. Auch der Facebook-Konzern Meta wollte dorthin, und sowieso träumen die Techkonzerne davon, mit ihren Diensten alle Wünsche ihrer Kundinnen und Kunden abzudecken – in einer App. Geschafft hat das bisher nur Tencent, der Konzern hinter dem chinesischen Messenger Wechat, der viel mehr ist als ein reiner Messenger. Mit Wechat kann man nicht nur wie mit WhatsApp kommunizieren. Man kann auch Essen bestellen, bezahlen, seine Ausweisdaten hinterlegen, Jobs finden, Spiele spielen und so weiter. Wechat ist ein Universum für sich und mit ein Grund, warum es gerade in China nicht so wichtig ist, was für ein Smartphone man hat. Solange Wechat drauf läuft.

Soziale Medien werden erwachsen
Alles-drin-Apps haben einen gewichtigen Nachteil. Fallen sie aus, läuft gar nichts mehr, folgert Zeier. Man könnte aber auch argumentieren, dass das Internet beziehungsweise der Web-Browser eigentlich schon längst eine Alles-drin-App ist (wenn da nicht immer die neuen Anmeldungen mit immer neuen Passwörtern nötig wären). Schwierig wird es auch, in einem westlichen Wirtschaftssystem eine ähnliche Fülle an Funktionen in einer App zu vereinigen. Denn zu gross sind die Eigeninteressen der jeweiligen Anbieter und Konzerne, die sich daran beteiligen müssten. Doch Elon Musk ist ja nicht irgendeiner, der sich vor solchen Investitionen wenig überlegt. Er könnte die Definition von Erfolg nun neu schreiben. Der Kurznachrichtendienst wird vor allem von Politikern, Kulturschaffenden, Wissenschaftern, Journalisten und anderen Meinungsmachern genutzt – insgesamt besuchen 229 Millionen Menschen (eine vergleichsweise kleine Anzahl) täglich die Plattform und setzen Hunderte von Millionen von Kurznachrichten, sogenannte Tweets, ab.

Mitgliedschaft soll etwas kosten
Die Idee, für das blaue Häkchen neben dem Namen pro Monat $8 zu verlangen ist der Anfang eines Paradigmenwechsels im Silicon Valley. Gemäss dem Kommentar von Christiane Hanna Henkel, NZZ vom 5. November 2022 ist Musks Vorgehen viel mehr als die übliche Restrukturierung eines Unternehmens. Es stellt gleich drei Paradigmen infrage, die einen grossen Teil der amerikanischen Tech-Konzerne in den letzten zwei Dekaden zur weltweiten Tech-Elite haben aufsteigen lassen beziehungsweise diesen Aufstieg begleitet haben. Erstens: Der Kunde ist das Produkt. Zweitens: Daten sind das neue Erdöl. Und drittens: Unternehmen eignen sich Werte an und bauen damit ihr Image auf. Als Präsident der Musk Foundation, die wissenschaftliche Forschung und Bildung finanziell unterstützt, weiss er ganz genau um die Macht solcher Werte.

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Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
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#250 – «Alte» im Team, notwendiger Paradigmenwechsel

Fachkräftemangel
Unter dem Titel «Zunehmender Fachkräftemangel: Frauen und Rentner sollen die Zürcher Wirtschaft retten» schreibt Zeno Geisseler, NZZ vom 9. Dezember 2021, über das Dilemma zwischen Fachkräftemangel und der Bereitschaft, ältere erfahrene Kräfte im Arbeitsmarkt zu behalten. Wenn die Zürcher Wirtschaft weiter wachsen soll wie bis jetzt, bräuchte es bis 2050 gemäss einer aktuellen Prognose, über 200’000 neue Arbeitskräfte. Teilzeitpensen und Frühpensionierungen werden je länger, je mehr zu einem volkswirtschaftlichen Problem. Eine grosse Herausforderung bildet jedoch der demografische Wandel, denn die Bevölkerung wird immer älter: Der Anteil der über 64-Jährigen könnte von 17 Prozent (2020) auf 23 Prozent bis 2050 wachsen, die Gruppe der 15- bis 64-Jährigen hingegen von 68 auf 63 Prozent sinken. Es gäbe voraussichtlich weniger Erwerbstätige und mehr Pensionierte.

Status Quo ist keine Option
Die Wirtschaft sollte deshalb ein vitales Interesse an älteren Mitarbeitenden haben. Für die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh ist «Nichts zu tun, keine Option». Neben den Teilzeiterwerbstätigen, darunter viele Frauen, aber auch Arbeitslose, gebe es auch rund 100’000 «junge» Pensionierte, Personen zwischen 60 und 69 Jahren, die diesen Mangel stoppen könnten. Neben weiteren Massnahmen gehört auch eine höhere Produktivität dank Digitalisierung als Kernpunkt einer effizienten Wirtschaft. Gemäss Walker Späh gelten in der Informations- und Kommunikationstechnik (ICT)-Branche grundsätzlich die gleichen Ansätze wie in der gesamten Zürcher Wirtschaft: Frauen und Ältere sollen einen grösseren Beitrag leisten. Es müssten Wege gefunden werden, das Potenzial der 58- bis 70-Jährigen zu mobilisieren, sagte Alain Gut, ein Vertreter der Branche.

Portrait Jeanne Hébuterne, 1919, Amedeo Modigliani (1884–1920)

Altersparadoxon
Ein Paradigmenwechsel ist die Veränderung bestehender Denk- und Verhaltensmuster. Dazu müssen wir jedoch gewohnte Sichtweisen erkennen, verstehen und der Realität anpassen. Denn Alter ist keine Krankheit! Ein ehemals völlig normaler Lebensabschnitt wird von unserer Gesellschaft immer mehr pathologisiert. Seit Beginn der Pandemie vor bald zwei Jahren auch von Politik und Behörden. Wir «Alten» tragen durchaus noch etwas zur Gesellschaft bei. Wir haben zwar nicht mehr das Wissen der «jungen Wilden», aber viel Erfahrung, Weisheit, Leidenschaft, Empathie, Respekt und Ausdauer. Unsere Karrieren sind gemacht, wir dürfen entspannt in die zweite Reihe treten. Wir lassen uns immer noch begeistern und sind auch gerne bereit den Jungen, auf Augenhöhe, ohne Mahnfinger und Besserwisserei, mit Rat und Tat beizustehen. Was die Wissenschaft heute das «Altersparadoxon» nennt, lässt sich so zusammenfassen: Je älter wir körperlich werden, desto wohler fühlt sich unser Geist.

Zu jung für den «Ruhestand»
Mit 65 in den Ruhestand zu treten, findet der Philosoph Ludwig Hasler deshalb einen Irrsinn. Professuren stehen meist in einem unbefristeten Anstellungsverhälnis. Um dem «Sesselkleben» vorzubeugen, wird (zu) oft das gesetzliche Pensionsalter zum Rücktritt eingefordert. So kommt es, dass die Geotechnikerin und ETH Rektorin Sarah Springman (64) nach einem Vierteljahrhundert an der ETH Zürich und nach sieben Jahren in der Schulleitung das Amt an den Teilchenphysiker Günther Dissertori übergibt. (NZZ vom 7. Dezember 2021). Die äusserst beliebte Rektorin, Mentorin und Vorbild jüngerer Generationen, wird ab Februar 2022 Direktorin des 1893 gegründeten St Hilda’s College der Universität Oxford, England.

Erfahrung basiert auf Vergangenheit
«Das haben wir schon immer so gemacht», «der Mensch ist ein Gewohnheitstier» oder auch «das ist historisch so gewachsen» hört man leider viel zu oft. Dank unseres Gedächtnisses erinnern wir uns an Vergangenes. Dies erklärt auch weshalb ältere Probanden, zur Erledigung eines Vorhabens, im Labor schlechter abschneiden als jüngere. In ihrer gewohnten Um­gebung zeigen sie dagegen bessere Leistungen. Es gibt auch 60-Jährige, die sind frei von Erfahrung. Sie pochen auf ihr Wissen von gestern, fühlen sich bedroht durch die Mentalität der Jungen. Der ECO Talk vom 6. Dezember 2021 mit Reto Lipp, hat meine Observation bestätigt, wie Überheblichkeit von uns «Alten» gegenüber den «jungen Wilden» jegliche Zusammenarbeit erschwert. Man hat viel Erfahrung, aus Führungspositionen, Militär oder Politik und lässt dies wiederholt durchblicken. Solch hierarchisches Denken ist vielen Jungen fremd. In der Diskussion versuchen sie Brücken zu bauen und riskieren dabei, mit ihren «Unzulänglichkeiten» konfrontiert zu werden. Etwas mehr Demut unsererseits wäre angebracht. Der Respekt der Jungen kommt von selbst, wo wir «Alten» Akteure uns aufrichtig für deren Zukunft einsetzen.

«kompetenz60plus.ch»
Mit unserer Erfahrung aus der analogen, zusammen mit Erkenntnissen aus der digitalen Welt, sind wir «Alten» gerne bereit, diese mit KMU’s oder im Team mit jungen Forschenden und Wissenschaftern auf Augenhöhe zu teilen. «kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


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