Blog, Industrie 4.0

#191 – Der Mensch als Zwischenwirt

Erfahrung und Vernunft beim Programmieren
Wir «Alten» wünschen uns, wenn wir unsere Erfahrung an die nächste Generation weitergeben, dass wir damit die Zukunft sichern. Während vor 50 Jahren traditionsgemäss handwerkliche Fertigkeiten an die Jüngeren weitergegeben wurden, besteht heute der Wunsch nach Verantwortung, Vernunft, Ethik und Moral im digitalen Bereich. Zunehmend gewinnt die KI künstliche Intelligenz und folglich die Qualität der damit verbundenen Daten an Wichtigkeit. Diese Programmierungen erfolgen heute noch grossmehrheitlich im englischsprachigen Kulturraum, mit teilweise sperrigem Ergebnis. Applikationen müssten daher auch nationale oder regionale Eigenheiten berücksichtigen. Einfach alles auf Deutsch zu übersetzen und damit teils fremde Wertvorstellungen zu übernehmen, greift zu kurz. Zur künstlichen Intelligenz stellt der Schweizer Physiker und Philosoph Eduard Kaeser (72) in der NZZ vom 10. Oktober 2020 die Frage, wessen Intelligenz wir meinen. Ist es das vertiefte Denken, das unter anderem auch Erfahrung voraussetzt, oder ist es einfach das (maschinelle) «Lernen» nach dem Prinzip: immer mehr vom Gleichen. Die (Lebens-)Erfahrung und Vernunft von uns «Alten», gepaart mit dem aktualisierten Wissen der «Jungen», eignen sich hervorragend zur Programmierung von künstlicher Intelligenz. Dabei spekuliert der deutsche Kultur- und Medienwissenschafter Roberto Simanowski (57), dass der Mensch vielleicht nur ein Zwischenwirt dieser Vernunft ist und nicht der «Endpunkt der Schöpfung». Sein Beitrag vom 16. Oktober 2020 im NZZ-Feuilleton befasst sich deshalb mit dem Menschen der immerzu das Verborgene entdecken will – auch wenn er dabei an Dingen bastelt, die unkontrollierbar zu werden drohen.

NZZ Feuilleton vom 16. Oktober 2020, Bild: Kim Cheung / AP

Die Zukunft liegt in den Händen der Computerwissenschaft
Simanowski bezieht sich unter Anderen auf den deutsch-amerikanische Literaturwissenschafter Hans Ulrich Gumbrecht (72) und dessen Buch «Weltgeist im Silicon Valley» (2018): Die geopolitische Verschiebung von Mitteleuropa an die Westküste der USA bedeutet zugleich den Wechsel vom Politischen zum Wissenschaftlichen. Es sind Menschen wie der Amazon-Chef Jeff Bezos oder der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, die Tag für Tag, mit jedem neuen Projekt und jedem neuen Datensatz ein bisschen mehr die Zukunft bestimmen. Die Frage der Ethik des Technischen stellt sich gemäss Auffassung des Stanford-Studenten Sam Ginn anders als in der Vergangenheit, weil im Falle der KI künstlichen Intelligenz die Gefahr gar nicht mehr nur von einer verantwortungslosen Nutzung der Erfindung ausgeht, sondern von der Erfindung selbst. Es ist möglich, dass diese ihren Schöpfern nicht wie geplant als Sklave dient, sondern diese selbst versklavt.

Vom Sklaven zum Partner
Die Frage nach dem Verhältnis der KI zum Menschen zielt darauf, mit welchen moralischen Grundsätzen man Technik ausstattet, damit sie, sobald der Mensch sie nicht mehr kontrollieren kann, diesen nicht als Sklaven, sondern als Partner betrachtet. Je mehr die Algorithmen uns helfen, umso hilfloser werden wir. Wer sich plötzlich ohne Navi allein nach Karte orientieren muss, spürt das. Man könnte deshalb die Macht nicht im Menschen sehen, der das Medium so oder so benutzen kann, sondern im Medium, das dem Menschen seine eigenen Dispositive aufdrängt. Die Macintosh-Computerplattform mit den heute üblichen Menübefehlen wurde erstmals 1984 von Apple vorgestellt. 1985 war die Geburtsstunde für Desktop-Publishing mit dem Apple LaserWriter-Drucker. Plötzlich verfügten wir per «Mausklick» über noch nie dagewesene Optionen zu den einzelnen Arbeitsschritten. Diese Programmierung hat eine ganze Industrie verändert und bildete den Anfang einer über bald vier Jahrzehnte andauernden «Konvention» im digitalen Arbeiten. Dazu Roberto Simanowski: «Klar, es degradiert den Menschen, wenn er sich am Ende nur als Zwischenwirt der Vernunft herausstellt, ein Zwischenwirt der Vernunft nicht nur für seine Schöpfung, die künstliche Intelligenz, sondern auch für seinen Schöpfer, den absoluten Geist, der als allwissende, allmächtige künstliche Intelligenz im Internet aller Dinge und Ereignisse auf höchster Prozess-Stufe in Echtzeit endlich ganz zu sich selbst kommt. Aber ist es nicht auch beruhigend, sich – als «Geschäftsführer des Weltgeistes» – wieder eingebunden zu sehen in eine Geschichte, die weiss, wo sie hinwill?»

Kompetente «Alte» stellen ihre Erfahrung zur Verfügung
«kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich ihrer Verantwortung gegenüber der jüngeren Generation bewusst sind und sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Wir «Alten», Frauen und Männer, im Team auf Augenhöhe mit den «jungen Wilden», stellen unsere Erfahrung mit Leidenschaft zur Verfügung. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


Ein Projekt «von uns. für uns.»
Web: kompetenz60plus.ch I Mail: werner@kompetenz60plus.ch I
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