
Weg mit dem Ballast
Das Bild hat den heutigen Blogbeitrag inspiriert. Vieles ist greifbar nah, nur sehen wir es nicht. Dies zeigt sich im Kontakt als Mentor mit den Jüngeren, wo wir «Alten» die Gelegenheit erhalten, unsere Erfahrung an die nächsten Generationen weiter zu geben. Zwischen 40 und 60 beschleicht viele von uns das Gefühl, etwas im Leben verpasst zu haben. Meist völlig zu Unrecht. Wir schauen in die falsche Richtung und sehen nicht wo unsere Opportunitäten sind. Es bietet sich an, gleich diverse Illusionen über Bord zu werfen. Nicht alle, aber ein paar. Die von der Karriere als Pianistin, dem herausragenden Architekten oder der Mutter von fünf Kindern. Die, dass am Ende immer alles gut wird. Die, dass das eigene Leben irgendwie herausrage. Die vom Neuanfang und so weiter. – Es ist befreiend, nicht mehr in die Geschichte eingehen zu müssen. Weg mit dem Ballast, schreibt Anja Jardine zur Mitte des Lebens, in der NZZ vom 9. November 2020.
Kollektiv in der zweiten Pubertät
Jardine beschreibt in ironischer Weise das Phänomen des «Mamil», wie die Spezies im englischsprachigen Raum genannt wird: «middle aged man in lycra». Frei übersetzt: Ein dicker Mann in den mittleren Jahren in schlauchartigen Kunstfasern auf einem Rennvelo. Angeblich hat das Marktforschungsunternehmen Mintel den Begriff 2010 geprägt, um eine Zielgruppe zu beschreiben, die aufgrund ihres Alters und ihrer psychischen Verfassung für zahlreiche Märkte attraktiv ist. Mamils personifizieren die Midlife-Crisis wie kaum eine andere Gruppe – oder, auch so kann man es sehen, die Überwindung ebendieser. Eines Tages, in der Regel Anfang 40, übertreten wir eine unsichtbare Linie. Es ist eine Art persönliches Sonnenwendefest; zum Glück kennen wir das Datum nicht. Von da an ist das Leben, das vor uns liegt, kürzer als das, welches hinter uns liegt. Eigenschaften wie Bodenständigkeit, Zuverlässigkeit, Erfahrung – lauter Attribute, die dem Alter zugeschrieben werden – geniessen wenig Wertschätzung. Agilität, Flexibilität und Innovation verlangen nach Fitness.

Den Fokus nicht verlieren
Über ein Drittel der Menschen in der Schweiz sind zwischen 40 und 64 Jahre alt, zusammen mit den noch älteren stellen sie 54 Prozent der Bevölkerung im Land, ähnlich sieht es in den meisten Ländern Mitteleuropas aus. Die Gaussche Kurve, welche die Verteilung der Altersstufen grafisch abbildet, ist bei den 50-Jährigen mit Abstand am breitesten. Für eine Nation ist es also durchaus nicht uninteressant, ob die Stützen der Gesellschaft gerade kollektiv in der zweiten Pubertät stecken oder nicht. Vor allem stellt sich die Frage: Wie umgehen mit diesem gigantischen Potenzial an Vitalität, Schaffenskraft, Expertise und Erfahrung, das in der langen zweiten Lebenshälfte zur Verfügung steht? Eine Frage, die sich nicht nur den Einzelnen stellt, sondern auch ganzen Volkswirtschaften.
Karriereleiter wird zum Hamsterrad
Trennung, Scheidung, Arbeitslosigkeit, Frühpensionierung zählen zu den unerwünschten Umbrüchen. Bisher waren einem immer Headhunter auf den Fersen, und plötzlich jagt niemand mehr unseren Kopf. «Besondern diejenigen, die sehr ehrgeizig waren und besonders viele Kompromisse gemacht haben, um zu reüssieren, sind in diesem Alter gefährdet, eine Lebenskrise zu bekommen», zitiert Anja Jardine die emeritierte Professorin Dr. Pasqualina Perrig-Chiello, Präsidentin der Vereinigung der Schweizer Seniorenuniversitäten. «Im Beruf gilt noch immer: 50 ist alt», sagt Perrig-Chiello, für Männer ebenso wie für Frauen. Empirische Untersuchungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz belegten das eindeutig: Diese Altersgruppe werde diskriminiert. «Es zeigt sich auch in der Corona-Krise. Die Mitarbeitenden 50+ sind die Ersten, die entlassen wurden und die grosse Mühe haben, wieder Arbeit zu finden.» Ihre Karriereleiter erscheine ihnen plötzlich als Hamsterrad. «Sie fühlen sich eingesperrt, fremdgesteuert. Vor allem spüren sie, dass es sie nicht glücklich macht.» Überraschend viele werden Coach – oder Berater, Personal Trainer, Mentor. Das Bedürfnis, sofort weiterzugeben, was man soeben schmerzlich begriffen hat, nämlich dass «höher, schneller, weiter» nicht alles ist im Leben, scheint gross. Diese Lebensspanne bietet jedoch enorme Chancen.

Schlendrian
Die Pandemie hat die Schweizer Industriefirmen gezwungen, rentabler zu werden. Schwerer werden sie es haben, ihre robuste Verfassung im konjunkturellen Aufschwung beizubehalten, schreibt Giorgio V. Müller, in der NZZ vom 18. Juni 2021. Die Aufmerksamkeit des Managements galt nur noch dem Überleben, die Sicherstellung der Liquidität hatte Priorität, Notfallkredite wurden vorsorglich beantragt, und für den Teil der Belegschaft, der unter den geänderten Bedingungen nicht mehr wie gewohnt seine Arbeit verrichten konnte, meldete man Kurzarbeit an. In den Medienmitteilungen der Firmen wurde dieses Verhalten als «konsequentes Kostenmanagement» bezeichnet. Es hielt in den Firmen während der Pandemie eine Sparsamkeit Einzug (Auffinden von Effizienzpotenzial), die in normalen Zeiten undenkbar wäre. Als Folge sind wegen der Corona-Krise viele Firmen rentabler geworden. Nun bekommen die Firmenleitungen eine zweite Chance, Mut zu beweisen. Denn die hohe Kunst wird sein, die internen Strukturen auch dann fit zu halten, wenn wieder bessere Zeiten anbrechen. Einige Firmenführungen, die bewiesen haben, dass sie rasch und viel einsparen können, dürften in Erklärungsnotstand geraten. Wenn auf so viel verzichtet werden kann und trotzdem unter dem Strich die Gewinne steigen, könnte man vielleicht ja auch künftig auf einige dieser Aufwendungen verzichten. Deshalb wäre der Zeitpunkt ideal, bestehende Strukturen weiterhin kritisch zu hinterfragen.
«kompetenz60plus.ch»
Mit unserer Erfahrung und Engagement aus der analogen Welt sind wir «Alten» gerüstet, im Team zusammen mit dem digitalen Wissen der «jungen Wilden», Prioritäten und Ideen mit Engagement in Ergebnisse umzusetzen. «kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich ihrer Verantwortung gegenüber der jüngeren Generation bewusst sind und sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!
Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator
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