Wozu Geschichte?
Auslöser für diesen Blogbeitrag war der Kommentar von Marc Tribelhorn in der NZZ am 29. Februar 2024: «Jugend ohne Geschichte: Vorwärts in die gedächtnisfreie Gesellschaft». Der Autor schreibt darüber, wie immer weniger junge Leute Geschichte studieren. Er sieht die Ursachen dafür in der bildungspolitischen Offensive bei den sogenannten Mint-Fächern. Die Logik des Arbeitsmarkts habe einen Einfluss, also die Forderung nach einer direkten ökonomischen Verwertbarkeit des erlernten Wissens, weshalb eher Medizin, Wirtschaft, Recht oder Informatik studiert würden. Für mich war es schon immer wichtig, Entwicklungen, wie beispielsweise die Anwendungen von KI künstlicher Intelligenz, in den geschichtlichen Kontext einer Gesellschaft einzuordnen. «Fortschritt» entsteht mehrheitlich durch iterative Weiterentwicklung bestehender Technologien. Wir «Alten» haben in unserem Leben vieles mitgestaltet und kennen die Geschichte aus Erfahrung, unser Vorsprung gegenüber den «Jungen». Oder wie es der Philosoph Ludwig Hasler (80) ausdrückt: «Das ist Erfahrung, und Erfahrung kann man nicht abkürzen. Es gibt keinen Bachelor in Erfahrung. Erfahrung ist realitätsgesättigtes Wissen.» Die Kulturpessimisten finden, dass die jungen Leute von heute immer weniger wissen, was nicht unbedingt mit dem neuen «kompetenzorientierten» Unterricht zu tun hat, denn auch dort braucht es Faktenwissen, schreibt Marc Tribelhorn. Deshalb liegt es an uns «Alten», diese «Wissenslücken» mit unserer Kompetenz, (Lebens-)Erfahrung und Reife schliessen. Unsere Seniorität erhebt den Anspruch unsere Handlungen als Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu sehen.
Zukunft braucht Herkunft (Odo Marquard, deutscher Philosoph)
Geschichte ist die Schulung von Quellenkritik und Medienkompetenz, gerade angesichts von Fake News, Big Data und künstlicher Intelligenz, von Krieg und Antisemitismus. In ihrem 2024 erschienen Buch «Die sieben Weltwunder der Antike» beschreibt Bettany Hughes in ihrer Schlussfolgerung wie wir alle nach dem Sinn suchen. Für Geschichten mit Handlung. Für Veranstaltungen mit Muster. Wir lieben die Idee der sieben Wunder, weil es eine Gruppierung ist, die der Geschichte Zusammenhalt verleiht. Wunder erfüllen einen wichtigen dreifachen Zweck. Sie wurden teilweise gebaut, um unser Bedürfnis nach wundersamen Geschichten zu stillen – um das Grösste, das Beste, das Höchste, das Seltsamste, das Kühnste zu erleben und darüber zu sprechen. Sie erinnern uns an unseren überwältigenden Wunsch, zusammenzuarbeiten und etwas zu schaffen, das über die Möglichkeiten des Einzelnen hinausgeht. So wie die Zahl Sieben unteilbar ist, jede Sieben der anderen gleich ist und keiner ihrer Faktoren grösser ist als die anderen, so sagt uns jedes der sieben Wunder etwas gleichermassen Wichtiges über die menschliche Reise.
Geschichten schreiben
Daniel Perrin, Direktor des Departements Angewandte Linguistik, ZHAW und Beirat im Verein Edition Unik zum Thema die Geschichten der «Alten»: «Halten wir Sprache fest, können wir die Geschichten greifbar und begreifbar machen, die das Leben schreibt.» Die Edition Unik ist ein unabhängiges Schweizer Kulturprojekt. Ins Leben gerufen 2015 von Martin Heller (1952-2021) im Büro Heller Enterprises in Zürich und seit seinem Tod als Verein organisiert. Die Edition Unik begleitet uns interessierte «Alte» mit einem strukturierten Programm auf dem Weg zum eigenen Buch. Die Bücher werden professionell gestaltet, gedruckt und gebunden.
Max Headroom
Auch hier geht es um den Kampf gegen das Vergessen. Max Headroom ist eine satirische Cyberpunk-Science-Fiction-Fernsehserie, wo 1984 seine Figur als Ansager für Musikvideos des britischen Channel 4 fungierte. Produziert wurde die Serie von Lorimar Productions und spielt in einer futuristischen Dystopie, die von einer Oligarchie von Fernsehnetzwerken beherrscht wird, und beinhaltet eine digitale Medienpersönlichkeit, die von Matt Frewer dargestellte Figur «Max Headroom», welche der Hacker Bryce Lynch aus den Hirnströmen des im Koma liegenden Reporters Edison Carter generierte. Der Name erklärt sich daraus, dass Carter bei seinem Motorradunfall mit dem Kopf gegen eine Schranke mit der Aufschrift MAX. HEADROOM (englisch für lichte Höhe oder max. Durchfahrtshöhe) geprallt ist, und dieser Schriftzug das letzte war, was er sah, bevor er ins Koma fiel.
Wir bringen Sand zum Denken
Ganz neue Möglichkeiten mit dem Umgang von Geschichte eröffnet die KI künstliche Intelligenz. Das gesamte Wissen der Welt lässt sich innert Sekunden nach unserem Gusto durchsuchen und gemäss unseren parametrisierten Wünschen abbilden. Der historische Materialismus der digitalen Sozialingenieure im Silicon Valley nimmt mystische Züge an, findet Adrian Lobe im Feuilletonbeitrag der NZZ vom 29. Februar 2024. Unter dem Titel: «Tech-Priester im Silicon Valley wollen nicht Gott sein, sie wollen Gott schaffen – und dann den perfekten Menschen». Während in den KI-Schmieden an neuen Sprachmodellen gewerkelt wird, läuft im Hintergrund ein Wettrennen um die nächste Entwicklungsstufe: Artificial General Intelligence (AGI). Eine Superintelligenz, die alles kann, was das menschliche Gehirn zu leisten vermag, wäre gewissermassen die Krone der Schöpfung, schreibt Lobe. Im «Techno-Optimist Manifesto», welches der Investor Marc Andreessen vor wenigen Monaten publiziert hat, bemerkt dieser: «Wir glauben, dass künstliche Intelligenz unsere Alchemie ist, unser Stein der Weisen – wir bringen buchstäblich Sand zum Denken.» Gemeint sind Computerchips, deren Basis Sand beziehungsweise Quarz ist und die KI-Systeme am Laufen halten. Google und Co. sind einst angetreten, das Wissen der Welt zur Verfügung zu stellen. Und jetzt kommt ein einflussreicher Investor, der Steine zum Denken bringen will? Das wirkt wie die Karikatur des Projekts der digitalen Moderne.
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Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
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