Blog, Industrie 4.0

#219 – Gute Digitalisierung

Swiss Digital Initiative (Englisch macht sich immer gut)
Das Interwiev von Lukas Mäder und Ruth Fulterer mit der Alt Bundesrätin Doris Leuthard zur Digitalisierung, in der NZZ vom 10. Mai 2021, diente als Auslöser für diesen Text. Unter dem Titel: «Die Defizite beim Bundesamt für Gesundheit haben mich nicht überrascht», sprach Leuthard (58) über ihr Engagement als Präsidentin der Swiss Digital Initiative, unter dem Patronat von Bundesrat Ueli Maurer (71). Die Organisation wurde 2019 ins Leben gerufen und hat zum Ziel die Schweiz als Vorreiterin einer «guten» Digitalisierung zu platzieren, trotz den gegenwärtigen Mängeln. Ein neues Label für gute Apps, das die frühere Bundesrätin vorantreibt, soll dabei helfen. Auch international.

Japan, wenige Wochen vor der Sommerolympiade 2021 (2020)

Schweizer Standard international?
«Gute Digitalisierung», das tönt wie die viel zitierten «guten Dienste» welche die Schweiz international leistet. Initiiert wurde sie von Digitalswitzerland, einem Branchenverband aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die sich für eine innovative Schweiz einsetzen. Die Initiative will den Standort Schweiz stärken, zugleich global ethische Standards in der digitalen Welt setzen und dadurch unter anderem das Vertrauen in digitale Technologie stärken. Die Schweiz kann, gemäss Leuthard, mit dem Label einen Trend setzen und einen internationalen Standard entwickeln (Status quo verwalten?). Das ist ein ambitioniertes Ziel, sagt sie, aber es kann gelingen. Dazu braucht es auch die Politik, insbesondere den Bundesrat, der eine digitale Aussenpolitik vorantreiben und den Standort Genf fördern muss.

Ambitionierte Ziele
Die Schweiz soll also Vorreiterin einer guten Digitalisierung werden. Dabei zeigen sich derzeit in der Pandemie vor allem Mängel. Die Defizite beim BAG Bundesamt für Gesundheit haben Leuthard nicht überrascht. Sie kennt dies aus ihrer Amtszeit als Bundesrätin, die digitale Verwaltung kam nie richtig zum Fliegen. Es gibt zwar Ämter mit guter IT, aber bei anderen harzt es. Auch mit den Kantonen gab es Schwierigkeiten wegen unterschiedlicher Hard- und Software oder zu hoher Ziele (ganz zu schweigen vom digitalen Patientendossier und den Ärzten). Föderalismus hilft nicht unbedingt. Eine zentralisierte Digitalisierung der Verwaltung wäre einfacher, schneller und billiger. Doch sollten wir die Mängel, die jetzt ans Licht gekommen sind, als Chance sehen. Die Schweiz kann es sich nicht leisten, in diesem Bereich so schlecht abzuschneiden. Die meisten europäischen Staaten haben beispielsweise eine E-ID in der einen oder anderen Form und Doris Leuthard hofft, innerhalb von zwei Jahren auf eine Neuauflage dieses Projekts. Das sind Zukunftstechnologien, sagt sie. Wir müssen dieses Schiff auf Kurs bringen, und da ist der Bundesrat gefordert. Bund und Kantone sollten sich ambitiösere Ziele setzen, denn wir haben schon zu viel Zeit verloren.

Die Zukunft ist heute
Diese «Zukunftstechnologien» gibt es jedoch schon seit Jahrzehnten. In der «innovativen» Schweiz werden sie, ausserhalb der grossen Konzerne, der Wissenschaft und Forschung leider immer noch zu oft belächelt, auch an manchen Schulen. Fragen darf man sich ob die Entwicklung von «guten» Apps wirklich zur Zukunft dieser Entwicklung zählt. Der Trend geht, entsprechend meiner Erfahrung, in Richtung erweiterte Realität und künstliche Intelligenz. Ich sehe in den Apps, Webseiten oder gewissen Hardwareangeboten eher Zwischenschritte, hin zur intuitiven Nutzung digitaler Möglichkeiten und der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine, Stichwort G5 Standard. Dass die grossen Konzerne auf die «guten Dienste» der Schweiz warten, scheint mir in diesem Zusammenhang mehr als fraglich.

Wir Rappenspalter
In ihrem Kommentar in der NZZ vom 6. Mai schreibt Angelika Hardegger über die Schweiz, welche politisiert wie ein Volk von Buchhaltern. Summa summarum ist unsere Währung der Rappen. Überall wird beziffert, berechnet und bilanziert. Aber oft ist Buchhaltung trügerisch einfach. Wer mit der Nase im Kassabuch steckt, kann nie das grosse Ganze sehen. Er wird nie Fernziele sehen und Fragen erkennen, die die Zukunft stellen wird. Dafür braucht es Vorstellungskraft, Ideen und dann und wann eine Vision. Doch Visionen entstehen nicht in einfacher Rechnung. Für Visionen ist kein Platz in einem System, das alles doppelt kontrolliert und das immer ausgeglichen sein muss. Der Bau des Gotthardtunnels war zuerst eine Vision und dann ein Finanzdebakel. Er hat das Land aber auch ins Industriezeitalter befördert. Wenn es um die operative Umsetzung geht, kann es zudem schwierig sein, ein bislang erfolgreiches Unternehmen davon zu überzeugen, dass man das Geschäftsmodell ändern und in die Zukunft investieren muss. Wieso etwas ändern, wenn es gut läuft?

Ich bin das Zentrum
Frei übersetzt aus dem Buch von W. Somerset Maugham, «The narrow corner» 1932, Dr. Saunders:
Ich glaube an nichts als an mich und meine Erfahrung. Die Welt besteht aus mir und meinen Gedanken und Gefühlen; und alles andere ist nur Fantasie. Das Leben ist ein Traum, in dem ich die Objekte erschaffe, die vor mir erscheinen. Alles Erkennbare, jedes Erfahrungsobjekt ist eine Idee in meinem Kopf, und ohne meinen Verstand existieren sie nicht. Es gibt keine Möglichkeit und keine Notwendigkeit, etwas ausserhalb von mir zu postulieren. Traum und Wirklichkeit sind eins. Das Leben ist ein verbundener und beständiger Traum, und wenn ich aufhöre zu träumen, wird die Welt mit ihrer Schönheit, ihrem Schmerz und ihrer Trauer, ihrer unvorstellbaren Vielfalt aufhören zu sein.

«kompetenz60plus.ch»
Mit unserer Erfahrung und Engagement aus der analogen Welt sind wir «Alten» gerüstet, im Team zusammen mit dem digitalen Wissen der «jungen Wilden», Prioritäten und Engagement in Ergebnisse umzusetzen. «kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich ihrer Verantwortung gegenüber der jüngeren Generation bewusst sind und sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


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#211 – Die «Roboter» kommen

Mensch oder Maschine?
«Schulen sind nur die letzten, die ersetzt werden, wo schon das Stricken im Laufe der Industrialisierung durch Strickmaschinen und Bauern durch GPS-gesteuerte Traktoren ersetzt wurden», lautete ein Leserkommentar zum Beitrag: «Roboter werden Lehrpersonen nicht ersetzen – vorerst» von Christian Raaflaub, TV und online Journalist, Swissinfo vom 24. Februar 2021. Die Covid-19-Pandemie rückt auch die Frage in den Fokus, ob Roboter Lehraufgaben übernehmen könnten – sei es im Fernunterricht oder in der Klasse. Experten sehen darin viel Potenzial, aber auch Gefahren, wenn die Roboter allzu menschlich werden. Mittlerweile sind digitale Werkzeuge wie Smartphone, Tablet und Roboter im Kindergarten angekommen. Tobias Müller ging in der Sendung «einstein», SRF 4. März 2021 der Frage nach, ob diese unseren Kindern schaden, oder ihnen sogar helfen, sich gut zu entwickeln. In seinem Experiment untersuchte er die Wirkung beim Einsatz von (simulierten) Sprachrobotern, wie Alexa oder Siri, auf die Kleinsten.

Die Form künstlicher Intelligenz
«Hallo zusammen, ich bin Lexi». Mit diesen Worten begrüsst ein «menschenähnlicher» Roboter Studierende an der Universität St. Gallen. Das Interesse ist gross. Der Vorlesungsaal ist voll besetzt. Sabine Seufert, Professorin für Management von Bildungsinnovationen an der Universität St. Gallen, setzte den Roboter 2019 erstmals versuchsweise in ihren Vorlesungen ein. Ausgestattet mit künstlicher Intelligenz arbeitet «Lexi» wie ein Chatbot (ein Computerprogramm zur Simulation von Gesprächen mit menschlichen Benutzern, insbesondere über das Internet) und kann einfache Hilfsaufgaben wie zum Beispiel eine Google-Suche erledigen. Derzeit forscht die Universität an weiteren Einsatzmöglichkeiten. «Thymio» hingegen sieht überhaupt nicht menschlich aus. Lernfähig ist er trotzdem. Er ist eine kleine weisse Schachtel auf Rädern, die von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) entwickelt wurde. Mit dem Mini-Roboter erlernen Kinder in der ganzen Schweiz schon heute auf einfache Art das Programmieren. Und sie sehen sofort ein Resultat: zum Beispiel eine Zeichnung, die der Kleine auf Befehl zu Papier bringt.

Zurück zur Natur, das verlassene Fischerdorf Houtouwan, Insel Shengshan, China. Bild: Bored Panda

Inhalte haben Priorität
Unser Defizit ist, dass wir (fast) immer den technischen Entwicklungen hinterher hinken, auch weil es uns zu oft an Vorstellungskraft fehlt. So werkelt Apple, gemäss einem aktuellen Bericht in Heise.de-online, beispielsweise am Übergang vom «Visible Computung» hin zu «Invisible Computing» bis 2030 – in Form von AR-Kontaktlinsen, Linsen zur Nutzung von erweiterter Realität. Einer Rechentechnik also, die für den Benutzer, mit Anbindung (bisher) an iPhone & Co, komplett transparent und «unsichtbar» wird. Die Linsen sollen es uns ermöglichen, unsere reale Welt mit Augmented-Reality-Inhalten zu überlagern. In Anbetracht solcher Entwicklungen ist es wichtig, dass wir uns in erster Linie mit den Inhalten und nicht mit der Form von Technik auseinander setzen, denn diese Verändert sich immer schneller.

Roboter in Schweizer Klassenzimmern
Roboter wie «Lexi» oder «Thymio» stehen heute an der Spitze der digitalen Transformation in Schulzimmern und Universitäten in der Schweiz. Sie werden die Rollen der Lehrenden neu definieren. Laut Francesco Mondada, Co-Leiter der Gruppe für pädagogische Robotik am Nationalen Kompetenzzentrum für Forschungsrobotik, hat die Schweiz bei der Entwicklung des Lernens mit Robotern bereits einen langen Weg zurückgelegt, doch punkto Einsatz in der Praxis gehört wir nicht zu den führenden Nationen. Beim Fernunterricht sieht Sabine Seufert eher ein Potenzial für den Einsatz von intelligenten Chatbots, wie man sie beispielsweise von den Webseiten der Banken und Versicherungen kennt. Diese können die Interaktion unterstützen und die Lernbegleitung übernehmen. Besonders beim Sprachenlernen, wo viel repetiert werden muss, mache der Einsatz von Chatbots Sinn, denn solche Lernbegleitungen von 20-25 SchülerInnen überfordern die Lehrpersonen oft.

Kreativität und Begeisterung vermitteln
Experten sehen eine Gefahr darin, dass besonders bei Kindern eine zu starke emotionale Bindung zu einem menschenähnlichen Roboter entstehen könnte. Sabine Seufert plädiert deshalb, das Wissen über die Funktion von Robotern zu fördern, anstatt sich dieser Entwicklung ganz zu verschliessen. Denn der Megatrend bei «Educational Robots» gehe ganz klar in Richtung künstliche Intelligenz (KI). Ein Lernroboter gebe dabei der KI ein «Gesicht». Mit «Thymio» verfolgt die EPFL ein Projekt, wo Schülerinnen und Schüler einen lernfähigen Roboter nicht einfach als Lernhelfer benutzen, sondern diesem selber Dinge beibringen. Lehrpersonen müssen daher in erster Linie Kreativität und Begeisterung vermitteln, diese Aufgabe können Maschinen (noch) nicht übernehmen.

Noch viel ungenütztes Potenzial
Gemäss Francesco Mondada, der auch als Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) lehrt und dort das Zentrum für Lernwissenschaften (LEARN) leitet, haben Roboter das Potenzial, für eine neue Dynamik in der Klasse. So haben Länder wie Frankreich, seit Jahren in einigen Schulbüchern, Roboter als zu programmierendes Werkzeug vorgesehen. Informatik ist dort Pflichtfach. Aber nicht alle Schulen in der reichen Schweiz können sich Roboter für das Schulzimmer leisten, oder sind imstande, solche einzusetzen. Gründe sind ein schwaches WLAN, Lehrende ohne eigenen Computer oder mangelndes Interesse. Eine der grössten Herausforderungen besteht seiner Ansicht nach darin, sicherzustellen, dass die Kinder nicht nur mit dem Roboter herumspielen, sondern auch lernen. Wie Seufert argumentiert auch er, dass die Lehrer zuerst die grundlegenden Technologien hinter diesen neuen Werkzeugen verstehen müssen, um sie effizient zu nutzen. Zwischen der Wissenschaft und den Schulen bestehe leider noch ein recht grosser Graben, den er mit LEARN an der EPFL überbrücken will.

Kompetente «Alte» stellen ihre Erfahrung zur Verfügung
«kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich ihrer Verantwortung gegenüber der jüngeren Generation bewusst sind und sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Wir «Alten», Frauen und Männer, im Team auf Augenhöhe mit den «jungen Wilden», stellen unsere Erfahrung mit Leidenschaft zur Verfügung. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


Ein Projekt «von uns. für uns.»
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