Blog, Industrie 4.0

#190 – Künstliche Intelligenz dank Erfahrung

Deep Learning braucht Deep Thinking
In der Diskussion über KI künstliche Intelligenz stellen wir uns die Frage, welche Intelligenz wir meinen. Ist es das vertiefte Denken, das unter anderem auch Erfahrung voraussetzt, oder ist es einfach das (maschinelle) «Lernen» wiederholbarer Vorgänge. Der Schweizer Physiker und Philosoph Eduard Kaeser (72), schreibt dazu in der NZZ vom 10.10.2020, wie ohne theoretischen Leitfaden die Arbeit des Verstehens in der Datenschwemme erstickt. Die (Lebens-)Erfahrung von uns «Alten», gepaart mit dem aktualisierten Wissen der «Jungen», scheint mir deshalb eine wichtige Voraussetzung zur Programmierung von künstlicher Intelligenz. Der Erfolg künstlicher Intelligenz beruht auf der Fähigkeit von Maschinen, blitzschnell riesige Datenmengen zu durchforsten, was nichts sagt über die Qualität dieser Daten. Die Programmierung geschieht heute noch grossmehrheitlich im englischsprachigen Kulturraum, mit teilweise sperrigem Ergebnis. Ich bin deshalb der Meinung, dass Applikationen auch nationale oder regionale Eigenheiten berücksichtigen müssten. Einfach alles auf Deutsch zu übersetzen greift dabei zu kurz.

Denken setzt Erfahrung voraus
Die Künstliche-Intelligenz-Forschung (KI-Forschung) setzt enorme Hoffnungen in automatisiertes Lernen. Das klingt alles wunderbar, aber um kausale Mechanismen und Zusammenhänge wirklich zu erklären, benötigt man Theorie – «tiefe» Theorie, schreibt Eduard Kaeser. Konzeptuelle Probleme sind Probleme des Konzipierens, also des Denkens, und solches Denken setzt Vorwissen voraus. Als Beispiel nennt er die Physik, wo alle fundamentalen Begriffe dem Denken entsprungen sind, nicht dem Datensammeln: Raum, Zeit, Bewegung, Materie, Kausalität, Energie, Fernwirkung, um nur einige zu nennen. Aber was heisst eigentlich Theorie und Verstehen? Gemäss Kaeser ist Theorie das Denken im Konjunktiv, sie beginnt stets mit der Wendung «Stellen wir uns vor, dass . . .» oder «Was wäre, wenn . . .». Empirie dagegen ist Denken im Indikativ, sie beginnt mit der Wendung «Schauen wir, was ist». Als Beispiel nennt er den Prähominiden, der vor 50 000 Jahren nicht einfach fragte: «Wo ist das Mammut?», sondern theoretisierte: «Wo könnte sich das Mammut unter diesen Wetterbedingungen aufhalten?». Daten lassen sich überall da sammeln, wo die Fragen «Wer?», «Wo?», «Was?», «Wann?», «Wie?» beantwortbar sind. Nur nicht bei der Frage «Warum?». Modelle ergeben sich nicht «von selbst aus den experimentellen Daten». Wir brauchen Theorien, sonst droht die Arbeit des Verstehens in der Datenschwemme zu ersticken.

Datensammeln: Vermessung von Infrastrukturen, Verkehrsbetriebe Zürich, Sommer 2020, Bild: WKR

Intervention und Imagination
«Deep Learning» ist im wesentlichen Statistik, nicht Wissen. «Tiefes Lernen» funktioniert oft nach dem Prinzip: immer mehr vom Gleichen. Die statistischen Methoden sind heute äusserst elaboriert, man sollte von ihnen jedoch nicht erwarten, dass sie es auf die Stufe der Intelligenz schaffen, wie wir sie vom Menschen her kennen. Diese Intelligenz setzt «tiefes Denken», die planvolle Intervention und Imagination voraus. Man kann nicht immer das Gleiche zu tun und dabei Anderes erwarten. Zum Beispiel fehlt uns immer noch die automatisierte Erfassung von Meldung aus der App, den Kantonen und Gemeinden zu den COVID-19 Fallzahlen, um daraus zeitnah unterschiedlichste Statistiken zu generieren. Noch sind zu viele manuelle (fehlerbehaftete) Zwischenschritte notwendig, vermisst wird das Konzept des «computational thinking», das vernetzte (rechnerische) Maschinendenken, es fehlt dazu an einer «Vogelperspektive». Dass die Schweizer App im übrigen Europa nicht funktioniert zeigt wie schwer man sich tut mit der Digitalisierung. Kommt dazu, dass die Behörde nur zu Bürozeiten, ohne Wochenenden, «lernt». Seit Monaten gibt man sich zufrieden mit «linearen, föderalistischen Denkprozessen» und vergibt sich damit auch Optionen, durch dynamische Veränderung der Parameter, alternative Zusammenhänge sichtbar zu machen.

Kompetente «Alte» stellen ihre Erfahrung zur Verfügung
«kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich ihrer Verantwortung gegenüber der jüngeren Generation bewusst sind und sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Wir «Alten», Frauen und Männer, im Team auf Augenhöhe mit den «jungen Wilden», stellen unsere Erfahrung mit Leidenschaft zur Verfügung. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


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