Blog, Industrie 4.0

#265 – Bildung, Ausbildung, Weiterbildung

Schwachstellen im Schweizer Bildungssystem
Auslöser für diesen Blog sind Meldungen über gut bis sehr gut ausgebildete Menschen aus der Ukraine, welche dank ihrer Anpassungsfähigkeit, ihrer Arbeitsethik und trotz Sprachbarrieren, innert kürzester Zeit einen Platz auf dem Schweizer Arbeitsmarkt finden. Das ist beeindruckend und beleuchtet die Schwachstellen im schweizerischen Bildungssystem. Das erklärt auch, gemäss Bericht im NZZ Magazin vom 10. April 2022, die Offensive des Zürcher Bankenverbands. Das traditionelle KV-Modell soll durch eine «neue» Lehre mit vorgeschobener Schulbildung, als Gegenmodell zum Gymnasium angeboten werden. Bei der Besetzung von Führungspositionen besteht bekanntlich seit Jahrzehnten ein Mangel an «einheimischen» Kandidat:innen. Im Gesundheitswesen, an den Hochschulen, aber auch in «Expertengremien» der Verwaltung sind wir auf das Wissen von Absolventen ausländischer Bildungsinstitutionen angewiesen. Der hohe Stellenwert von Allgemeinbildung muss in der Schweiz wieder salonfähig werden.

Mangelnde Grundkompetenzen trotz Schulbesuch
In seinem Beitrag berichtet Nils Pfändler in der NZZ vom 28. März 2022 darüber, wie Im Kanton Zürich laut einer Studie rund 15 Prozent der Bevölkerung Mühe mit Lesen, Schreiben oder Rechnen hat. Sie können keinen Computer bedienen oder sich mündlich nicht korrekt ausdrücken. Das sind mehr als 140’000 Personen im Kanton. Laut der Studie haben zwei Drittel mindestens die Hälfte der Volksschule hierzulande absolviert und verfügen trotzdem über mangelnde Grundkompetenzen. Vor bald dreissig Jahren erstellte man Tabulatoren noch mit der Schreibmaschine. Heute muss man dafür ein Computerprogramm bedienen können, was zum Stellenverlust im Alter von 50 Jahren führt. Pfändlers Beispiele beleuchten, wie Menschen mehr als ihr halbes Leben lang, trotz Schulobligatorium einer Stelle nachgingen, ohne dass diese Mängel bemerkt wurden. Viele verweigern sich bis heute den «neuen» Technologien und sind wegen mangelnder IT-Kenntnisse nicht fähig, die Vorlage für einen Lebenslauf oder ein Bewerbungsschreiben zu gestalten, besitzen nicht einmal ihren eigenen Computer. Nicht nur fremdsprachige sind davon betroffen, der Anteil Schweizer:innen ist hoch.

Fernando Botero Angulo (89), kolumbianischer Maler und Bildhauer, Plaza Botero 2017, Medellin, Kolumbien.

Pandemie, Krieg und die Bereitschaft für aussergewöhnliche Leistungen
Die Corona-Pandemie hat unsere Arbeitsweisen und Verhaltensmuster akzentuiert. Arbeiten im Home-Office bietet manchen Menschen Vorzüge, hat aber für viele auch Nachteile, wenn der spontane Austausch fehlt. Gerade für Bildungsschwache ersetzt die Videokonferenz das persönliche Gespräch nicht. Auch in Zukunft werden deshalb Büro oder Klassenzimmer Treffpunkte sein, Orte für zufällige, wie auch geplante Interaktion. Dass ukrainische Gymnasiast:innen dem Unterricht nicht an ihrer Schule in Kiew, sondern online zu Hause, ausserhalb der Hauptstadt, sowie in Polen, Deutschland, Rumänien, Österreich und der Schweiz beiwohnen – weil sie fliehen mussten, erfordert grosse Disziplin. In der NZZ vom 8. April 2022 berichtet Robin Schwarzenbach über aussergewöhnliche Zeiten, in denen beispielsweise der 16 jährige Maxim vor dem Computer seiner Gastgeberfamilie in Wallisellen sitzt und täglich über «zoom» mit seiner Lehrerin in Kiew verbunden ist. Über vierzig ukrainische Gymnasiast:innen besuchen bereits eine Mittelschule im Kanton Zürich, da sie aufgenommen wurden, bevor die Einstufung an der EB Zürich (Kantonale Schule für Berufsbildung) ins Leben gerufen wurde. Für sie wird es in den Frühlingsferien einen Deutsch-Intensivkurs geben. Am 19. April startet zudem ein mehrwöchiges Förderprogramm, das Jugendliche aus der Ukraine auf den Besuch eines Zürcher Gymnasiums vorbereiten soll, auch Maxim wird zu ihnen gehören.

Die Zukunft von Arbeit im Zeitalter der KI künstlichen Intelligenz
Darüber, welchen Einfluss neue Technologien auf unsere Arbeitswelt haben werden, schrieben die Autoren Rainer Strack, Miguel Carrasco, Philipp Kolo, Nicholas NouriMichael Priddis, and Richard George in einer Publikation der BCG Boston Consulting Group vom 18. März 2021. Auch wenn Menschen für Routine- und Verwaltungsaufgaben möglicherweise nicht mehr benötigt werden, eröffnen sich neue Berufsfelder um die Automatisierung weiterzuentwickeln. Neue Arbeitsplätze entstehen in der Softwareentwicklung, für Datenanalyst:innen oder auf dem Gebiet der Cybersicherheit. Firmen werden neue Mitarbeitende einstellen, bestehendes Personal weiterbilden oder umqualifizieren – und vielleicht sogar einen bestimmten Job selbst definieren müssen. In der Zwischenzeit werden menschliche Kernfähigkeiten – wie Empathie, Vorstellungskraft, Kreativität und emotionale Intelligenz, die nicht durch Technologie repliziert werden können – wertvoller. Das betrifft auch uns «Alte», die wir als Mentoren in Teams mit jüngeren Menschen unsere Erfahrung einbringen können. Das Angebot an Talenten für Berufe, welche diese Fähigkeiten erfordern – wie beispielsweise Gesundheitspersonal, Lehrer oder Berater – ist derzeit begrenzt, was zu den hohen Defiziten führt, die wir in diesen Berufsgruppen sehen. Gleichzeitig unterstreichen Krisen wie die COVID-19-Pandemie deren Bedeutung für das gesellschaftliche Wohlergehen.

Bildung, Weiterbildung und Umschulung – Metakompetenzen
Auf staatlicher Ebene empfehlen die Autoren zentrale Stellen für Personalstrategie und -politik, um die aktuellen Trends bei Arbeitskräfteangebot und -nachfrage zu verstehen und mittels Bildungsangeboten frühzeitig auf Nachfragelücken reagieren zu können. Dies vor allem auch im Hinblick auf das Ausscheiden der Babyboomer-Generation in den kommenden Jahren. Um zukünftigen Bedürfnissen am Arbeitsmarkt entgegenzukommen, müssen Regierungen die Bildungssysteme auf sogenannte Metakompetenzen ausrichten. Dazu gehören logisches Denken, Neugier, Aufgeschlossenheit, Zusammenarbeit, Führung, Kreativität und Systemdenken. Im Zeitalter der Digitalisierung sollte es möglich sein, Karriere- und Beschäftigungsplattformen aufzubauen, um sicherzustellen, dass der Arbeitsmarkt so effizient wie möglich funktioniert und Arbeitnehmernde einfacher und schneller zu Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten navigieren können. (Stichwort: RAV und Papierkram). Entscheidend ist, dass diese Plattformen kontinuierlich aktualisiert sind, um sicherzustellen, dass sie relevant und nützlich bleiben, unter Einbezug von entscheidenden Informationen aus anderen Ländern. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) benötigen Unterstützung für Investitionen, zum Aufbau einer digital fähigen Belegschaft. Um Innovationen in der gesamten Wirtschaft voranzutreiben, dürfen jedoch keine übermässigen Regulierungen diese Bestrebungen hemmen.

Lebenslanges Lernen
Unternehmen müssen eine Kultur des lebenslangen Lernens in ihre Geschäftsmodelle einbauen. Zertifizierungen oder periodische Schulungsprogramme genügen in einer digitalen Wirtschaft wenig, denn eine fortlaufende und dynamische Verbesserung der Fähigkeiten ist erforderlich. Solches Lernen muss in einer Vielzahl von Formaten bereitgestellt werden, integriert in die tägliche Routine, um eine flinke und agile Belegschaft zu gewährleisten. Unternehmen können sich auch dafür entscheiden, einen Mitarbeiterpool zu erstellen, in den Personen mit neuen Fähigkeiten aufgenommen werden können, ohne noch zu wissen, für welchen Tätigkeitsbereich sie am besten geeignet sind. Das setzt eine gewisse Flexibilität bei der Entwicklung seines Karrierepfads voraus. Häufige Berufswechsel und Quereinstiege in vergleichbare Positionen werden immer notwendiger. Daher sollten Arbeitnehmende während ihrer gesamten Karriere nach Positionen suchen, in denen ihre vorhandenen Fähigkeiten erfolgreich angewendet werden können, und ihre Fähigkeiten aktualisieren, je nachdem, wo ihre eigenen Interessen mit den Anforderungen des Marktes übereinstimmen. Wir «Alten» stellen dazu gerne unsere Lebenserfahrung in Form einer unvoreingenommene Aussensicht zur Verfügung.

«kompetenz60plus.ch»
Mit unserer Erfahrung aus der analogen, zusammen mit Erkenntnissen aus der digitalen Welt, sind wir «Alten» gerne bereit, diese mit KMU’s oder im Team mit jungen Forschenden und Wissenschaftern auf Augenhöhe zu teilen. Suchen Sie einen Mentor, eine Mentorin oder Coach, «kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


Ein Projekt «von uns. für uns.»
Web: kompetenz60plus.ch I Mail: werner@kompetenz60plus.ch I
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