Arbeitgebende müssen attraktiver werden
Heike Bruch (55), Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Leadership an der Universität St. Gallen, forscht zu New-Work-Themen wie Selbstführung, flexibles Arbeiten und agile Organisationen. Im Interview mit Nicole Rütti, NZZ vom 3. Oktober 2021 erwähnt sie zwei Trends, die New-Work unausweichlich machen. Erstens hat, getrieben durch die digitale Transformation, die Geschwindigkeit in allen Bereichen der Arbeit und der Geschäftswelt stark zugenommen und zweitens gibt es den demografischen Wandel, der Arbeitgebende zwingt, für jüngere Generationen attraktiver zu werden. Im Beitrag der Gewerbezeitung vom 1. Oktober 2021 konstatiert Prof. PhD Rico Baldegger (62), Direktor der Hochschule für Wirtschaft HSW Freiburg, dass der Digitalisierungsgrad in der Schweiz noch gering sei. Es bestehe die Tendenz, die tatsächlich geleistete Arbeit zu überschätzen (Präsenzzeit). Er sieht darin den Kern der kulturellen Dimension. Für KMU, deren Stärke nicht die Digitalisierung ist, wird der Übergang zu jüngeren Generationen viel schwieriger sein.
«New Work» die neue Art zu arbeiten
Heike Bruch plädiert für netzwerkartige Strukturen. Teams werden für gewisse Aufgaben gebildet; wenn diese erfüllt sind, lösen sie sich wieder auf und formieren sich neu. Dazu brauchen Unternehmen die richtige Führung und Kultur, welche die Sinnhaftigkeit einer Arbeit oder einer Firma ins Zentrum stellt. Die Art zu arbeiten muss fundamental neu ausgerichtet und modernisiert werden. Das braucht sehr viel Vertrauen. Ich denke, dass wir «Alten» in durchmischten Projektteams, dank unserer Erfahrung, als das «Gewissen» einer Organisation agieren können. Wenn man New Work sehr konsequent durchzieht, baut man Hierarchien ab. Führungskräfte verlieren dadurch ihren Status.

Mehr Resilienz in der Denkweise
Viele Manager sind auf Effizienzdenken, sofortige Wirkung, entwöhnt worden, nicht auf Resilienzdenken, welches den langfristigen Bestand zum Ziel hat. Die Corona-Pandemie hat unser Bewusstsein geschärft. Immer öfter hat man den Eindruck, dass uns die Realität allmählich über den Kopf wächst. Das heutige System technischer menschlicher Zivilisation ist voller Unvorhersehbarkeiten und Eigendynamiken. Resilienz beginnt mit einer Veränderung der Denkweise. Führungskräfte, die Resilienz anstreben, müssen die Denkweise ihres Unternehmens über das Geschäft neu gestalten. Eine belastbare Organisation ist in der Lage, sich zu erneuern und neu zu erfinden. Die Grundlage von Innovation ist Fantasie. Jedes grosse Unternehmen wurde aus einem Akt der Vorstellungskraft gegründet – einer Idee, die der damaligen Meinung widersprach. Führungskräfte sollten die Fähigkeit ihrer Organisation aufbauen, die Vorstellungskraft zu nutzen. Sie sollten mutiges Imaginieren durch kontrafaktisches Denken aktiv fördern. Durch das Aufbrechen bestehender Modelle und die Konzeption neuer Ideen, die für neue Umgebungen geeignet sind und noch nicht existieren, entstehen wertvolle Möglichkeiten zum Aufbau neuer Geschäfte. (Mehr dazu im Beitrag «Becoming an All-Weather Company» von Martin Reeves, Saumeet Nanda, Kevin Whitaker, and Edzard Wesselink, 9. September 2020, BCG Boston Consulting Group)
Schwachstellen einer hochvernetzten Welt
Seinen Gastkommentar «Die Lektion der Mikrobe – unsere neue Normalität heisst Komplexitätskrise», NZZ vom 25. September 2021, eröffnet Eduard Kaeser (74), Physiker und promovierter Philosoph mit dieser Erzählung: In bestimmten Phasen des Zweiten Weltkriegs schickten die Briten täglich Bomber über den Ärmelkanal. Die Flugzeuge kehrten meist mit vielen Einschusslöchern zurück. Um die Maschinen zu verstärken, panzerten die Techniker sie an Stellen mit der grössten Löcherhäufigkeit. Wider Erwarten nützte das jedoch kaum. Der amerikanisch-österreichische Statistiker Abraham Wald – so die Legende – machte daraufhin einen kontraintuitiven Vorschlag: Panzert die Maschinen an den Stellen mit den wenigsten Einschusslöchern. Seine Begründung: Maschinen mit sichtbarem Schaden sind wahrscheinlich an harmlosen Stellen getroffen worden, sonst wären sie gar nicht zurückgekehrt. Die verletzlichsten Stellen liegen daher nicht im Sichtbaren. Der Fall verlockt zu einer Analogie. Unsere hochvernetzte Welt ist eine Maschine mit sehr vielen (oft unsichtbaren) Schwachstellen.
Die Komplexitätskrise
Kaeser beruft sich auf David Krakauer vom Santa Fe Institute in New Mexico, wenn dieser von einer «Komplexitätskrise» spricht. Man kann die Komplexitätskrise auch als Syndrom einer kritischen Entwicklungsphase der Technologie interpretieren. Traditionelle Technologie baut auf das Paradigma der planenden Vernunft: auf den Entwurf spezifischer Funktionen, auf Vorausschau, Simulation, Kontrolle. Das genügt bei komplexen Systemen nicht. Sie fordern einen neuen Typus von Technologie: «emergente Technologie» («emergent engineering»). Sie berücksichtigt a priori Unvorhersehbarkeiten und Eigendynamiken eines Systems. Sie operiert nicht mit einem einzigen Plan, sondern mit einem Spektrum von Szenarien, in denen unerwartete Ereignisse «emergieren» können: unbekannte Unbekannte. Zum Beispiel die Natur in ihrer evolutionären Art, wurschtelt sich je nach Umständen durch, und sie bastelt dabei stupend funktionstüchtige Strukturen. Komplexe Systeme funktionieren auch dann, wenn Schlüsselkomponenten gestört oder beschädigt sind. Ein Grund dafür sind die Redundanzen in den Systemen. Komplexe Systeme verfügen über einen Lernmechanismus.
«kompetenz60plus.ch»
Mit unserer Erfahrung und Engagement aus der analogen Welt sind wir «Alten» gerüstet, im Team zusammen mit dem digitalen Wissen der «jungen Wilden», Prioritäten und Ideen mit Engagement und auf Augenhöhe in Ergebnisse umzusetzen. «kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!
Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator
Ein Projekt «von uns. für uns.»
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