Pseudodigital
Ich solle doch bitte mein Covid-Zertifikat zeigen. Mühsam versucht der «Security» dieses mit seinem Gerät auf meinem Smartphone zu überprüfen, um dann nach dem (analogen) Personalausweis zu fragen. Dabei musste er sich meinen Namen merken und mich bitten, die Maske zwecks Gesichtserkennung wegzurücken. Das Mitführen von Plastik- und Papierausweisen und die teilweise doppelte Bereitstellung der Informationen auf dem Smartphone ist viel zu umständlich. Weshalb wurde dazu die bestehende SwissCovid App nicht einfach um die notwendigen Funktionen erweitert. Dutzende von Apps, von denen viele allenfalls redundant sind und meist im ungünstigsten Moment, nämlich beim Gebrauch, aktualisiert werden wollen. Diese «Scheinlogik» bereitet uns «Alten», die wir lineare und vorhersehbare Abläufe bevorzugen, oft Mühe. So gesehen hat uns die Digitalisierung der letzten 40 Jahre das Leben ebenso schwer gemacht wie erleichtert.

Es fehlt an Konzepten
Die Pandemie zeigt es sehr deutlich, wie wenig wir die Technologie beherrschen. Denken wir an den umständlichen Weg der manuellen Datenerfassung des BAG aus unzähligen Faxprotokollen. Jede Organisation, Amtsstelle oder Verein veröffentlicht stolz ihre eigene App. Millionen dieser «Insel-Programme» stehen (meist kostenlos) zur Verfügung. Niemand hat den Überblick, schon gar nicht beim Sinn und Zweck für eine Registrierung oder den Einsatz von immer neuen Passwörtern, Sicherheitschecks und Zugangslösungen. Wie Digitalisierung auch gehen könnte, zeigen uns einige Neobanken oder Kreditkartenanbieter. Zu meinen Favoriten gehört auch die SBB-Mobile-App wo neben dem gültigen Ticket auch der SwissPass, mit QR-Code und Lichtbild, hinterlegt sind. Ein Klick genügt. Das lästige herumsuchen nach dem analogen Ausweis entfällt auf elegante Weise. Die Preisberechnung berücksichtigt automatisch meine aktuelle Situation.
Digitalisierung im Gesundheitswesen
In ihrem Beitrag «Seit Jahren wollen Apple und Google die Gesundheitsbranche erobern, doch sie scheiterten immer wieder. Warum? Und kommt jetzt die Wende?» in der NZZ vom 18. September 2021, versucht Ruth Fulterer eine Annäherung an das Problem. Wichtig wäre ein allgemeiner Datenstandard. Im Moment versuchen viele Hersteller in der Medizintechnologie, Kunden zu binden, indem die eigenen Maschinen nur mit kompatiblen Geräten kommunizieren können. Das schadet der Innovation und macht abhängig. Das Zauberwort dagegen heisst Interoperabilität: also ein Standard, der für alle gilt. (Das Internet bietet diese Kompatibilität seit seiner Erfindung.) Spitäler, Kliniken und Privatärzte müssen Wege finden, ihre Daten sicher zu speichern und sie zugleich anonymisiert für die Forschung nutzbar zu machen. Noch wichtiger wäre jedoch ein besseres (Patienten-) Kundenverständnis. Nicht nur für die Institutionen muss der Umgang mit der Digitalisierung vereinfacht und weniger fehleranfällig werden, sondern, und vor allem, die Nutzer wünschen ein positives Erlebnis.

Seriöse Programmierung braucht Erfahrung…
Technologien haben Menschen zu dienen, nicht Menschen den Technologien. Wir sind es, die entscheiden, welchen Gebrauch wir von digitalen Werkzeugen machen, wir bewerten diesen Gebrauch und haben diese Entwicklung als individuelle und kollektive Akteure zu steuern – in privaten, ökonomischen, sozialen und politischen Kontexten. Während die Migros innerhalb ihrer eigenen App eine (beleibige) Bezahlkarte verbindet, muss man bei Coop zum Bezahlen immer noch eine separate App oder Plastik-Karte vorweisen. Auch eine elektronische Identitätskarte oder den Fahrausweis müsste man legal im digitalen Portemonnaie (Wallet) verwalten können. Aber eben, weshalb etwas vereinfachen, wenn es auch kompliziert geht. Seit Jahrzehnten leben wir in dieser scheindigitalen Welt ohne wirkliche Fortschritte. «Papier» wurde einfach digitalisiert, die Kultur nie angepasst.
…und ein Wille für kulturelle Anpassungen
Mit der Erfahrung von uns «Alten» im Team von jungen Programmierern wird es möglich, verschiedenste Plattformen und Informationen miteinander so zu verknüpfen, dass wir uns keine Gedanken über die «richtige» Anwendung einzelner Apps (Bausteine) machen müssen. Dazu sind diese Maschinen schlussendlich da. Nutzerrechte können über Lizenzen, pauschal (wie beim Copyright) oder nach einem Verteilschlüssel (wie beim ÖV) entrichtet werden, alles kein Problem. Dabei zeigt sich, dass es auch an kulturellen Leitideen mangelt, eine Voraussetzungen für klare Zielsetzungen ohne verkrampftes Festhalten an alten Zöpfen. Mit der digitalen Transformation ändern sich die Formen und Strukturen der Kommunikation und Interaktion, der Information und Dezision. Die ganzen Debatten kranken an einem Übermass an ideologischer Voreingenommenheit, welche bereits in der Grundschule ihren Ursprung hat. Auf der einen Seite diejenigen, die mit dem Einzug von Laptops, Tablets und Co. den Untergang abendländischer Traditionen befürchten, und auf der anderen Seite diejenigen, die in Zeiten digitaler Transformation alles über Bord werfen und die Vorteile im Zusammenwirken von Mensch und Maschine hervorheben.

«kompetenz60plus.ch»
Mit unserer Erfahrung und Engagement aus der analogen Welt sind wir «Alten» gerüstet, im Team zusammen mit dem digitalen Wissen der «jungen Wilden», Prioritäten und Ideen mit Engagement und auf Augenhöhe in Ergebnisse umzusetzen. «kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!
Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator
Ein Projekt «von uns. für uns.»
Web: kompetenz60plus.ch I Mail: werner@kompetenz60plus.ch I
Linkedin: kompetenz60plus.ch | facebook: wernerkruegger