Nicht sehr innovativ
Spätestens seit der Corona-Pandemie hat sich die Arbeitswelt nachhaltig verändert. Für viele Firmen, vor allem im KMU-Bereich, ist dies ein Riesenstress. Vor Corona arrangierten die Leute ihr Leben um die Arbeit herum. Heute ist es umgekehrt: Die Menschen wollen ihre Arbeit um ihr Leben herum arrangieren, sagt der amerikanische Psychologe Anthony C. Klotz im Interview mit Katharina Bracher, NZZ vom 10. Mai 2023. Arbeitgebende müssen auf diese neuen Bedürfnisse eingehen, wenn sie im ausgetrockneten Markt noch Mitarbeiter:innen finden und vor allem halten wollen. Die meisten reagieren deshalb mit denselben drei starren Lösungen: Entweder arbeitet man vom Home-Office aus, man hat ein hybrides Modell, oder man ist im Büro. Nicht sehr innovativ. Doch anstatt dem ganzen Personal «One size fits all»-Lösungen mit demselben Standardmodell überzustülpen, sollten die Firmen Ausnahmen machen und massgeschneiderte Lösungen anbieten. Auch für uns «Alte». Dabei ist die Angst der Unternehmen: «Wenn wir es einem erlauben, fordern es alle» unbegründet und verstösst nicht gegen den den Grundsatz der Gleichbehandlung. Unsere Bedürfnisse sind sehr individuell, nicht alle können oder wollen zum Beispiel im Home-Office oder Teilzeit arbeiten.
«Alte» im Arbeitsmarkt – das Karriereplateau – ein Neubeginn
Wenn Mitarbeitende ihr Karriereplateau erreicht haben, investiert die Firma nicht länger in deren Entwicklung. Viele lassen sich deshalb pensionieren, wenn sie merken dass es nicht mehr weiter aufwärts geht, anstatt gegen diese Situation anzukämpfen. Für die Wirtschaft wird der Verzicht auf Erfahrung und Wissen dieser älteren Generation, im grössten Personalmangel seit der Hochkonjunktur in den 1970ern, immer mehr zu einer Herausforderung. Manche von uns «Alten» sehen in der gegenwärtigen Situation auch Chancen und spielen mit dem Gedanken eines Neubeginns, um unsere Fähigkeiten auf einem anderen Gebiet einzusetzen. Mit fünfzig Jahren das Berufsfeld zu wechseln oder sich neu ausbilden zu lassen, erachtet der deutsche Hirnforscher Lutz Jäncke (65) sogar als förderlich für die Gesundheit im Alter. Andere wollen jedoch keine lange Ausbildung mehr beginnen, zumal man aus Erfahrung schon alles viel besser weiss. Starke Veränderungen der Karriere bergen gemäss Anthony C. Klotz aber auch Risiken. Unabhängig davon, in welchem Alter wir uns neu orientieren, mit unserem Beruf verbinden wir auch unsere Identität. Diese ist zentral für unser Leben, denn ein grosser Teil unseres Selbstwerts und unseres Selbstbilds stammt aus dem Fakt, wer wir sind und mit welcher Firma, mit welchem neuen Arbeitgeber wir uns einlassen.

Herausforderungen mit älteren Arbeitnehmenden
Wir «Alten» sollen helfen, den temporären Fachkräftemangel zu überbrücken, ist eine Idealvorstellung. Wir sollen nach der Pensionierung, oft auch als Quereinsteiger, weiterarbeiten. Die meisten 60jährigen wollen aber keine lange Ausbildung mehr beginnen und lebenslange Weiterbildung war nie ein Thema. Sind wir also gerüstet für die Herausforderungen im aktuellen Arbeitsmarkt, wo sich so vieles gewandelt hat, auch die «Arbeitsmoral» ist heute eine andere. Präsenzzeit ist nicht mehr das Mass aller Dinge. Vielmehr muss es uns gelingen, zeitnah auf unerwartete Situationen zu reagieren, ohne lange Dienstwege und Rückfragen. Das setzt eine gute Portion Vertrauen, auch seitens der Arbeitgebenden voraus und schützt niemanden vor möglichen Fehlentscheiden. Unterstützen sollen uns dabei verschiedenste digitale Hilfsmittel, künstliche Intelligenz und Robotik. Dagegen sprechen unsere Schwierigkeiten, mit den neuesten Technologien Schritt zu halten. Die Vorurteile und Stereotype gegenüber älteren Mitarbeitenden, mangelnde Flexibilität oder Bereitschaft, neue Fähigkeiten zu erlernen, bleiben bestehen. Zentral ist auch das Verhalten von Führungsverantwortlichen gegenüber uns «Alten». Einige von ihnen schätzen die langjährige Erfahrung älterer Arbeitnehmenden und anerkennen den Mehrwert, den sie aufgrund ihres Wissens und ihrer Kompetenzen einbringen können. Führungskräfte, welche die Vorteile von Altersvielfalt erkennen, schaffen eine inklusive Unternehmenskultur, wo auch wir «Alten» unsere Fähigkeiten optimal einsetzen können.
Paradoxon Transformationsbemühungen
Im Beitrag der BCG Boston Consulting Group vom 4. April 2023 beschäftigen sich Amanda Luther, Romain de Laubier, Saibal Chakraborty, Dylan Bolden, Sylvain Duranton, Tauseef Charanya und Patrick Forth mit den veränderten Rahmenbedingungen zum Erfolg von Geschäftsmodellen. Dazu gehört eine Führung, die auf einen Unternehmenszweck ausgerichtet ist, welche Nachhaltigkeit und Soziales integriert, Transparenz schafft und Vertrauen aufbaut. Mitarbeitervorteile müssen nicht nur erstklassige Talente anzuziehen, sondern helfen, das vorhandene Personal zu halten und weiterzuentwickeln. Das aktuelle Geschäftsumfeld stellt Führungskräfte vor ein Paradoxon. Durch die zunehmende Komplexität und Volatilität stehen Unternehmen vor einem ständigen Veränderungsbedarf. Führung ist für den Transformationserfolg, das Erreichen der Ziele, von zentraler Bedeutung. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass langfristige Nachhaltigkeit nur durch ein starkes Engagement auf allen Ebenen der Organisation erreicht werden kann. Generative Führung konzentriert sich auf Kopf, Herz und Hände. Der Kopf bezieht sich auf die Neuerfindung des Geschäfts, um den Menschen, dem Planeten, der Gesellschaft und den Aktionären zu dienen; das Herz beinhaltet die Inspiration und Bereicherung der menschlichen Erfahrung; und die Hände ermöglichen die Umsetzung und Innovation durch leistungsstarke Teams. (Quelle: BCG Boston Consulting Group «Leadership with a Powerful Purpose», 11. Mai 2023). «Alte» Mentoren, Coaches oder Sparringspartner unterstützen solche Prozesse dank ihrer Gelassenheit und Selbstsicherheit.

Viertagewoche, Bauen an der Zukunft von Arbeit
Viel Beachtung, auch mit Konsequenzen für ältere Arbeitnehmende, geniesst die Einführung der Viertagewoche. Das Streitgespräch zur verkürzten Arbeitswoche mit Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt und René Schmid, Geschäftsführer eines Kleinunternehmens im Zürcher Oberland, zeichnete Nicole Rütti in der NZZ vom 18.April 2023 auf. Für Schmid bringt das Modell einer Viertagewoche grosse Vorteile, indem unnötige Dinge weggelassen werden und ist eine logische Folge unserer wertorientierten Unternehmenskultur. Bei gleichem Lohn werde pro Tag etwas länger gearbeitet und seine Mitarbeitenden fahren nur viermal die Woche auf die Baustelle. Die Leute erledigen ihre Tagesziele und schmeissen nicht einfach um Punkt fünf Uhr ihr Werkzeug hin. Valentin Vogt räumt zwar ein, dass eine Produktivitätssteigerung durch Digitalisierung und Automatisierung den Fachkräftemangel etwas entlastet, doch die Arbeit ist viel mehr als nur Geldverdienen, sie schafft Tagesstrukturen, integriert und motiviert. Die Mehrheit der Leute arbeitet gerne. Dass gemäss Schmid die nachrückende Generation nicht mehr nur arbeiten will, sieht Valentin Vogt als Wohlstandsverwahrlosung, welche den Generationenvertrag der Sozialwerke in einer Teilzeitarbeitsgesellschaft akut gefährden wird. Schmid sieht in der verkürzten Arbeitszeit eine Chance, Arbeitsabläufe zu vereinfachen und zu straffen. Es ist eine Führungsaufgabe, dafür zu sorgen, dass auch die Mitarbeitenden effizient sind und dank Digitalisierung ihre Arbeit optimieren. Ein Schlüsselthema sind auch die vielen unproduktiven Sitzungen.
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