Blog, Industrie 4.0

#270 – Paradoxon «Alter»

25 Jahre Ausruhen sind eine bescheuerte Perspektive
Zu alt für den Arbeitsmarkt, zu jung für den Ruhestand. Die Forschung versucht unser Leben zu verlängern, die Wirtschaft hat wenig Interesse an uns «Alten» und die Gesellschaft beklagt den Fachkräftemangel, als Folge der vielen pensionierten Babyboomer. In der Schweiz scheiden ältere Menschen immer früher aus dem Erwerbsleben aus. Die Gründe dafür sind weit komplexer als vordergründig diskutiert. Zu einem gewissen Grad sind wir «Alten» auch selber schuld, wenn wir nicht mehr gefragt sind. Viele von uns verschliessen sich gegenüber technologischen Entwicklungen, sehen im Fortschritt nur noch Bedrohung, wissen alles besser und sind nicht bereit für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit jüngeren Generationen. Mit 65 in den Ruhestand zu treten, findet der Philosoph Ludwig Hasler (78) einen Irrsinn. Im Alter schrumpft logischerweise die eigene Zukunft. Es lohnt sich immer weniger, in sie zu investieren. In die Zukunft anderer jedoch umso mehr, Junge fördern, die entwickeln sich dann natürlich grossartig. Der Respekt der Jungen kommt von selbst, wo wir «Alten» uns aufrichtig für die Zukunft einsetzen.

«Arena for Learning» Universitäts-Campus UTEC Lima, Peru (2015), Pritzker-Preis 2020 für Yvonne Farrell (71) und Shelley McNamara (70), Architektinnen, Büro Grafton Architects, Dublin, Irland. Bild: Iwan Baan

Nicht unsterblich, aber länger gesund
Alt wird man schleichend und ganz ohne eigenes Zutun. Dank aktiver Weiterbildung bleibt man geistig jung. Verschiedenste Studien scheinen immer wieder zu belegen, dass unsere Hirnfunktion auch im hohen Alter relativ stabil bleibt. Lernen im Alter verbessert unser Gedächtnis und verzögert den Rückgang der Gehirnleistung, da bin ich überzeugt. Währenddessen arbeiten im Silicon Valley Forschende daran, das Altern als solches rückgängig zu machen. Bei Mäusen funktioniert das schon. Nun werden Studien mit Menschen durchgeführt, schrieb Gioia da Silva, Mountain View CA, im Ressort Technologie und Wissenschaft der NZZ vom 5. April 2022. Weil die Forschung bei altersbedingten Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Herz-Kreislauf-Leiden kaum vorwärts kommt, wollen Wissenschafter das Älterwerden an sich bekämpfen. Da Silva beschreibt anhand einer beschränkten Auswahl aus dutzenden von Firmen, wie diese in unterschiedlichen Projekten den Durchbruch schaffen wollen. Nicht unsterblich, aber länger gesund ist das Ziel dieser Gruppen. Sollten die Therapien aus der Altersforschung jemals zugelassen werden, könnten Menschen künftig 120 oder 150 Jahre alt werden. Das Interesse von Geldgebern ist riesig. Die Analysefirma InvestTech schätzt den Langlebigkeitsmarkt derzeit auf rund 25 Milliarden Dollar.

Das Rätsel der Nacktmulle
Auch wohlhabende Prominente wie der Amazon-Gründer Jeff Bezos oder der Google-Gründer Larry Page investieren. Page gründete im Jahr 2013 ein Unternehmen namens Calico, das heute mit einem Milliardenbudget zum Thema Altern forscht. Über Calico ist wenig bekannt, die Firma kommunizierte bisher kaum nach aussen. Man weiss allerdings, dass sie vor einigen Jahren eine grosse Kolonie von Nacktmullen gekauft hat, schreibt da Silva. Die Tiere ähneln Mäusen, leben aber um die dreissig Jahre – also rund zehnmal so lange wie Mäuse. Der Grund: Nacktmulle scheinen nicht zu altern. Sie entwickeln keinen Krebs, und weder ihre Fruchtbarkeit noch ihre mentalen Fähigkeiten lassen im Alter nach. In der freien Wildbahn sterben sie an Infektionskrankheiten, werden gefressen, verdursten oder verhungern. Im Labor sterben sie nach einem langen, gesunden Leben von einem Tag auf den anderen. Warum, blieb den Forschenden bisher ein Rätsel.

Vom Wissen über die Erfahrung
Auf dem beruflichen Netzwerk LinkedIn schrieb unlängst ein Nutzer: «Wir alle sollten von Zeit zu Zeit unseren Arbeitsort mit der temporären «Schulbank» tauschen. Vergeudete Zeit, sagen die Einen. Da lerne ich nichts Neues, die Anderen. Dafür bin ich zu alt, die Dritten. Keine dieser Ausreden trifft zu, denn niemand von uns ist in allen Themen auf dem neuesten Stand. Wir alle profitieren vom gelegentlichen Austausch auf Augenhöhe. Jahrelange Erfahrungen, gepaart mit aktuellem Wissensstand befähigen uns, richtige Entscheide zu fällen und wichtige Inputs zu geben.» Es liegt in der Verantwortung der älteren Generation, sich laufend weiter zu bilden, sich weiter zu entwickeln. Lebenslanges Lernen ist der Schlüssel zu einem erfüllten Leben. Wir «Alten» dürfen uns nicht auf früheren «Erfolgen» ausruhen, sondern müssen eigenverantwortlich unsere Stärken, Interessen und Fähigkeiten schärfen. Dabei unterscheiden wir zwischen Wissen, nicht «Besserwisserei», Vernunft und Erfahrung. Das Spannungsfeld ist demzufolge nicht Jung-Alt, sondern Wissen und Erfahrung. Die Jungen haben das frischere Wissen, mehr Elan und – hoffentlich – mehr Illusionen. Wir «Alten» können Erfahrung haben. Erfahrung kann man nicht lernen, Erfahrung muss man machen, sie ist das spezifisch Menschliche. Ein Zusammenspiel von frischem Wissen, aktueller Technik plus Elan und Erfahrung plus Skepsis wäre unschlagbar. Dazu braucht es jedoch den Willen von uns «Alten», sich einzulassen.

«kompetenz60plus.ch»
Mit unserer Erfahrung aus der analogen, zusammen mit Erkenntnissen aus der digitalen Welt, sind wir «Alten» gerne bereit, diese mit KMU’s oder im Team mit jungen Forschenden und Wissenschaftern auf Augenhöhe zu teilen. Suchen Sie einen Mentor, eine Mentorin oder Coach, «kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


Ein Projekt «von uns. für uns.»
Web: kompetenz60plus.ch I Mail: werner@kompetenz60plus.ch I
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