Blog, Industrie 4.0

Schnittstelle JUNG/ALT

Die Schnittstelle zwischen Jung und Alt.
Wir «Alten» versuchen, oft wenig erfolgreich, veränderte Tatsachen im Zusammenhang zu verstehen. Unsere (lineare) Denkweise basiert mehrheitlich auf analogem Wissen, aus einer Zeit wo Vernetzung auf den Stammtisch beschränkt war. Viele ältere Patrons wollen sich nicht mit der Digitalisierung auseinandersetzen und verlassen sich in technischen Fragen auf die «Jungen». Begegnungen mit der jüngeren Generation in Startup Unternehmungen zeigen deren unterschiedliche «Überlebensstrategie» in einem sich rasant verändernden Umfeld. Als ältere Menschen können wir, auch dank unserer (Lebens-)Erfahrung, weiterhin einen Beitrag leisten an die Herausforderungen dieser KMU. Nicht nur bei Buchhaltungsaufgaben oder als Rechtsbeistände, sondern im Ordnen von Ideen und in der Strukturierung von Abläufen. Junge können Veränderungen leichter einordnen, machen sich weniger Gedanken über deren Vorgeschichte. Das ist unsere Chance, die Schnittstelle zwischen Jung und Alt.

Tesla Cybertruck, November 2019, Bild: Tesla

Alte als Kompass im aktuellen System?
Eduard Kaeser Physiker und promovierter Philosoph, schreibt im Gastkommentar «Murks happens» – warum wir immer weniger verstehen werden, was wir tun in der NZZ vom 27.11.2019: Selten kommt das, was wir technisch anpacken, so heraus, wie wir es uns gedacht haben. Technologie, unseren Köpfen entsprungen, wächst uns über den Kopf – buchstäblich. Wir überschauen und durchschauen sie immer weniger, uns fehlt der Kompass für den Kurs ihrer Entwicklung. Der folgende Text ist eine redigierte Zusammenfassung seines Beitrags.

Kein Zurückgreifen auf die «ursprüngliche» Variante
Wir haben ein System geschaffen, das wir nicht mehr überblicken können. Immer mehr Menschen beteiligen sich dank neuen technologischen Möglichkeiten am vermeintlichen Fortschritt. Eduard Kaeser erwähnt in diesem Zusammenhang die Akkretion, ein Anlagern von immer mehr Systemkomponenten; und von verschränkter Interaktion, dem Hinzufügen von immer mehr Verknüpfungen zwischen den Komponenten. Junge müssen sich immer weniger um die Ursprünge dieser Technologien kümmern. Meist ist es auch unmöglich auf die «ursprüngliche» Variante zurückzugreifen, auseinandernehmen und von null auf zu revidieren. Das Flugzeug, das die Brüder Wright 1903 bauten, war ein Ausbund an Einfachheit, konstruiert aus einer geringen Zahl von Komponenten. Eine Boeing 747 weist etwa sechs Millionen Hardware-Komponenten auf.

Kaesers «Murks-Prinzip»
Akkretion birgt ein ernsthaftes Problem. Wir kennen es aus unserem heimischen Do-it-yourself. Wir «bessern» den morschen Dachboden mit Latten, Platten, Streben und Planen «aus», vernetzen die elektrischen Geräte mehr schlecht als recht mit einem Kabelsalat, dichten die sanitäre Anlage im Keller mit Draht, Klebeband und Zusatzrohren ab. Dabei handelt es sich um eine zusammengeflickte, behelfsmässige, temporäre, mitunter unnötig komplizierte Lösung eines technischen Defekts oder Problems, kurz, ein Murks. Daraus formuliert er das Murks-Prinzip: Von einem kritischen Komplexitätsgrad an arbeiten technische Systeme zwangsläufig im Murks-Modus.

Digitaler Murks
Das gilt natürlich vor allem für Software. Je komplexer, desto «murksiger» wird sie. Schliesslich ist der Code nicht mehr entschlüsselbar, geschweige denn auf Fehler zu testen. Viel eher bauen wir deshalb auf funktionierenden Murks, und versuchen, ihn schrittweise zu verbessern. Dank künstlicher Intelligenz (KI) beginnen die Maschinen zu lernen. Damit hat man ein vielversprechendes Instrument zur Hand, das Verknäuelungsproblem zu umgehen, das System zieht über einen statistischen Lernalgorithmus selber seine «Schlüsse». Das führt zum Paradox: Die Effizienz des Systems nimmt zu – das Verständnis nimmt ab. Es mutet fast an, als «verstünden» die KI-Systeme sich selber am besten. Paul Watzlawick formulierte das schon 1967 so: «Das System ist seine eigene beste Erklärung.»

Die Herausforderungen aktueller Technologie
Komplexität und Murks-Prinzip stellen die zentrale Herausforderung der Technologien dieses Jahrhunderts dar. Und das heisst auch: Wir bekommen es immer mehr mit Zufall, Nichtvoraussagbarkeit und «Renitenz» der Systeme zu tun. Wir sollten freilich nicht einem Fatalismus verfallen, der die technischen Systeme als unbewältigbar hinnimmt. Vielmehr verlangen unsere Bewältigungsversuche nach einer fundamentalen Haltungsänderung. Eduard Kaeser nennt es die Einstellung der demutvollen Vigilanz, in Anlehnung an den renommierten holländischen Algorithmendesigner Edsger Dijkstra, der den Begriff des «demutvollen Programmierers» prägte. Demut meint das Eingeständnis, künstliche Systeme nicht vollständig durchschauen zu können; Vigilanz meint das nicht erlahmende Bemühen, sie nach bestem Stand des Wissens zu verstehen und zu kontrollieren.

Demut statt Besserwisserei
Genau hier müssen wir «Alten» uns einbringen. Nicht mittels Besserwisserei, sondern demütig versuchen, in Zusammenarbeit mit den «jungen Wilden», unsere Erfahrung nutzbar zu machen. Mit dem Alter kommt eine gewisse Reife, die es uns erlaubt Strömungen mit gesunder Distanz zu beurteilen. Im Team müssen wir entsprechend moderieren. Kaeser stellt dazu in seinem Beitrag abschliessend fest: «Menschen sind eine erstaunliche Murks-Spezies. Und wir leben in einem Murks-Universum. Es expandiert stetig. An seinen Rändern lauern das Unbekannte und die Pannen. Das heisst, der Umfang der notorischen «unbekannten Unbekannten» wächst. Und dann haben wir ein Problem: Die künftigen Systeme werden wahrscheinlich nicht nur komplexer sein, als wir Menschen uns das jetzt denken, sondern komplexer, als wir uns das je denken können. Technik tendiert zur Transzendenz.»

Kompetente «Alte» gesucht
Zwar fehlt uns vielleicht das Wissen zum aktuellen Stand der Technik, doch dank unserer (Lebens-)Erfahrung sollten wir uns aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen. Auf Augenhöhe mit den Jungen und einer gewissen Bescheidenheit, ohne Besserwisserei. Genaueres zur Plattform «kompetenz60plus.ch» erfahren Sie im doppelseitigen Beitrag von Anfang Jahr in der Schweizerischen Gewerbezeitung oder im Videoclip (3:43′) «FokusKMU» für das Lokalfernsehen vom vergangenen Februar.

Bitte machen Sie mit, wir freuen uns über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


Ein Projekt «von uns. für uns.»
Web: kompetenz60plus.ch I Mail: werner@kompetenz60plus.ch I
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