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Blog, Industrie 4.0

#320 – KI-Revolution

Kontrollverlust?
Doch wer jetzt nicht aufpasst, wird abgehängt, schreibt Linus Schöpfer in seinem Beitrag im NZZmagazin vom 22. April 2023. Er bezieht sich auf einige verblüffende Ereignisse im April 2023, KI-Künstler, welche uns mit ihren Arbeiten verwirren. Da ist der Fotograf Boris Eldagsen, der mit seinem Bild «Die Elektrikerin» einen wichtigen Fotopreis gewann und im Nachhinein eingestand, dieses mit dem KI-Programm Dall:e 2 erstellt zu haben. Oder ein millionenfach gehörtes Duett des kanadischen Rappers Drake mit seinem gelegentlichen Studio- und Bühnenpartner, The Weeknd, von dem die Interpreten nichts wussten. Dafür stehen den Künstler:innen eine Palette an Programmen zur Auswahl, die in den letzten Monaten enorm gewachsen ist. Viele sind vorläufig noch kostenlos verfügbar, da sie ständig weiter entwickelt und perfektioniert werden. Das sorgt für Euphorie – und für Panik unter Wissenschaftern und Politikern. Manche schreiben bereits vom Verlust der Kontrolle über unsere Zivilisation.

KI als neues Schulfach?
Wie damals, als der Primarlehrer meines Sohns befand, dass sich das Internet nie durchsetzen werde, gibt es auch heute Zweifler an der künstlichen Intelligenz. Wie viele «Alte» unter uns, die sich schwer tun mit jeglicher Veränderung und sich dem Thema verschliessen. Dabei gilt es, ein Handwerk zu erlernen, schrieb Linus Schöpfer. Die KI-Revolution betrifft die meisten Berufe, jede und jeder muss sich mit neuen Programmen vertraut machen. Prompt Engineering, also das präzise Formulieren von Aufträgen oder Fragen zuhanden einer künstlichen Intelligenz, gehört seit diesem Jahr zu den digitalen Grundfertigkeiten, so wie Mailen oder das Bedienen einer Suchmaschine. Betriebe müssen ihre Angestellten unterstützen, Lehrer:innen ihre Schüler:innen unterrichten. Auch hier gilt: Jedes Fach ist von der KI-Revolution betroffen. Ein eigenes, neues Schulfach zu schaffen, wie es zuweilen gefordert wird, wäre der falsche Ansatz. Bis zu einer Einführung dürften im tendenziell recht schläfrigen Schweizer Bildungssystem Jahre vergehen.

Weit entfernt von Perfektion
Dass die KI aktuell noch viele Phantasien hervorbringt, ist nur auf den ersten Blick absurd. Denn Programmierende können die Milliarden von Texten und Bildern unmöglich überblicken, auf deren Basis die Software ihre Antworten statistisch herauskombiniert. Ebenso wenig können sie die Millionen von Anfragen antizipieren, auf die ihre Software täglich Antworten finden muss. Bizarre Schlussfolgerungen, sogenannte «Halluzinationen», gehören deshalb zur heutigen KI dazu – egal, wie präzise die Sicherheitsvorkehrungen auch sein mögen. Dieses Phänomen wird künftig noch ungleich relevanter werden. Etwa dann, wenn auch Atombehörden oder Militärbasen ihre Prozesse mit KI zu perfektionieren versuchen, sinniert Schöpfer.

So stellt sich Humane die Telefonie der Zukunft vor (Bild: TED/Humane)

Entwicklung von Hardware zur Nutzung von KI
Auf dem Gebiet der Hardware tut sich ebenfalls Erstaunliches. Einmal abgesehen von den Headsets für AR erweiterte und VR virtuelle Realität, die an Taucherbrillen erinnern und nicht zum umherlaufen geeignet sind, wird an der Entwicklung von immer kleineren Geräten gearbeitet. Imran Chaudhri (50), ein ehemaliger Mitarbeiter aus Jony Ives Design-Abteilung bei Apple, hat zusammen mit Bethany Bongiorno, die früher als Software-Director ebenfalls bei Apple arbeitete, 2017 das Startup Humane gegründet. Weitere Apple-Mitarbeitende wechselten in der Folge zum Startup, das gemäss Malte Kirchner, Heise.de online vom 10. Mai 2023, lange Zeit ein grosses Geheimnis um sein erstes Produkt machte.

Telefonie der Zukunft
Imran Chaudhri verbrachte mehr als 20 Jahre bei Apple und entwickelte einige der weltweit beliebtesten Konsumgüter. Jetzt nutzt er KI, um die Rolle der Technologie in unserem Leben zu überdenken und neu zu gestalten. Seit mehr als 30 Jahren gibt es Bestrebungen, über Kleidungsstücke oder Armbänder im Internet zu kommunizieren. Chaudhris bisher namenlose Gerät versteckt sich in seiner Hemdtasche. Es handelt sich um ein kleines Kästchen mit einer Leuchtdiode, das augenscheinlich über optische Sensoren, ein Mikrofon und Sprachausgabe verfügt. Per Laserprojektion kann es einfarbig Informationen darstellen. Chaudhri zeigte das In seiner TED-talks Vorführung (13:55′) am Beispiel eines Anrufs, dessen Informationen in seine Hand projiziert wurden. Das Gerät erkannte dabei offenbar Gesten, die zur Steuerung dienten.

Wir «Alten» erinnern uns
Star Trek-Fans dürfte die Humane-Erfindung an den Communicator erinnern, den die Sternenflotten-Besatzungen an ihren Uniformen trugen und der als Kommunikationsgerät, aber auch als eine Art mobiler Computer fungierte, mit dem per Sprache interagiert werden kann. Dabei spielt künstliche Intelligenz KI eine grosse Rolle. In einem weiteren Beispiel fragt Chaudhri nach einem nahegelegenen Geschäft, wo er ein Geschenk für seine Frau erwerben kann. Oder er hält einen Schokoriegel in die Höhe und erfährt vom Gerät, ob er diesen mit seiner Nahrungsmittelunverträglichkeit zu sich nehmen kann. Und im nächsten Moment lässt er seine Sprache ins Französische übersetzen. Das Gerät gibt diese mittels KI in einer Stimme aus, die seiner ähnelt. Chaudhri erklärte, dass er und Humane die Zukunft der Technik nicht im Bereich Augmented Reality und Virtual Reality (erweiterte und virtuelle Realität) sehen. Die dafür nötigen Geräte schaffen seinen Worten nach eine Barriere zur realen Welt. Humane wolle eine «einzigartige Geräte- und Dienstleistungsplattformen» erschaffen. Wir dürfen gespannt sein.

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#319 – «Alte» im aktuellen Arbeitsprozess

Nicht sehr innovativ
Spätestens seit der Corona-Pandemie hat sich die Arbeitswelt nachhaltig verändert. Für viele Firmen, vor allem im KMU-Bereich, ist dies ein Riesenstress. Vor Corona arrangierten die Leute ihr Leben um die Arbeit herum. Heute ist es umgekehrt: Die Menschen wollen ihre Arbeit um ihr Leben herum arrangieren, sagt der amerikanische Psychologe Anthony C. Klotz im Interview mit Katharina Bracher, NZZ vom 10. Mai 2023. Arbeitgebende müssen auf diese neuen Bedürfnisse eingehen, wenn sie im ausgetrockneten Markt noch Mitarbeiter:innen finden und vor allem halten wollen. Die meisten reagieren deshalb mit denselben drei starren Lösungen: Entweder arbeitet man vom Home-Office aus, man hat ein hybrides Modell, oder man ist im Büro. Nicht sehr innovativ. Doch anstatt dem ganzen Personal «One size fits all»-Lösungen mit demselben Standardmodell überzustülpen, sollten die Firmen Ausnahmen machen und massgeschneiderte Lösungen anbieten. Auch für uns «Alte». Dabei ist die Angst der Unternehmen: «Wenn wir es einem erlauben, fordern es alle» unbegründet und verstösst nicht gegen den den Grundsatz der Gleichbehandlung. Unsere Bedürfnisse sind sehr individuell, nicht alle können oder wollen zum Beispiel im Home-Office oder Teilzeit arbeiten.

«Alte» im Arbeitsmarkt – das Karriereplateau – ein Neubeginn
Wenn Mitarbeitende ihr Karriereplateau erreicht haben, investiert die Firma nicht länger in deren Entwicklung. Viele lassen sich deshalb pensionieren, wenn sie merken dass es nicht mehr weiter aufwärts geht, anstatt gegen diese Situation anzukämpfen. Für die Wirtschaft wird der Verzicht auf Erfahrung und Wissen dieser älteren Generation, im grössten Personalmangel seit der Hochkonjunktur in den 1970ern, immer mehr zu einer Herausforderung. Manche von uns «Alten» sehen in der gegenwärtigen Situation auch Chancen und spielen mit dem Gedanken eines Neubeginns, um unsere Fähigkeiten auf einem anderen Gebiet einzusetzen. Mit fünfzig Jahren das Berufsfeld zu wechseln oder sich neu ausbilden zu lassen, erachtet der deutsche Hirnforscher Lutz Jäncke (65) sogar als förderlich für die Gesundheit im Alter. Andere wollen jedoch keine lange Ausbildung mehr beginnen, zumal man aus Erfahrung schon alles viel besser weiss. Starke Veränderungen der Karriere bergen gemäss Anthony C. Klotz aber auch Risiken. Unabhängig davon, in welchem Alter wir uns neu orientieren, mit unserem Beruf verbinden wir auch unsere Identität. Diese ist zentral für unser Leben, denn ein grosser Teil unseres Selbstwerts und unseres Selbstbilds stammt aus dem Fakt, wer wir sind und mit welcher Firma, mit welchem neuen Arbeitgeber wir uns einlassen.

Jenny Holzer (72), amerikanische Künstlerin: IN A DREAM YOU SAW A WAY TO SURVIVE AND YOU WERE FULL OF JOY, Wandgemälde 2022, Text: Survival, 1983–1985. © 2022 Jenny Holzer, ARS. Bild: The Contemporary Austin. Photografie: Alex Boeschenstein.

Herausforderungen mit älteren Arbeitnehmenden
Wir «Alten» sollen helfen, den temporären Fachkräftemangel zu überbrücken, ist eine Idealvorstellung. Wir sollen nach der Pensionierung, oft auch als Quereinsteiger, weiterarbeiten. Die meisten 60jährigen wollen aber keine lange Ausbildung mehr beginnen und lebenslange Weiterbildung war nie ein Thema. Sind wir also gerüstet für die Herausforderungen im aktuellen Arbeitsmarkt, wo sich so vieles gewandelt hat, auch die «Arbeitsmoral» ist heute eine andere. Präsenzzeit ist nicht mehr das Mass aller Dinge. Vielmehr muss es uns gelingen, zeitnah auf unerwartete Situationen zu reagieren, ohne lange Dienstwege und Rückfragen. Das setzt eine gute Portion Vertrauen, auch seitens der Arbeitgebenden voraus und schützt niemanden vor möglichen Fehlentscheiden. Unterstützen sollen uns dabei verschiedenste digitale Hilfsmittel, künstliche Intelligenz und Robotik. Dagegen sprechen unsere Schwierigkeiten, mit den neuesten Technologien Schritt zu halten. Die Vorurteile und Stereotype gegenüber älteren Mitarbeitenden, mangelnde Flexibilität oder Bereitschaft, neue Fähigkeiten zu erlernen, bleiben bestehen. Zentral ist auch das Verhalten von Führungsverantwortlichen gegenüber uns «Alten». Einige von ihnen schätzen die langjährige Erfahrung älterer Arbeitnehmenden und anerkennen den Mehrwert, den sie aufgrund ihres Wissens und ihrer Kompetenzen einbringen können. Führungskräfte, welche die Vorteile von Altersvielfalt erkennen, schaffen eine inklusive Unternehmenskultur, wo auch wir «Alten» unsere Fähigkeiten optimal einsetzen können.

Paradoxon Transformationsbemühungen
Im Beitrag der BCG Boston Consulting Group vom 4. April 2023 beschäftigen sich Amanda Luther, Romain de Laubier, Saibal Chakraborty, Dylan Bolden, Sylvain Duranton, Tauseef Charanya und Patrick Forth mit den veränderten Rahmenbedingungen zum Erfolg von Geschäftsmodellen. Dazu gehört eine Führung, die auf einen Unternehmenszweck ausgerichtet ist, welche Nachhaltigkeit und Soziales integriert, Transparenz schafft und Vertrauen aufbaut. Mitarbeitervorteile müssen nicht nur erstklassige Talente anzuziehen, sondern helfen, das vorhandene Personal zu halten und weiterzuentwickeln. Das aktuelle Geschäftsumfeld stellt Führungskräfte vor ein Paradoxon. Durch die zunehmende Komplexität und Volatilität stehen Unternehmen vor einem ständigen Veränderungsbedarf. Führung ist für den Transformationserfolg, das Erreichen der Ziele, von zentraler Bedeutung. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass langfristige Nachhaltigkeit nur durch ein starkes Engagement auf allen Ebenen der Organisation erreicht werden kann. Generative Führung konzentriert sich auf Kopf, Herz und Hände. Der Kopf bezieht sich auf die Neuerfindung des Geschäfts, um den Menschen, dem Planeten, der Gesellschaft und den Aktionären zu dienen; das Herz beinhaltet die Inspiration und Bereicherung der menschlichen Erfahrung; und die Hände ermöglichen die Umsetzung und Innovation durch leistungsstarke Teams. (Quelle: BCG Boston Consulting Group «Leadership with a Powerful Purpose», 11. Mai 2023). «Alte» Mentoren, Coaches oder Sparringspartner unterstützen solche Prozesse dank ihrer Gelassenheit und Selbstsicherheit.

Jenny Holzer (72), amerikanische Künstlerin: Kind of Blue, 2012. Modern Art Museum of Fort Worth, Texas

Viertagewoche, Bauen an der Zukunft von Arbeit
Viel Beachtung, auch mit Konsequenzen für ältere Arbeitnehmende, geniesst die Einführung der Viertagewoche. Das Streitgespräch zur verkürzten Arbeitswoche mit Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt und René Schmid, Geschäftsführer eines Kleinunternehmens im Zürcher Oberland, zeichnete Nicole Rütti in der NZZ vom 18.April 2023 auf. Für Schmid bringt das Modell einer Viertagewoche grosse Vorteile, indem unnötige Dinge weggelassen werden und ist eine logische Folge unserer wertorientierten Unternehmenskultur. Bei gleichem Lohn werde pro Tag etwas länger gearbeitet und seine Mitarbeitenden fahren nur viermal die Woche auf die Baustelle. Die Leute erledigen ihre Tagesziele und schmeissen nicht einfach um Punkt fünf Uhr ihr Werkzeug hin. Valentin Vogt räumt zwar ein, dass eine Produktivitätssteigerung durch Digitalisierung und Automatisierung den Fachkräftemangel etwas entlastet, doch die Arbeit ist viel mehr als nur Geldverdienen, sie schafft Tagesstrukturen, integriert und motiviert. Die Mehrheit der Leute arbeitet gerne. Dass gemäss Schmid die nachrückende Generation nicht mehr nur arbeiten will, sieht Valentin Vogt als Wohlstandsverwahrlosung, welche den Generationenvertrag der Sozialwerke in einer Teilzeitarbeitsgesellschaft akut gefährden wird. Schmid sieht in der verkürzten Arbeitszeit eine Chance, Arbeitsabläufe zu vereinfachen und zu straffen. Es ist eine Führungsaufgabe, dafür zu sorgen, dass auch die Mitarbeitenden effizient sind und dank Digitalisierung ihre Arbeit optimieren. Ein Schlüsselthema sind auch die vielen unproduktiven Sitzungen.

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#318 – Arbeit an der Produktivität

Arbeiten an der Arbeit
In den vergangenen Jahren haben digitale Technologien und die Automatisierung vor allem Routinetätigkeiten ersetzt – Aufgaben, welche nach klaren Vorschriften ausgeführt werden können. Vermehrt sind Leute gefragt, die Probleme analysieren und Entscheidungen treffen. «Vielleicht können wir mit KI die Jobs von dem befreien, was sie mühsam macht» sagt Prof. Dr. Thilo Stadelmann von der ZHAW. All dies führt unweigerlich zu einer Debatte über den Sinn von Arbeit. «Macht dich harte Arbeit wirklich zu einem guten Menschen?» fragt Dr. Azim Shariff, Sozialpsychologe an der University of British Columbia im TED@Destination Canada-Talk. Angesichts der Diskussionen um künstliche Intelligenz KI scheint mir diese Frage zentral. Wenn unsere Arbeit durch eine fortschrittliche Software, welche die Arbeit kostenlos und in gleicher oder besserer Qualität erledigt, überflüssig wird, weshalb arbeiten wir dann weiter? Diejenigen, die weiter arbeiteten, werden für weniger kompetent – ja sogar als Trottel – angesehen. Und trotzdem, auch wenn die Arbeit keinen Mehrwert bietet, sehen wir im Weitermachen auch etwas tugendhaftes, etwas moralisches in der Anstrengung. Azim Shariff und seine Mitarbeitenden haben dazu an der Arbeit selbst gearbeitet. Und in einer Studie nach der anderen stellten sie fest, dass Menschen der Anstrengung einen moralischen Wert beimessen, unabhängig davon, was diese Anstrengung hervorbringt. Eine fleissig arbeitende Person wird als moralischer und dadurch als besserer Kooperationspartner angesehen, auch wenn sie keinen Mehrwert bot.

Industrielle Revolution: Glorifizierung von Arbeit «Art for the Workers› sake» Metropolitan Museum of Art

Moralisierung der Arbeit
Grosszügigkeit und hartes Arbeit gehen gemäss Shariff Hand in Hand mit einem guten Charakter. Diese intuitive Verbindung zwischen Anstrengung und Moral scheint nicht die Eigenart einer bestimmten Kultur zu sein, sondern möglicherweise etwas sehr Tiefgründiges. Jemand, der bereit ist zu zeigen, dass er sich auch bei bedeutungslosen Aufgaben Mühe gibt, ist jemand, der jemandem eher helfen wird. Wir alle versuchen, uns mit Menschen zu umgeben, die uns im Notfall helfen, die nicht nachlassen und die Dinge fair teilen. Eigenschaften wie Grosszügigkeit, Selbstbeherrschung oder harte Arbeit als moralische Eigenschaft, machen auch uns «Alte» zu besseren Kooperationspartnern. Harte Arbeit kann äusserst sinnvoll sein, wenn sie einem Zweck dient. Harte Arbeit baute die Zivilisation auf. Heute verwenden wir viel Mühe darauf, unseren eigenen moralischen Ruf aufzubauen, um andere Menschen davon zu überzeugen, dass wir harte Arbeiter sind.

Aktivität statt Produktivität – Workismus
Was auf individueller Ebene sinnvoll ist, kann auf der gesellschaftlichen Ebene immer noch sehr problematisch werden. Unsere Intuition, dass Anstrengung um ihrer selbst willen gut ist, unabhängig davon, was sie hervorbringt, hat ein Arbeitsumfeld mit perversen Anreizen geschaffen. Wenn wir also anfangen, Wert auf Aktivität statt auf Produktivität zu legen, kümmern wir uns mehr darum, ob jemand ein harter Arbeiter ist, als darum, was diese Arbeit erreichen sollte. Und dies kann mit sehr hohen Kosten verbunden sein. Azim Shariff beruft sich dabei auf zwei Beispiele: Der Anthropologe David Graeber (1961-2020), der sich fragte, wie der Kapitalismus so viele sogenannte «Bullshit-Jobs» aufrechterhalten konnte. Dabei handelt es sich um Jobs, bei denen selbst die Menschen, die die Arbeit ausführen, sie als sinnlos ansehen und nichts von gesellschaftlichem Wert erreichen. Oder was der Journalist Derek Thompson (36) «Workismus» nennt. Dabei geht es darum, dass unser Job nicht nur die Quelle unseres Lohns ist, sondern auch die Quelle unserer Identität und ein Weg zur Selbstverwirklichung.


Was ist KI überhaupt?
Martin Vetterli (65), Präsident der ETH Lausanne, spricht im Interview mit Hannes Grassegger, Tages Anzeiger Magazin vom 12. Mai 2023, über künstliche Intelligenz KI. Martin Vetterli ist Professor für Informatik und Kommunikation an der EPFL. Nach seinem Abschluss an der ETH Zürich, studierte er 1982 «digital signal processing» (Signalverarbeitung) im kalifornischen Silicon Valley an der Stanford University. KI ist letztlich Algorithmen plus Daten, erklärt er. Algorithmen sind Verknüpfungen von Handlungsanweisungen. Und ein lernfähiger Algorithmus lernt aus den Daten, die er verarbeitet, er bildet sich fort. Das nennt man maschinelles Lernen, oder eben populär: KI. Auf die Frage ob wir am Beginn eines neuen Zeitalters stehen und was das mit uns machen wird, soll jemand überhaupt noch an der EPFL studieren und Physik oder Coding lernen, ist für ihn klar: «Sie müssen ja überprüfen können, ob die KI richtigliegt. Kritisches Denken lernt man bei uns, und das wird immer wichtiger, je schneller der Fortschritt ist». Das Rechnen einfach den Maschinen zu überlassen kommt für ihn nicht in Frage, denn er ist ein Anhänger von «harten Problemen». Wie viele von uns «Alten» glaubt er an den Wert harter Arbeit. Wer nie an einem schwierigen Problem gearbeitet hat, wird ein verwöhnter Mensch. Dieser denkt, alles sei einfach, und irgendwann steht er vor einem schwierigen Problem und ist froh über gewisse Grundfähigkeiten wie das Einmaleins, bei dessen lernen wir eine gewisse Merktechnik entwickelten. Solch harte Probleme können alles Mögliche sein, auch manuelle Fähigkeiten.

Workers Returning Home (Arbeiter auf dem Heimweg): Edvard Munch, 1920. Nationalmuseum Oslo, Norwegen

Halluzinierende Maschinen in der KI
«AI machines aren’t «hallucinating». But their makers are» (KI-Maschinen «halluzinieren» nicht. Aber ihre Macher tun es), schreibt Naomi Klein in The Guardian vom 8. Mai 2023. Tech-CEOs möchten uns überzeugen, dass generative KI der Menschheit zugute kommen wird. Sie machen sich selbst etwas vor, stellt die Kanadierin Naomi Klein (53) fest. Sie ist Kolumnistin und Gastautorin des Guardian in den USA, Bestsellerautorin von «No Logo» und «The Shock Doctrine», sowie Professorin für Klimagerechtigkeit und Co-Direktorin des Centre for Climate Justice an der University of British Columbia. «Niemand auf diesem Gebiet hat die Halluzinationsprobleme bisher gelöst», sagte Sundar Pichai, der CEO von Google und Alphabet, kürzlich einem Interviewer. Das stimmt zwar, meint Naomi Klein und fragt, warum nennt man die Fehler überhaupt «Halluzinationen»? Warum nicht algorithmischer Schrott? Oder Störungen? Nun, Halluzination bezieht sich auf die mysteriöse Fähigkeit des menschlichen Gehirns, Phänomene wahrzunehmen, die nicht vorhanden sind, zumindest nicht in herkömmlichen, materialistischen Begriffen. Durch Aneignung des Begriffs aus der Psychologie wird jedoch eine belebte Intelligenz suggeriert, die kurz davor steht, einen Evolutionssprung für unsere Spezies auszulösen.

KI wird uns von der Schinderei befreien
Wer mag schon Arbeit? Generative KI wird nicht das Ende der Beschäftigung sein, wird uns gesagt, sondern nur das von «langweiliger Arbeit». Chatbots werden hilfreich alle seelenzerstörenden, sich wiederholenden Aufgaben erledigen und wir Menschen werden sie lediglich beaufsichtigen. Sam Altman (38), der CEO von OpenAI – Erschöpfer von ChatGPT – seinerseits sieht eine Zukunft, in der Arbeit «ein umfassenderes Konzept sein kann, nicht etwas, das man tun muss, um essen zu können, sondern etwas, das man als kreativen Ausdruck und als Weg zur Erfüllung und zum Glück tut». Für Naomi Klein bedeutet eine Welt ohne schlechte Jobs aber, dass die Miete kostenlos sein muss, die Gesundheitsversorgung kostenlos sein muss und jeder Mensch unveräusserliche wirtschaftliche Rechte haben muss. Und dann reden wir plötzlich gar nicht mehr über KI, sondern über Sozialismus.

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