Blog, Industrie 4.0

#264 – Bewirtschaftung gegen Wissensverlust

Generationenwandel in der Arbeitswelt
Loopings Magazin publizierte am 28. März 2022 aus dem Studiendossier «Generationenfragen» von Professor François Höpflinger, Alters- und Generationenforscher, auszugsweise die Kapitel rund ums Thema Arbeitswelt. Das vollständige, 136 Seiten umfassende, Papier finden Sie hier zum Download. Für «kompetenz60plus.ch» sind vor allem die Erkenntnisse zum «Generationenwandel in der Arbeitswelt» spannend. Progressive Arbeitgebende sprechen dabei gerne von Generationenmanagement. Der Hauptnutzen besteht im Vermeiden von Wissensverlust durch das Ausscheiden älterer Mitarbeitenden aus dem Unternehmen. Daneben wird dem Transfer von Wissen zwischen den Generationen für den Unternehmenserfolg eine hohe Bedeutung eingeräumt. Das bedeutet, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen Generationen von Unternehmensseite aktiv bewirtschaftet werden muss. Höpflinger ortet einen dreifachen Generationenwandel bei (grösseren) Unternehmen bezogen auf ihre Mitarbeitenden, ihre Kundschaft sowie ihre Produkte und/oder Dienstleistungen.

Altersumkehrung in der Hierarchie
Erstens müssen immer wieder neue – und meist jüngere – Mitarbeitende rekrutiert und betrieblich sozialisiert werden. Bestehende Mitarbeitende müssen gleichzeitig eingebunden und gefördert werden. In einer demografisch alternden Gesellschaft steigt der Anteil älterer Mitarbeitender an, was die Bedeutung optimaler Generationenbeziehungen zwischen Jung und Alt verstärkt. Von uns «Alten» verlangt dies eine intergenerationelle Anpassungsleistung; wie Know-how-Transfer an Jüngere, Lernen von Jüngeren, gute Zusammenarbeit trotz Generationendifferenz sowie Akzeptanz von Altersumkehrungen in der Hierarchie.

Mayo Bucher (59), LIFE (Produce of Mexico) 2009/2021, aus der 4-Buchstaben-Wort-Serie

Intergenerationelle Anpassung
Zweitens ergibt sich ein mehr oder weniger permanenter generationeller Wandel unter den Auftraggebenden und Kunden. Neue, beziehungsweise jüngere, Kunden und Kundinnen müssen angeworben werden und die Bindung bisheriger Geschäftsbeziehungen ist zu gewährleisten. In einer demografisch alternden Gesellschaft werden Produkte und Dienstleistungen für ältere Personen vermehrt nachgefragt, wogegen der Jugendmarkt relativ an Bedeutung verliert. Immer mehr Unternehmen sind mit einer ‹alternden Kundschaft’ konfrontiert, die auf einen schlechten Generationenmix von Beratung und Betreuung negativ reagieren können. Stichwort: Das saloppe DU im Kundenkontakt.

Die Notwendigkeit für lebenslanges Lernen
Drittens ergibt sich ein Wandel von Arbeits- und Produktionsverfahren, Produkten und/oder Dienstleistungen. Dies gilt vor allem für Innovationsunternehmen, wo permanent neue Produktionsverfahren eingesetzt werden. Aufgrund eines beschleunigten technologischen Wandels und kürzerer Produktezyklen büsst die Berufserfahrung älterer Mitarbeitender in dynamischen Gesellschaften entsprechend an Wert ein. Der technische Wandel erfordert auch von uns «Alten» eine ständige Neuorientierung, respektive eine lebenslange Weiterbildung. Bei Traditionsunternehmen sind umgekehrt junge Arbeitskräfte in alte handwerkliche Traditionen einzuführen. In nicht wenigen Unternehmen stammen Büro- und Geschäftsarchitektur aus früheren Jahrzehnten und entsprechen immer weniger den Arbeitsbedürfnissen der «jungen Wilden». Daraus entsteht ein permanentes intergenerationelles Spannungsfeld.

Das Senioritätsprizip – zwei Alternsdimensionen (jung/alt und neu/alt)
Eine bedeutende Generationendifferenz ergibt sich heute namentlich durch die unterschiedliche Ausbildung verschiedener Geburtenjahrgänge von Erwerbstätigen. Bei jüngeren Erwerbspersonen ist der Anteil mit tertiärem Bildungsabschluss deutlich höher als bei uns «Alten». Dies manifestiert sich in relevanten Unterschieden der Werthaltungen zu Organisationsformen, Karrierevorstellungen oder Arbeitswerten. Konflikte zwischen jungen und älteren Mitarbeitenden entstehen häufig nicht primär aufgrund der chronologischen Altersdifferenz, sondern aufgrund der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Eintritts- und Ausbildungskohorten, zum Beispiel, wenn ältere Arbeitnehmende die aufgrund eines Berufs- oder Betriebswechsel neu in einen Betrieb eintreten und im Vergleich zu jüngeren Mitarbeitenden eine geringere Betriebserfahrung vorzuweisen haben. In Innovationsunternehmen fehlt langjährigen Mitarbeitenden oft das Wissen und die Erfahrung über neue digitale Arbeitstechniken. Eine Dissoziation beider Altersdimensionen ergibt sich wenn Vorgesetzte jünger sind als altgediente «Untergebene» und damit traditionelle Senioritätsprinzipien durchbrochen werden. Wir «Alten» erfahren oft eine soziale Abwertung, nicht weil wir älter als 50 Jahre sind, sondern weil unser Verhalten und Gehabe als altmodisch eingeschätzt werden oder weil unser Fachwissen als veraltet gilt. Geschätzt sind dagegen langjährige Berufsfachleute die ein wertvolles soziales und berufliches Erfahrungswissen und Sozialnetze aufweisen.

Der Wert von Erfahrung in dynamischen und innovativen Gesellschaften
Die Differenz von «jung versus alt» widerspiegelt Unterschiede der Lebens- oder Berufserfahrung, wobei traditionellerweise Erfahrung dem Alter zugeordnet wird. In dynamischen und innovativen Gesellschaften verliert sich diese Wertung, teilweise weil junge Menschen längere Erfahrungen mit neuen Technologien oder neuen Sprach- und Kulturformen aufweisen. Damit verlieren ältere Menschen an Erfahrungsvorsprung und gleichzeitig geraten sie in Gefahr, dass traditionelle Formen der beruflichen Erfahrung als irrelevant betrachtet werden. Ältere Arbeitskräfte, die soziale und technologische Innovationen nicht aktiv bewältigen, werden sozial und beruflich rasch marginalisiert. Erfahrung ist in einer dynamischen Gesellschaft neu zu definieren So zeigt sich beispielsweise, dass neue Technologien oder neue Organisationsprinzipien teilweise nur durch Bezug auf bisherige Erfahrungshorizonte (auch Geschichtsbewusstsein) erfolgreich eingeführt und durchgesetzt werden können. Das Bewusstsein, dass eine gute Durchmischung von jüngeren und älteren Mitarbeitenden in einer demografisch alternden Gesellschaft (mit mehr älteren Arbeitskräften und Kunden bzw. Kundinnen) bedeutsamer wird, hat sich verstärkt. Ältere Mitarbeitende und Kaderleute können beispielsweise auf ein breites Kontaktnetz zurückgreifen, wogegen junge Mitarbeiter:innen beispielsweise ein unbefangenes Verhältnis zu neuen Technologien oder neuen Modeströmungen aufweisen. Die von uns «Alten» erwartete Flexibilität und Innovationsakzeptanz setzt aber eine Bereitschaft zum Wechsel des Arbeitsbereichs und die Fähigkeit, auch mit wesentlich jüngeren Menschen zusammen zu arbeiten voraus.

Wissenstransfer in beide Richtungen
Unternehmen erachten es als zutreffend, dass mehrheitlich ein Wissenstransfer von älteren zu jüngeren Mitarbeitenden stattfindet als umgekehrt. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und des technischen Fortschritts ist jedoch ein gelingender Wissenstransfer in beiden Richtungen erforderlich. Ziel sollte es sein, aus den Generationenunterschieden Kraft zu gewinnen. Als klassische Form einer strukturierten Gestaltung der Generationenbeziehungen gilt das Mentoring. Es geht explizit um die berufliche und fachliche Förderung junger Menschen durch eine angesehene ältere Fachperson. Mentoren und Mentorinnen setzen sich sozusagen uneigennützig für die Interessen der jungen Generation ein, denn sie haben – weil sie ihre beruflichen und fachlichen Karriereziele schon erreicht haben – keine eigenen Karriereinteressen und stehen nicht in Konkurrenz mit der jüngeren Generation. Mentoren-Systeme funktionieren aber nur, wenn die älteren Fachleute kompetent bleiben und sie sich mit neueren Organisations- und Kommunikationstechniken auskennen. Ein langfristig angelegtes Mentoren-System impliziert eine Weiterbildung der Mentoren selbst. Erfolgreiche Mentoren sind zumeist Personen, welche die Generationendifferenzen dadurch überbrücken, dass sie junge Leute nicht nur unterstützen, sondern von ihnen auch lernen, da sie generell neugierig auf Neues sind.

«kompetenz60plus.ch»
Mit unserer Erfahrung aus der analogen, zusammen mit Erkenntnissen aus der digitalen Welt, sind wir «Alten» gerne bereit, diese mit KMU’s oder im Team mit jungen Forschenden und Wissenschaftern auf Augenhöhe zu teilen. Suchen Sie einen Mentor, eine Mentorin oder Coach, «kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


Ein Projekt «von uns. für uns.»
Web: kompetenz60plus.ch I Mail: werner@kompetenz60plus.ch I
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