Blog, Industrie 4.0

#167 – «Erfahrung» in der Quarantäne

Weshalb melden sich nicht mehr «Alte» zu Wort?
«Maske azieh» pöbelte einer beim Vorbeigehen am Tag der Wiedereröffnung von Blumenläden. Seit Wochen ärgere ich mich darüber, wie «Alte» von Medien und Politik ganz offiziell bevormundet werden und wie dürftig dabei das Faktenwissen der breiten Bevölkerung bleibt. Wir über 65-jährigen seien besonders gefährdet und sollten uns nicht mehr ausser Haus begeben. Um unser Leben zu schützen (zu verlängern) und die Spitäler zu entlasten, werden 20 Prozent der Bevölkerung präventiv in Quarantäne versetzt. Altersheime werden abgeriegelt, Enkelhüten ist verboten, Kindertagesstätten und Schulen sind geschlossen. Plötzlich ist unsere Erfahrung nicht mehr gefragt, wir befinden uns in einer Warteschlaufe. Glück bedeutet aber, sich nützlich machen zu können, etwas in Bewegung zu setzen, eine Bedeutung zu haben, nicht nur für sich, auch für andere. Sobald man eine Bedeutung für andere hat, ist man nicht allein. Weshalb melden sich darauf nicht mehr «Alte» zu Wort?

Respekt hat man sich zu verdienen
Der Philosoph Ludwig Hasler (75) im Telefoninterview mit Sacha Batthyany, NZZ am Sonntag Magazin vom 26. April 2020, äussert sich über die «Alten» in der Schweiz: (Auszugsweise) Wir sind die verwöhnteste Generation, die je auf diesem Planeten spazieren ging. Wir wurden immer verschont und haben keine Ahnung davon, was Schicksal bedeutet. Alte Menschen in der Schweiz leben in einer feudalen Situation, natürlich gibt es Ausnahmen. Wir haben kein Krisen-Gen entwickelt. Wirtschaftlich ging es bei uns immer aufwärts, was zu einer folgenschweren Verwechslung führte: Wir dachten, der ganze Wohlstand, zu dem wir es brachten, sei unser Verdienst. Dabei hatten wir einfach nur pures Glück. Daher kommt unser Selbstbewusstsein. Viele der Babyboomer haben nie an sich gezweifelt, wollen Respekt für ihre Leistungen. Die Welt, die wir den Jungen übergeben, ist jedoch nicht ganz so picobello, wie viele Babyboomer behaupten. Respekt hat man sich zu verdienen durch die Art, wie man lebt und an der Gesellschaft mitwirkt. Dieses Mitwirken und Mitgestalten an einer Zukunft, die nicht mehr unsere eigene sein wird. verwehrt uns nun der Staat, zumindest auf absehbare Zeit und mit der unbedachten Unterstützung der Medien.

«Finstere Paradiese» – García, ein Vorort Monterreys, Mexico 2001 – 2012, Foto: © Jorge Taboada

Erfahrung, die es unbedingt aufzuwerten gilt
Ludwig Hasler stellt weiter fest: Wir Babyboomer sind eine sehr fleissige und disziplinierte Generation. Unser Lebensmotto heisst: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Und dann kommen nun plötzlich all diese jungen Aktivisten, wie Greta Thunberg, die bis anhin noch nichts geleistet haben und zeigen uns wie brutal wir über die Natur hinweggefegt seien und den Planeten zerstörten. Wir erleben gerade eine dreifache Belastung: Da ist das Problem der Rente, das absolut ungelöst ist in der Schweiz. Dazu kommt die Klimafrage und jetzt noch die Corona-Pandemie mit ihrer Gefahr für eine wirtschaftliche Rezession über die nächsten Jahre. Das sind drei sehr beklemmende Lasten, die auf den Schultern jüngerer Menschen liegen. Diese Jungen machen nun die Beobachtung, dass ihre Not viele «Alte» relativ kalt lässt, sagt Hasler. Das ist eine Konstellation, die den sogenannten Generationenvertrag brutal auf die Probe stellt. Wir müssen die Stärken der Jungen und der Alten in ein reicheres Zusammenspiel bringen und die Grenzen der Generationen öffnen. Die Jungen haben ein frischeres Wissen, mehr Elan und mehr Illusionen. Die Alten haben von diesen drei Dingen immer weniger, sind nicht mehr so flexibel, und Illusionen haben sie eh keine mehr. Dafür haben sie Erfahrung, die es unbedingt aufzuwerten gilt.

Im Spannungsfeld der Generationen Jung und Alt – Chancen und Risiken
In Ihrer «Kolumne zum Donnerstag» im «Baublatt» vom 2. April 2020 beschäftigte sich Rita Hermanns Stengele, Dr.sc.techn. ETH / Dipl.-Ing., Vorstandsmitglied der Usic-Regionalgruppe Zürich, mit dem Spannungsfeld zwischen den Generationen: (Auszugsweise) Die Generation Ü65 sind die Menschen, die normalerweise in den Ruhestand treten, aus dem Berufsleben ausscheiden. Wir verlieren in unserer Branche so viel Erfahrung. Aus diesem Grund nahm sich die Usic-Regionalgruppe Zürich im Oktober 2019 diesem Thema im Feierabendgespräch «Im Spannungsfeld der Generationen Jung und Alt – Chancen und Risiken» an. Das Inputreferat präsentierte Werner K. Rüegger, Architekt und Initiator der Plattform «kompetenz60plus.ch». In der Schweiz scheiden ältere Menschen immer früher aus dem Erwerbsleben aus. Zu einem gewissen Teil sind sie vielleicht selbst schuld daran, dass sie nicht mehr gefragt sind. Ihre Ausbildung und das vermeintliche Fachwissen werden nicht mehr gebraucht, ihr Wissensstand ist veraltet. Viele verschliessen sich gegenüber technologischen Entwicklungen und Fortschritten. Die jüngere Generation empfindet die «Alten» nicht auf dem neusten Stand der Technik und teilweise vielleicht als «Besserwisser». Aber kann und will man auf Senioren im Berufsalltag verzichten?

Gegenseitige Akzeptanz und mehr Verständnis
Aktuell hat das Thema Ü65 in Zeiten der Corona-Pandemie eine ganz andere Bedeutung bekommen, schreibt Rita Hermanns Stengele. Die Generation Ü65 zählt nun definitiv zu den «Alten», ist die «Risikogruppe» schlechthin. Kontakte nach aussen müssen so weit wie möglich eingeschränkt werden, Grosseltern haben sich von ihren Enkelkindern fernzuhalten. Aber, sollten wir nicht jetzt auf die erfahrene und krisenerprobte Generation zurückgreifen? Umfragen zeigen, dass ältere Menschen weniger von Ängsten und Unsicherheit in diesem vom Coronavirus dominierten Alltag geprägt sind. Der Neurowissenschafter Daniel Levitin schreibt, dass die Mehrheit der «Alten» einfühlsamer und besser gerüstet für die Bewältigung von Herausforderungen im Leben sei, für sich und für andere. Allerdings müssen ältere Menschen neue Dinge ausprobieren, um die kognitive Aktivität zu fördern, dazu gehört natürlich, den sozialen Kreis laufend neu zu pflegen. Selbst der kürzeste Kontakt mit Fremden jeden Tag ist für den Geist von Vorteil, da solche Treffen jeden Teil des Gehirns einbeziehen, so Levitin. In dieser speziellen Zeit hilft natürlich der Einsatz von Videokonferenzen und Smartphone und die Entdeckung alternativer Möglichkeiten der Kommunikation über Internet. Vielleicht kommen sich so die Generationen etwas näher und das vorhandene Spannungsfeld zwischen Jung und Alt wird als Chance für die gegenseitige Akzeptanz sowie für das Verständnis ergriffen.

Nach Corona: Zurück zur Normalität?
Im Gastkommentar, NZZ vom 27. April 2020, macht Markus Neuhaus Vorschläge, wie es nach der gegenwärtigen Ausstiegsstrategie weitergehen könnte. Anstatt so rasch wie möglich zurück zur Normalität, wäre der Aufbruch in eine neue Zukunft angebracht. Seit 30 Jahren sprechen wir vom papierlosen Büro, doch der Papierverbrauch steigt stetig. Home-Office, überlastete Verkehrsinfrastrukturen, Substitution von Bargeld, grosser Landverbrauch oder flexible Arbeitszeiten sind einige wenige Themenkreise. Wir haben eine einmalige Chance vor uns, ist Neuhaus überzeugt. In vielen Bereichen sind wir bereits zwangsweise in einer Testphase, aus der wir direkt in die neue Welt gleiten können. Die Aufgabe der privaten und öffentlichen Führungskräfte besteht nun darin, diese Konzepte zu entwickeln und zu implementieren, es braucht eine aktive Steuerung in diese Zukunft. Investitionen in neue Arbeitsmodelle sind jetzt freizugeben, Kommunikationsplattformen und Dokumentenmanagement sind strikt auf diese neuen Arbeitsmodelle auszurichten. Aber auch die Politik ist gefordert: Die digitalen Kommunikationskapazitäten müssen rasch ausgebaut werden, beispielsweise mittels eines flächendeckenden 5G-Netzes. «Never waste a good crisis», wie Winston Churchill gesagt hat. Gerne stellen wir «Alten» unsere Erfahrung kurzfristig für diesen Ausbau zur Verfügung. Diese Chance sollten wir jetzt packen – wir werden alle davon profitieren.

Leidenschaft und Erfahrung von «Alten» hilft
«kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich ihrer Verantwortung gegenüber der jüngeren Generation bewusst sind und sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. «Alte» Frauen und Männer im Team, auf Augenhöhe mit den «jungen Wilden», stellen ihre Erfahrung, auch in der Krise, mit Leidenschaft zur Verfügung. Bitte bringen Sie sich ein, wir freuen uns über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


Ein Projekt «von uns. für uns.»
Web: kompetenz60plus.ch I Mail: werner@kompetenz60plus.ch I
Linkedin: kompetenz60plus.ch | facebook: wernerkruegger

 

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#159 – Das Leben beginnt mit 80!

In Presse und Politik werden wir «Alten» nur allzu oft auf rein numerische Faktoren reduziert und Stereotypen zum Alter werden munter weiterverbreitet. Dabei machen 60-Jährige Dinge, die früher den 40-Jährigen vorbehalten waren. Es ist nicht mehr überraschend, von Menschen in den Achtzigern zu hören, die noch produktiv arbeiten. Ein Beispiel dafür sind die «noch verbleibenden Alten» kandidierenden Demokraten bei den Vorwahlen zur Präsidentschaft in den USA.

Mythen über das Altern
In einer Studie, publiziert in Dailymail online vom 2. März 2020 erreichen, laut dem Neurowissenschafter Dr. Daniel Levitin, die Menschen mit 82 Jahren ihr glücklichstes Alter und Teile des Gehirns verbessern sich sogar mit zunehmendem Alter. Dr. Levitin führte die Studie durch, um Mythen über das Altern zu zerstören, einschliesslich Gedächtnisverlust und Schwierigkeiten beim Erlernen neuer Fähigkeiten. Die Forschung war Teil für sein neues Buch «The Changing Mind: Ein Leitfaden für Neurowissenschafter zum Altern». Levitin sagt im Interview: «Die Neurowissenschaften haben in den letzten zehn Jahren festgestellt, dass unser Gedächtnis mit zunehmendem Alter nicht unbedingt beeinträchtigt wird». Ein weiterer grosser Mythos ist, dass ältere Erwachsene depressiv sind. Das durchschnittliche Höchstalter für Glück in 72 Ländern liegt jedoch bei 82 Jahren, und Levitin denkt, wir können das mittels Altersmedizin noch um zehn Jahre hinausschieben. Die Mehrheit von uns «Alten» wird einfühlsamer und ist besser gerüstet für die Bewältigung von Herausforderungen im Leben – sowohl für uns selbst als auch für andere.

Architekt Dayong Sun, 2020 Penda China, «Be a Batman», Schutz vor Coronavirus mit UV-Strahlen

Ein kleines Gespräch von zehn Sekunden hier und da
Der Wissenschafter Daniel Levitin arbeitete im Rahmen seiner Forschungen auch mit hochkarätigen Mitgliedern der älteren Gemeinschaft zusammen, darunter Clint Eastwood (89), der Dalai Lama (84) und Stevie Wonder (69). Clint Eastwoods› Geheimnis für das Glück im Alter ist, dass er den alten Mann einfach aussen vor lässt. Der Dalai Lama, sagte Levitin, sei einer der glücklichsten Menschen der viel lacht. Er hat 125 Bücher veröffentlicht – eines davon im letzten Jahr. Ganz allgemein darf man sich nicht zurückziehen um sicherzustellen, dass unser Geist durch etwas Sinnvolles angeregt wird. Wir müssen neue Dinge ausprobieren, um die kognitive Aktivität zu fördern, dazu gehört natürlich, den sozialen Kreis laufend neu zu pflegen. Selbst der kürzeste Kontakt mit Fremden jeden Tag ist für den Geist von Vorteil, da solche Treffen jeden Teil des Gehirns einbeziehen, wie die Entschlüsselung von Gesichtsbewegungen, Sprache und Tonfall bis hin zu dem, wie man auf einen Fremden reagiert und sich ihm präsentiert.

Intelligenz, Erfahrung, Weisheit
Stimmungsstörungen, Angstzustände und Verhaltensprobleme nehmen nach 60 ab, und das spätere Auftreten dieser Regungen ist sehr selten. Bei gewissen Formen der mentalen Verarbeitung werden wir besser – und schneller. Beispielsweise verbessert sich das abstrakte Denken mit zunehmendem Alter. Dies ist die Art der Verarbeitung, die den mathematischen Fähigkeiten, der Sprache und der Problemlösung zugrunde liegt und in höheren Gehirnzentren stattfindet. Das gilt auch für die praktische Intelligenz, die nach 50 oder 60 ansteigt. Traditionell nannte man diese Art der mentalen Verarbeitung Weisheit. Unter neurokognitiven Gesichtspunkten ist Weisheit die Fähigkeit, Muster zu erkennen, in denen andere nicht zu erkennen sind, verallgemeinerte gemeinsame Punkte aus früheren Erfahrungen zu extrahieren und diese zu verwenden, um vorherzusagen, was als nächstes wahrscheinlich passieren wird. Und was ist Intelligenz, wenn nicht das?

Wir «Alten»
«kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich ihrer Verantwortung gegenüber der jüngeren Generation bewusst sind und sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. «Alte» Frauen und Männer im Team, auf Augenhöhe mit den «jungen Wilden», stellen ihre Erfahrung zur Verfügung. Bitte bringen Sie sich ein, wir freuen uns über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


Ein Projekt «von uns. für uns.»
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