Veränderte Arbeitswelt
Wir «Alten» finden die Orientierung in der gegenwärtigen Arbeitswelt oft schwierig. Nicht nur das biologische Alter bereitet uns Sorgen, unsere «Lebensläufe» sind aus der Zeit gefallen und müssen dringend überarbeitet werden. Über die sozialen Netzwerke suchen Firmen nach den passenden Mitarbeitenden, weltweit. Erfahrung und Kompetenz sind nach wie vor gefragt, hinzu kommen jedoch ein Höchstmass an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Mit seinem eigenen Profil müssen diese Eigenschaften klar und verständlich kommuniziert werden. Ein gewisser «Fachjargon» mag helfen, wichtiger ist jedoch die persönliche Einstellung gegenüber den veränderten Arbeitsbedingungen. Dort ist vermehrt Unternehmertum gefragt, selbstständiges Arbeiten auf Distanz oder in zeitlich beschränkten, auch kurzfristigen Einsätzen mit spezifische Aufgaben. Viele der von uns einmal gelernten Fähigkeiten werden aktuell von Algorithmen übernommen, unsere Beiträge beschränken sich dann eher auf die Kontrolle von Resultaten, Erfahrung vorausgesetzt, denn eine Einarbeitungszeit in den neuen Job ist in der Regel nicht vorgesehen. Loyalität gegenüber den Arbeitgebenden ist auf die Dauer des Einsatzes beschränkt und kurzzeitige Stellenwechsel gehören zum Alltag.
Neue Freiheiten
Uns Babyboomern widerspricht vieles davon unseren Vorstellungen eines geregelten Arbeitsverhältnisses, doch aufhalten können wir das Überhandnehmen der Gig-Economy nicht mehr. Gig-Economy (von englisch gig für «Auftritt» und economy für «Wirtschaft») bezeichnet einen Teil des Arbeitsmarktes, bei dem kleine Aufträge kurzfristig an unabhängige Selbständige, Freiberufler oder geringfügig Beschäftigte vergeben werden. Dabei dient häufig eine Onlineplattform als Mittler zwischen Auftraggebenden und Auftragnehmenden, welche die Rahmenbedingungen setzt und deren Betreiber:innen eine Provision einbehält. Doch diese Art zu arbeiten birgt für uns «Alte» auch viele Vorteile. Solange unsere kognitiven Fähigkeiten noch vorhanden sind, haben altersbedingte Gebrechen bei der Arbeit am Computer wenig Einfluss. Auch die Arbeitszeiten können wir gemäss unseren Bedürfnissen frei wählen. Eigentlich eine gute Sache!

Gig-Economy: Apps sind die Arbeitsmarktplätze der Moderne
Das Video von Nicole Krättli für «NZZ Format», SRF vom 28. September 2023 (30 Minuten), erzählt die Geschichten verschiedener Plattformarbeiter aus Spanien und England, die von der Erfüllung des grossen Traums der Selbständigkeit bis zur kompletten Selbstausbeutung reichen. Unter dem Titel «Die App – Mein Chef», kommen Kritiker und Befürworter, die Wissenschaft, «Arbeitgebende» und «Arbeitnehmende» zu Wort. Fernando García Pallás arbeitet als Essenslieferant in Madrid. Sein Arbeitgeber ist eine App, gesteuert wird er von einem Algorithmus, sein nächster Job ist immer nur einen Klick entfernt. Arbeiten, wann und wo man will, finanziell unabhängig sein und ohne sich dabei mit einem nervigen Chef herumschlagen zu müssen: Apps sind die Arbeitsmarktplätze der Moderne. Allein in Europa besorgen sich über 28 Millionen Menschen ihre Minijobs über Gig-Economy-Plattformen wie Uber, Deliveroo, Upwork oder Fiverr. Innerhalb der nächsten drei Jahre könnte sich diese Zahl fast verdoppeln. Die Tech-Unternehmen versprechen viel, halten in der Realität aber wenig davon ein. Im Gegenteil: Sie zielen vielfach bewusst auf die Schwächsten der Gesellschaft ab und machen sich ihre Notlage zunutze.
Die Zukunft der Dienstleistungsgesellschaft
Während der Videobeitrag mehrheitlich die Tragik dieser Entwicklung beleuchtet, zeigt er aber klar, wohin sich die Dienstleistungsgesellschaft bewegt. Gerade im Bezug auf den Arbeitskräftemangel und in der Diskussion um die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt gewinnen solche Modelle an Bedeutung. Wir müssen uns also Gedanken darüber machen, wie wir Arbeit oder unser Auskommen verstehen. Ob Taxifahrer, Pflegerin, Kinderbetreuerin, Webdesigner, Essenslieferant, auch dank weltweiter Vernetzung Grafikerin, Buchhalter, IT-Spezialistin, Marketingexperte, sind immer mehr Berufsgruppen betroffen. Diese Plattform oder Gig-Economy ist innerhalb von fünf Jahren um 500% gewachsen. Bis 2025 sollen weltweit 540 Millionen Menschen auf Plattformen nach Arbeit suchen. Diese Entwicklung hat einen massiven Einfluss auf die Wirtschaft, die Menschen und die Städte. Trotzdem sehen sich die Plattformen nicht als Arbeitgebende, sondern lediglich als Technologieunternehmen, die zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen vermitteln (Stichwort UBER). Um arbeitsrechtliche Regulierungen zu umgehen, steht die «(Schein-)Selbstständigkeit» der Arbeitnehmenden im Zentrum, .
Die App – Mein Chef
Die Möglichkeit, sein eigener Chef, seine eigen Chefin zu sein, ermöglicht es, dank weltweiter Vernetzung seinen eigenen Kundenkreis aufzubauen und sich eine Reputation als Spezialist:in aufzubauen. Die weltweite Konkurrenz bringt aber auch neue Herausforderungen punkto Qualität und Preis mit sich. Die Vorteile solcher Plattformen sind die weltweite Zusammenarbeit über Sprachgrenzen oder Zeitzonen hinweg, mit Menschen aus verschiedenen Branchen und Kulturen. Wichtig ist dabei unser organisatorisches Talent, die Verlässlichkeit und das Zeitmanagement, um trotz Komplexität den Überblick nicht zu verlieren. Die Zusammenarbeit als «Freiberufler» mit grösseren Unternehmen, zu denen man anderweitig keinen Zugang hätte, ist ein weiterer Vorteil der Gig-Economy. Gleichzeitig ist es möglich, dank der inherenten Flexibilität, Privatheit und Geschäft in gesunder Balance zu leben. Wie der Video-Beitrag zeigt, kann das Wirtschaftsmodell aber auch zu einer Art moderner Sklaverei werden, bei der Arbeitnehmende, um zu überleben, alle möglichen Arbeiten anzunehmen gezwungen sind.
Die Anpassung von Arbeitsrecht
Im Moment betrifft die Gig-Economy nur bestimmte Wirtschaftssektoren, aber es entstehen inzwischen auch Pflege, Ärzte und Anwaltsplattformen. Selbst Berufe die heute als sicher gelten, könnten also bald von dieser «Plattformisierung» betroffen sein. Die Augen vor solchen Entwicklungen zu verschliessen ist gefährlich, denn nur in ein paar Jahren könnten auch unsere Arbeitsplätze von solchen Entwicklungen betroffen sein. Die GIg-Economy verändert mit ihren Gepflogenheiten auch zunehmend bisher verschonte Wirtschaftszweige, indem Bewertungssysteme (Sterne) oder herausfordernde Arbeitszeiten (Überstunden/Nachtarbeit) über den Verbleib in einer Anstellung entscheiden können. Es ist deshalb an der Zeit das Arbeitsrecht an die Arbeitsrealität des 21. Jahrhunderts anzupassen.
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Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
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