Blog, Industrie 4.0

#197 – «Alte» als Stereotyp

Voreingenommenheit gegenüber «Alten»
Obwohl belegt ist, dass das Alter einer Person keinen direkten Effekt auf das Leistungsvermögen hat, halten sich die Vorurteile hartnäckig. Im Beitrag von Wiebke Stegh und Jurij Ryschka, Human Resources Manager «Xing» vom 2. Dezember 2020, plädieren die Autoren für unseren bewussten Umgang mit Stereotypen. Vorurteile, die wir bezüglich des Alters (oder auch des Geschlechts) einer Person haben, sind uns oftmals gar nicht bewusst – und werden daher auch als unbewusste Voreingenommenheit bezeichnet. Nun sind Stereotype grundsätzlich nichts Schlechtes – im Gegenteil: Sie ermöglichen uns ein schnelles Einschätzen und Handeln. Wir müssen nicht jede Situation oder Person aufs Neue genau beobachten und analysieren, um zu einer Entscheidung zu kommen, sondern können durch das Nutzen von Stereotypen schnell reagieren und handlungsfähig bleiben. Entscheidend ist, sich kontinuierlich «an die eigene Nase zu fassen» um seine Stereotype zu überprüfen. Menschen sind verschieden – auch unabhängig vom Alter – und dieser Unterschiedlichkeit gerecht zu werden, ist schon anti-stereotypes Denken und Handeln!

Die Aula des Ukrainischen Instituts für wissenschaftliche und technische Expertise und Information in Kiev, 1971 Ukraine. Aus Soviet Cities: Labour, Life & Leisure des Russischen Fotografen Arseniy Kotov, FUEL-Verlag

Kompetenzen im Altersverlauf
Anhand von Diagrammen zeigen Stegh und Ryschka, wie Im Altersverlauf bestimmte Fähigkeiten abnehmen – allen voran unsere sensorischen und motorischen Fähigkeiten. Auch die fluide Intelligenz (Schnelligkeit und Genauigkeit der Informationsverarbeitung, Fähigkeit zur Lösung von Problemen und zur Einstellung auf neue Situationen) lässt ungefähr ab dem 35. Lebensjahr leicht nach, etwas deutlicher ab dem 70. Altersjahr. Aber unser Erfahrungsschatz (auch kristalline Intelligenz genannt) nimmt im Verlauf unseres Lebens zu und kann diesen Abfall der fluiden Intelligenz häufig kompensieren. Daher muss dieser Abfall nicht zwingend einen Effekt auf unsere Kompetenzen haben. Zudem zeigt sich hier eine hohe Streuung: Bei einigen Menschen nimmt diese kognitive Leistungsfähigkeit schnell und deutlich ab, andere bleiben bis ins hohe Alter geistig fit – denken Sie nur einmal an den Investor Warren Buffet oder die Königin von England, beide über 90.

Verschiebung der digitalen Kluft
Dank dieser Erkenntnis können wir «Alten» einen positiven Einfluss auf die fluide Intelligenz nehmen, durch geistig anregende und abwechslungsreiche Arbeit oder durch angemessene Arbeits- und Pausenzeiten. Wir können unsere kognitiven Fähigkeiten ebenfalls fördern – durch Bewegung, Ernährung, Austausch im sozialen Umfeld und entsprechende Freizeitaktivitäten. Während der letzten 10 Monate, als Folge der Pandemie, öffneten sich sogar eingefleischte Computerverweigerer dieser Technologie. Dazu publizierten Marcela Aguila Rubín, Xudong Yang, Sonia Fenazzi und Kaoru Uda auf «swissinfo.ch» ihre Studie zur Nutzung digitaler Hilfsmittel unter älteren Menschen. Mit dem Titel «Die Pandemie hilft den Senioren, am Ball zu bleiben» stellen sie fest, wie Rentnerinnen und Rentner digital immer fitter werden. «Digitale Angebote werden von der Generation der über 65-Jährigen sehr geschätzt», schreibt die Schweizer Alters-Organisation Pro Senectute und beobachtet, dass junge Senioren bei der Nutzung der Telekommunikationstechnologien aufholen. Die digitale Kluft verschiebe sich demzufolge in Richtung der 80-Jährigen. In den letzten sechs Jahren sei die Nutzung des Internets mittels Smartphone oder Tablet von 31% auf 68% gestiegen. Neben E-Mails und Websuchen – laut Studie eindeutig die wichtigsten Motive der Senioren – nutzen diese auch eine breite Palette von Möglichkeiten, etwa Einkäufe, Medienkonsum und Videokontakte, was sich gerade im Lockdown als besonders beliebt erwiesen habe.

Bildung als Statussymbol – oder «Überlebenshilfe»
Wir «Alten» setzen Bildung oft gleich mit Status in der Gesellschaft. Wir gehören zur Generation, die es mit Auswendiglernen weit gebracht hat. Natürlich gehören «Eselsleitern» wie auch «Überschlagsrechnungen» zum Alltag, um die Wahrscheinlichkeit eines Resultats abzuschätzen. Manche Informationen sollte man deshalb ohne Zögern aus dem Gedächtnis abrufen können, doch selten gebrauchtes darf man auch ruhig auslagern. Dazu gibt es das kollektive Wissen im weltweiten Netz. Noch 2019 gaben 26% der Senioren bei einer Umfrage an, dass sie das Internet nicht nutzen. Ihnen droht damit die Abkoppelung von der Gesellschaft, warnen die Autoren der Studie Digitale Senioren 2020. Denn die Technologie ermöglicht nicht nur freien Zugang zu Bildung, sondern bestimmt immer mehr unser tägliches Leben. So ist zum Beispiel der Kauf von Bahnbilletts zu einem reduzierten Preis nur online möglich und die SwissCovid Tracking-Anwendung erfordert den Besitz eines Smartphones. Gemäss einer Umfrage von «swissinfo.ch» sagten 39% der Schweizer Senioren, dass sie Schwierigkeiten haben, mit technologischen Mitteln umzugehen. Dagegen sind 57% der Ansicht, dass «der technologische Fortschritt ständig weitergehen muss» und dass «sie sich ein Leben ohne technologische Mittel nicht mehr vorstellen können». So fand die Studie auch in der Schweiz, wie in anderen Ländern, Benutzerinnen und Benutzer im Alter von über 80 Jahren.

Kompetente «Alte» stellen ihre Erfahrung zur Verfügung
«kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich ihrer Verantwortung gegenüber der jüngeren Generation bewusst sind und sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Wir «Alten», Frauen und Männer, im Team auf Augenhöhe mit den «jungen Wilden», stellen unsere Erfahrung mit Leidenschaft zur Verfügung. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


Ein Projekt «von uns. für uns.»
Web: kompetenz60plus.ch I Mail: werner@kompetenz60plus.ch I
Linkedin: kompetenz60plus.ch | facebook: wernerkruegger