Blog, Industrie 4.0

#173 – Weiterbildung im Wettbewerb

Handwerk und Digitalisierung
Stunden habe ich in der Werkstatt meines Vaters verbracht. Habe gelernt, welches Werkzeug für welches Material und dessen Bearbeitung geeignet ist. Als Architekt konnte ich immer wieder von dieser Erfahrung profitieren, auch wenn sich Materialien und Werkzeuge zwischenzeitlich sehr verändert haben. Gerade das Beispiel Bauwesen zeigt, wie dieses sich von einem Handwerk zunehmend in eine Industrie wandelt. Menschen, die technisch im letzten Jahrhundert stecken geblieben sind und die aktuellen Entwicklungen nicht sehen wollen, bereitet diese Tatsache grosse Mühe. In meinem ganzen Berufsleben konnte ich mich dank dieser «analogen Erfahrung», vorbehaltlos mit den Vorteilen digitaler Technologien beschäftigen und bin noch heute beratend tätig. Dies ermöglicht mir einen guten Überblick über die neuesten Entwicklungen in der Bauwirtschaft. Wir «Alten» profitieren bei der Umsetzung digitaler Prozesse vom technologischen Wissen und der Begeisterung der «jungen Wilden» und vermögen vermeintliche Fortschritte geschichtlich und global einzuordnen.

Technisches Zeichenbüro USA, ca. 1960er Jahre, bevor AutoCAD

Kompetente «Alte» im Team überbrücken Engpässe
Die gegenwärtige Krise zeigt einmal mehr, wie ältere Arbeitnehmende, aber auch ältere Patrons von KMU, mit veränderten Wettbewerbsbedingungen zu kämpfen haben. In der Sendung «Arena» vom 5. Juni 2020 des Schweizer Fernsehens wurde der Stellenverlust trotz Weiterbildung von über 50-jährigen diskutiert. Nicht thematisiert wurden der Zusammenhang zur (relativ kurzen) Erstausbildung (frühe Kategorisierung der Menschen), mit dem Selbstbild und der mangelnden Flexibilität von vielen Arbeitnehmenden. Gesellschaftlich-Kulturell bedingt sind Alternativen zur aktuellen Berufssituation für eine Mehrheit nur beschränkt denkbar. Dieses Silodenken ist nicht abhängig vom biologischen Alter eines Menschen, davon sind Junge und Alte gleichsam betroffen. Ältere verfügen dagegen oft über eine gute Portion Weisheit, gesammeltes Wissen wird als Erfahrung «Be-Greifbar» (Geschichtsbewusstsein). Die vielleicht grösste Kompetenz von «Alten» ist deren Verstand und die Aussensicht. Kompetente «Alte» sind deshalb gerne bereit, zur Bewältigung von temporären Personalengpässen, ihre Fähigkeiten auf Augenhöhe im Team mit Jüngeren zu teilen, ohne kostspielige Beraterverträge mit ungewissen Erfolgsaussichten.

Veränderung des Kundenverhaltens
Der Markt hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Bisher wenig bekannte Firmen, aber auch grosse etablierte Konzerne, gehen Kooperationen ein, um gemeinsam die gesamte Wertschöpfungskette abzudecken. Dieses vernetzte Denken und das veränderte Kundenverhalten bereitet vielen Älteren noch Mühe, obwohl wir die Auswirkungen im Alltag hautnah erleben. Dass zum Beispiel Amazon, ursprünglich bekannt als online Buchhändler, heute eine Plattform für fast alle Konsumgüter bereitstellt, Serverlösungen (Cloud) anbietet oder vollautomatisiertes und bargeldloses Einkaufen in eigenen Läden (amazon Go) 24/7 anbietet, war vor ein paar Jahren nur schwer vorstellbar. Diese Entwicklung hat viele Firmeninhaber im «Schlaf» überrannt. Hunderttausende gescheiter Menschen arbeiten weltweit Tag und Nacht an solchen Modellen. Digitale Test-Marktplätze (Marktvalidierungen) ersetzen dabei die traditionellen Umfragen, denn wir Konsumenten wissen meist gar nicht was wir wollen, bis etwas auf dem Markt erscheint. Niemand aus der «BlackBerry und Palm-Gemeinde» konnte sich damals eine Alternative zum eigenen Produkt ausmalen, bis Apple-Gründer Steve Jobs vor 13 Jahren das iPhone mit seiner berührungsempfindlichen Oberfläche vorstellte.

(Schnelles) Scheitern sei erlaubt
Genauso konnte sich 1991 (fast) niemand vorstellen, dass aus dem ursprünglichen Browser im World Wide Web von Sir Tim Berners-Lee, unzählige Plattformen für soziale Medien entstehen könnten. Das gilt auch für noch bevorstehende Entwicklungen im Zusammenhang mit der 5G-Technologie und dem Internet der Dinge. Die Beispiele sollen illustrieren, wie vermeintlich nachhaltige Evolutionen im Kerngeschäft durch revolutionäre Ideen von aussen (oder innen) fundamental gestört werden (Disruption). 72% der CEOs in einer weltweiten Studie glauben, dass die nächsten fünf Jahre kritischer für ihr Geschäft sein werden als die letzten 50 Jahre zusammen (Forbes, 2019). Für uns «Alte» eröffnen sich hier neue Tätigkeitsfelder, dank unserer Erfahrung, unserem Enthusiasmus und Ausdauer. Denn in der Regel haben wir unsere Fähigkeiten durch «Arbeiten» erlernt und nicht nur durch das Lesen darüber. Wir verfügen deshalb über Empathie mit traditionellen Unternehmen, auch eine gewisse Grosszügigkeit und Abgebrühtheit bei der Entscheidungsfindung. Viele von uns sind offen für Neues und bereit, flexibel in alternativen Strukturen zu arbeiten.

Leidenschaft und Erfahrung von «Alten» als Ressource
«kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich ihrer Verantwortung gegenüber der jüngeren Generation bewusst sind und sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. «Alte», Frauen und Männer, im Team auf Augenhöhe mit den «jungen Wilden», stellen ihre Erfahrung mit Leidenschaft zur Verfügung. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


Ein Projekt «von uns. für uns.»
Web: kompetenz60plus.ch I Mail: werner@kompetenz60plus.ch I
Linkedin: kompetenz60plus.ch | facebook: wernerkruegger