Zeitbombe Fachkräftemangel
Der Mangel an Spezialisten und Fachkräften sorgt dafür, dass ältere Arbeitnehmende wieder vermehrt gesucht werden, schreibt Michael Ferber im Kommentar der NZZ vom 16. Juni 2023 unter dem Titel: «80 ist das neue 60» – aber es gibt kein Grundrecht auf einen jahrzehntelangen Ruhestand. Die Lebenserwartung bei Geburt in der Schweiz gehört zu den höchsten in der Welt. Im Jahr 2021 lag sie für Frauen bei 85,7 und für Männer bei 81,6 Jahren. Der demografische Wandel spitzt sich zu und zeigt sich in den sozialen Sicherungssystemen, am Arbeitsmarkt sowie in zunehmenden Generationenkonflikten. Mit der Pensionierung der Babyboomer wird der Fachkräftemangel auch in der Schweiz grösser. Die Ökonomen der Grossbank UBS rechnen für den Verlauf des kommenden Jahrzehnts mit einem Mangel an Fachkräften in Höhe von 300 000 bis 500 000 Personen. Gemäss der Adecco-Gruppe und der Universität Zürich sind Ingenieur:innen sowie Fachkräfte in den Bereichen Gesundheit und IT besonders gesucht.
Arbeiten an der Produktivität
Dieser Mangel an Spezialisten und Fachkräften sorgt dafür, dass wir «Alten» wieder vermehrt gesucht werden mit deutlich besseren Chancen, eine Stelle zu finden und zu behalten. Für «Ü50»-Arbeitskräfte hat der demografische Wandel also durchaus auch seine positiven Seiten, auch Quereinsteiger erhalten damit mehr Freiheiten, vorausgesetzt sie bilden sich weiter und bleiben flexibel. Die Entwicklung zwingt Unternehmen, offener und toleranter zu werden. Im Zusammenhang findet sich dieser Leserkommentar: «Es gibt auch kein Grundrecht auf jahrelanges Faulenzen und Herumlungern bis über 30, bis man sich schlüssig geworden ist, welcher Job einem denn die beste Work-Life-Balance bieten könnte. Da ist der Zug eh längst weg.» Angesichts der Diskussionen um künstliche Intelligenz KI, womit unsere Arbeit durch eine fortschrittliche Software, welche Tätigkeiten (im Verhältnis) kostenlos und in gleicher oder besserer Qualität erledigt, überflüssig wird, könnte man sich fragen: weshalb arbeiten wir dann weiter? Doch generative KI wird nicht das Ende der Beschäftigung sein, sondern nur das von «langweiliger Arbeit». Selbst wenn die Arbeit keinen Mehrwert bietet, sehen wir im Weitermachen auch etwas tugendhaftes, etwas moralisches in der Anstrengung. Dabei geht es darum, dass unser Job nicht nur die Quelle unseres Lohns ist, sondern auch die Quelle unserer Identität und ein Weg zur Selbstverwirklichung.

«Alte» als Bremser der Innovationskraft
Für Michael Ferber stellt sich aber auch die Frage, ob die Produktivität und die Innovationskraft in einer alternden Gesellschaft auf dem bisherigen Niveau erhalten bleiben können. Als besonders produktiv gelten Menschen im Alter von 25 bis 45 Jahren. Zudem gehen Unternehmensgründungen zumeist auf das Konto von Personen im jüngeren bis mittleren Alter. Laut der Fachhochschule Nordwestschweiz ist die durchschnittliche Gründungsperson in der Schweiz männlich und 40,4 Jahre alt. Er verweist auch auf den Generationenkonflikt zwischen jüngeren Menschen und den Babyboomern. Die Jüngeren werfen den Älteren vor, die Umwelt und die Sozialsysteme zu plündern, den Klimawandel zu ignorieren und nicht an kommende Generationen zu denken. Dies äussert sich im Ausdruck «Okay, Boomer», mit dem Jüngere in letzter Zeit häufig auf als veraltet wahrgenommene Aussagen von Babyboomern reagieren.
Der Rückstand gegenüber den USA wird immer grösser
In seiner Analyse zur drohenden Rezession in Europa schreibt Armin Müller im Tages Anzeiger vom 27. Juli 2023, denn auch, wie die alternde Bevölkerung in Europa auf die Produktivität drückt. Neben den negativen Auswirkungen auf die Sozialwerke, verweist er auf die schwindende Kaufkraft und den Lebensstandard der Europäer im Vergleich zu den USA. Das offizielle Mindestalter zum Bezug der staatlichen Rente (SS social security, ähnlich der schweizer AHV) liegt dort für Babyboomer (1943-1954) bei 66 Jahren. Spätestens im Alter von 72 müssen diese dann mit ihren Bezügen aus privaten Pensionsplänen (IRA individual retirement account, ähnlich der schweizer Säule 3a), beginnen. Im Gegensatz zur Schweiz, wo man uns «Alte» gerne auf das biologische Alter reduziert, fokussieren die USA auf den Beitrag aller Menschen an die Wirtschaftsleistung. Wie wir aktuell miterleben, bleiben Präsidenten und Präsidentschaftskandidaten, Abgeordnete oder Richter:innen bis ins hohe Alter, oft auf Lebzeiten im Amt, solange sie ihre Leistung erbringen.

Die Stärke der EU sind Regulierungen
Armin Müller hält fest, wie die grössten Technologieunternehmen der Welt, gemessen an deren Marktkapitalisierung, alle US-amerikanisch sind. Unter den Top 20 finden sich nur zwei europäische Unternehmen – der niederländische Anbieter von Lithographiesystemen für die Halbleiterindustrie ASML und der deutsche Softwarekonzern SAP. Von den hundert meistzitierten wissenschaftlichen Arbeiten über künstliche Intelligenz kamen 68 aus den USA und 27 aus China, aber nur eine aus Deutschland. Führend ist die EU in den Zukunftsbranchen höchstens bei der Regulierung. «In den letzten zehn Jahren ist die EU wirtschaftlich, technologisch und militärisch weniger leistungsfähig geworden als Amerika.» befinden Jeremy Shapiro und Jana Puglierin vom Thinktank European Council on Foreign Relations. In der kürzlich publizierten Shanghai-Rangliste der besten Universitäten der Welt finden sich fünf europäische Institute unter den Top 20: die ETH Zürich und vier aus Grossbritannien. Aber keine einzige aus der EU. Unter den Top 50 sind es mit Paris und München gerade mal zwei. Natürlich ist wirtschaftliches Wachstum nicht alles. Aber eine Wirtschaft, die um 2 Prozent wächst, verdoppelt sich in 35 Jahren. Eine Wirtschaft, die um 1 Prozent wächst, wie aktuell die Europäische, braucht dazu 70 Jahre.
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