Blog, Industrie 4.0

#239 – Das Alter der «Alten»

Im Zeitalter der Hundertjährigen
«Im Zeitalter der Hundertjährigen müssen wir Lebensläufe neu denken» sagt der Demograf und Professor James Vaupel (76) im Interview mit Anja Jardine, NZZ vom 24. September 2021. «Junge» «und Alte» sollten die Chance nutzen, die Dreiteilung des Lebens in Ausbildung, Leistungsphase und Ruhestand aufzubrechen. Denn, entgegen der Annahme, wächst der Anteil gesunder Jahre mit höherem Alter. Gebrechlichkeit und Abhängigkeit ziehen sich mit steigender Lebenserwartung nicht in die Länge, sondern verschieben sich nach hinten. Aktuell darf man erwarten, dass man 85 Jahre in relativ guter Verfassung verbringen kann. Ein langes Leben ist ein Geschenk! Eine Errungenschaft der Zivilisation. Und eine Chance, einiges neu zu gestalten. Da wäre es wenig sinnvoll, an der klassischen Dreiteilung des Lebens unserer Eltern festzuhalten: lange Ausbildung, in der Mitte doppelte Belastung durch Familie und Beruf, ab Mitte 60 Ruhestand. 20 Jahre Ruhestand sind nicht verantwortbar! Überdenken müssen wir auch den Modebegriff «Work-life-Balance», denn Arbeit ist sinnstiftend, gebraucht werden wirkt sich positiv auf unsere Psyche aus. Helfen tut uns dabei die Technologie. Nach über einem Jahr im Home-Office, konnten wir uns von den Vorzügen des Arbeitens aus der Ferne am Computer überzeugen. In einer Hybriden Arbeitswelt entfällt lästiges Pendeln für den klassische Achtstundentag im Büro, indem man die Arbeit organisiert und sich fragt, was kann von wo aus gemacht werden?

OVR Online Viewing Rooms, Art Basel 2021, Tanz mit einem Quadrat 1989, Daniel Buren (83), (Instagram)

Kreative Lebensläufe
Wir «Alten» sollten uns darauf einstellen, im Laufe unseres Lebens mehrere Berufe auszuüben, immer wieder einmal Phasen der Ausbildung einzuschieben, in denen man die Weichen neu stellen muss. Verlockend ist dies, weil uns doch eigentlich vieles interessiert. Gemäss James Vaupels Untersuchungen steigt die Lebenserwartung seit 180 Jahren um zweieinhalb Jahre pro Jahrzehnt. In Westeuropa wurde erst nach 1800 eine Lebenserwartung von 40 Jahren und nach 1900 eine von 50 Jahren erreicht. Und dies wird das Jahrhundert der Hundertjährigen. Im Moment deutet alles darauf hin, dass sich die maximale Lebenserwartung stetig steigern wird. Der Alterungsprozess erweist sich als plastisch, und es ist gut möglich, dass er durch neue Erkenntnisse in Wissenschaft und Medizin weiter modifizierbar ist. Möglich ist auch, dass sich irgendwann eine Grenze zeigt. Die gute Nachricht ist, dass die Anzahl leichter Beeinträchtigungen zunimmt, während diejenige der schweren Krankheiten abnimmt. Und das letzte Stadium, die kurze Krankheitsphase vor dem Tod, wird weder länger noch kürzer. Gemäss Statistik geht das Risiko an Krebs zu erkranken, nach dem Alter von 75 Jahren zurück.

Optimistische «Alte»
Aus persönlichen Begegnungen erlangte Vaupel den Eindruck, dass «Alte» eher optimistisch sind, als schauten sie eher vorwärts als rückwärts. Er selber glaubt, in den letzten zehn Jahren habe er mehr wegweisende wissenschaftliche Artikel geschrieben als in irgendeinem früheren Jahrzehnt. Die Max-Planck-Gesellschaft in Deutschland zwang ihn jedoch mit 72 aufzuhören, denn normalerweise ist das Rentenalter 65. Von einem Teilzeitpensum wurde ihm abgeraten, da sich die Rente in Deutschland auf der Grundlage des letzten Gehalts berechnet. Diesen Wahnsinn kennen wir in der Schweiz so nicht, doch auch hier bestehen Regelungen, welche ein Weiterarbeiten über das Pensionsalter hinaus verbieten. Da braucht es mehr Flexibilität, auch um die Jüngeren zu entlasten. Kürzere Wochenarbeitszeit und längere Lebensarbeitszeit – das wäre doch für alle ein Gewinn! In Dänemark ist es verboten, jemanden aufgrund seines Alters zu entlassen. Das Rentenalter wird seit Jahren in Halbjahresschritten erhöht, zurzeit liegt es bei 66 und steigt bald auf 66,5. Demnächst wird das Parlament die Regelung erneut anpassen – und zwar auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Lebenserwartung. Die Idee ist die, dass die Bürger bei steigender Lebenserwartung und längerer Lebensarbeitszeit immer 15 Jahre Ruhestand garantiert bekommen. Im Zeitalter der Hundertjährigen müssen wir Lebensläufe neu denken.

«kompetenz60plus.ch»
Mit unserer Erfahrung und Engagement aus der analogen Welt sind wir «Alten» gerüstet, im Team zusammen mit dem digitalen Wissen der «jungen Wilden», Prioritäten und Ideen mit Engagement und auf Augenhöhe in Ergebnisse umzusetzen. «kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


Ein Projekt «von uns. für uns.»
Web: kompetenz60plus.ch I Mail: werner@kompetenz60plus.ch I
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