Blog, Industrie 4.0

#311 – Illusion Work-Life-Balance

Work-Life-Balance contra Digitalisierung
Das Interview von Chanchal Biswas und Peter A. Fischer mit dem abtretenden Roche-Präsidenten Christoph Franz (63) vom 18. März 2023 in der NZZ inspirierte diesen Blogbeitrag. Zwei Gedanken: die Notwendigkeit zur Digitalisierung, neugierig bleiben und eigenverantwortlich sich nicht mit seiner Erfahrung zufrieden geben. In der Diskussion über die Work-Life-Balance, geht leicht vergessen, wie die die künstliche Intelligenz KI unser Leben verändern wird. Dieses Potenzial ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft, da stehen wir erst am Anfang. Christoph Franz findet, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Schweiz kaum wahrgenommen werden. Seit seinen zwanzig Jahren im Land habe sich (im Gesundheitswesen) nichts Wesentliches verändert. Der Rückstand bei der Digitalisierung führt dazu, dass Forschungsaktivitäten von der Schweiz weg, beispielsweise in die USA, verlagert werden.

Motivierte und engagierte «Alte»
Christoph Franz war im Bahngeschäft tätig, in der Airline-Branche, wo er den Chefposten bei Lufthansa aufgab um in die Pharmaindustrie zu wechseln. Für ihn war das ein Glücksfall, weil er noch einmal die Chance hatte, in eine ganz andere Branche hereinzukommen. Das Pharmageschäft ist viel stärker innovationsgetrieben als die Luftfahrtindustrie. Franzen ist ein neugieriger Mensch. Die Chance, sich in etwas Neues reinzuknien und zu verstehen, wie eine solche Branche funktioniert, war für ihn motivierend. Obwohl er weder Arzt noch Biologe ist, schuf er als Verwaltungsratspräsident die Voraussetzungen dafür, dass Innovation stattfinden kann. Wenn wir darauf verzichten würden, beruflich aktive Vertreter aus anderen Branchen in einen Verwaltungsrat zu holen, wenn wir dort nur noch pensionierte Leute (aus dem eigenen Geschäft) hätten, die von ihren Erfahrungen vor längerer Zeit berichten würden, wären die Verwaltungsräte nicht wirklich besser aufgestellt. Erfahrung darf nicht zur Gewohnheit werden. Nach seinem Austritt aus der Roche möchte er, neben einigen weiteren VR-Mandaten, sich auch gemeinnützig engagieren, Dinge zurückgeben.

Anish Kapoor (69): Bean Sculpture 2023, 56 Leonard Street, Tribeca, Manhattan. Bild: ⓒMichael Young

Im Müssiggang lauert die Krise
Schnell fühlen wir «Alten» uns unterfordert, wenn die Agenda zu viele Leerstellen aufweist. Alle Welt spricht heute von Work-Life-Balance. Beim Wunsch nach mehr Freizeit geht vergessen, dass auch die Arbeit unserem Leben Sinn gibt, schreibt Birgit Schmid in der NZZ vom 11. März 2023. Unter dem Titel «Work-Life-Balance? Die strikte Trennung von Privatleben und Beruf ist eine Illusion. Manchmal macht das Durcheinander glücklich» beschreibt sie einen Modetrend, den es zu hinterfragen gilt. Denn Arbeit ist ein wichtiger Teil unseres Selbstverständnisses. Man bringt seine Talente ein, erfährt Wertschätzung. Das bestätigt einen, und zwar nicht nur im Beruf, sondern darüber hinaus als Person. Arbeit ist erfüllend. Sie macht zufrieden, was die verhaltensökonomische Glücksforschung bestätigt. Wer hingegen arbeitslos ist, fühlt sich wertlos. Deshalb gleiten viele frisch Pensionierte in eine Depression, denn im Müssiggang lauert die Krise.

Sinnstiftende Arbeit
Keine Debatte um Teilzeitarbeit und Fachkräftemangel kommt derzeit ohne den Begriff Work-Life-Balance aus. Bereits Berufseinsteiger sprechen das Thema im Bewerbungsgespräch an, obwohl sie noch nie erwerbstätig waren und meistens auch keine Familie haben, womit Vereinbarungsfragen dringlicher würden, schreibt Birgit Schmid weiter. Sie zitiert dazu den deutschen Philosophen Wilhelm Schmid (70). Für ihn bedeutet Arbeit, mit anderen vernetzt und unter Menschen zu sein. Bei der Arbeit gemachte Erfahrungen und Herausforderungen erweiterten «den Spielraum des Selbst», dieses könne dadurch «wachsen und sich um Exzellenz bemühen». Man erlebt es als sinnstiftend, dass man gebraucht wird, einen Beitrag an die Gesellschaft leistet und manchmal erst noch dafür entlöhnt wird.

Kreative Störung 2021: Zur Wiedereröffnung nach der Corona-Pause zeigt der Hamburger Bahnhof ausufernde Form- und Farbwelten der deutschen Künstlerin Katharina Grosse (61).

Arbeit ist Leben – abschalten ist eine Illusion
Liest man heutige Stelleninserate, kommt man schnell zum Schluss, bei «Work» handle es sich lediglich um eine lästige Nebensache, konstatiert Birgit Schmid. Arbeit scheint an Wert verloren zu haben. Dem Konzept der Work-Life-Balance liegt ein Gegensatzdenken zugrunde, bei dem die Arbeit als notwendiges Übel betrachtet wird, Freizeit wird zum Fetisch. Doch Freizeit kann auch Stress verursachen, wenn man zu viel in sie hineinpackt und so viel los ist. Die Arbeit andererseits wurde vielseitiger, aber auch vereinnahmender. In den heutigen kreativen und Wissensberufen bringt man sich mit der ganzen Person ein, man trägt mehr Verantwortung und kann die Arbeit mitgestalten. Aus diesen Gegensätzen entspringt das Bedürfnis, sich stärker abzugrenzen und darum geht es bei der Work-Life-Balance.

Integration statt Balance
Doch ist die Prämisse falsch, denn man kann Arbeit und Leben nicht streng voneinander trennen. Sie sind wechselseitig miteinander verbunden allein deshalb, weil das Arbeits-Ich und das private Ich ein und dieselbe Person sind. Man trägt die Geschichten von der Arbeit nach Hause, denkt weiter an sie, erzählt von ihnen. Genauso ist bei der Arbeit der Kopf nicht immer frei von dem, was nichts mit der Arbeit zu tun hat. Gemäss Birgit Schmid böte es sich an, statt von Balance von Integration zu sprechen. Dann stünden sich die beiden Bereiche nicht so fremd gegenüber. Die Arbeit ist ins Leben integriert und umgekehrt. Beides ergänzt sich. Immerhin trifft man inzwischen häufiger auf die Rede von Work-Life-Blending, womit die Durchmischung gemeint ist. Auch dieser Lifestyle-Begriff unterschlägt jedoch, was Arbeit im besten Fall ist: Hingabe, Leidenschaft, Ablenkung, Erfüllung.

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Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
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#281 – Arbeitsethik in der Generation Z

j.m.@wyland (20 Minuten online-Kommentar)
«Kein Wunder fordern die Jungen mehr bei weniger Lohn. Mein letzter Projektleiter hat den PC als «rotes Tuch» bezeichnet und wusste nichtmal wie man eine Datei in einen Ordner verschieben kann. Er hat 180K im Jahr verdient zusätzlich noch ein 50% Pensum einer Assistentin benötigt die seine PC Arbeit erledigt hat und noch ein 50% Pensum eines Bauleiters verbraucht, der die ganze PL-Arbeiten erledigte. Am Ende des Tages war er 10h im Büro und hat dabei die Arbeit erledigt, für die ich max. 2h brauche (und ich bin über 30 und nicht so versiert mit dem PC wie die noch jüngere Generation). Klar er ist ein Extrembeispiel, aber die Effizienz ist in der heutigen Zeit fast wichtiger als Erfahrung, denn was bringen Erfahrungen in veralteten Methoden?»

«Alte» Mitarbeitende, Fluch oder Segen?
Der Kommentar ist meiner Meinung nach Ausdruck einer gewissen Ohnmacht gegenüber dem Status quo. Solche Chefs sind, gerade in KMU, leider immer noch anzutreffen. Dabei haben Unternehmen und deren Führung die Aufgabe, der Arbeit entsprechende Rahmenbedingungen zu geben, die es ermöglichen, dass die Mitarbeitenden diese Kriterien erleben können. Mikromanagement muss der Delegation von Tätigkeiten mit den entsprechenden Verantwortlichkeiten weichen. Was «j.m.@wyland» im Kommentar jedoch verwechselt, sind die zwei Begriffe: «Wissen und Erfahrung». Während unsere Erfahrung mit fortschreitendem Alter immer grösser wird, muss unser Wissen durch lebenslanges Lernen und den aktiven Austausch immer wieder aktualisiert werden. Die Jungen rennen vielleicht schneller, aber wir «Alten» kennen den Weg, sagte Marco Solari (78), Präsident des Internationalen Filmfestivals von Locarno, 2022 im Interview. Die Inputs von uns «Alten» seien nützlich, meint er, auch wenn wir die Sprache unserer Enkelkinder nicht mehr verstehen. Das Mentoring muss deshalb in beide Richtungen funktionieren. Durch «Reverse-Mentoring» sollen jüngere Fachkräfte, auf Augenhöhe mit uns «Alten», beispielsweise die Gelegenheit erhalten, digitale Prozesse zu erklären.

Herausfordernde Zielkonflikte
Der Generationenbeitrag von Fabian Pöschl und Nicolas Meister, 26.Juli 2022 auf 20 Minuten online unter dem Titel «Weniger arbeiten: Fährt die Generation Z den Schweizer Wohlstand an die Wand?», auf den sich der Kommentar von «j.m.@wyland» bezieht, stellt den Wert von Arbeit im Allgemeinen zur Diskussion. Die Generation Z will nicht mehr alles dem Job unterordnen, viel wichtiger sind Freizeit und Familie, auch wenn gemäss Ökonomen damit der Schweizer Reichtum gefährdet sei. Die Generation Z, die zwischen 1997 und 2012 auf die Welt gekommen ist, wolle Teilzeit und im Homeoffice arbeiten. Wenn die Arbeit ausnahmsweise mal bis ins Wochenende dauere, seien viele nicht bereit dazu, sagt Diana Gutjahr (38, SVP), Vorstandsmitglied des Schweizerischen Gewerbeverbandes. Hart zu arbeiten für eine erfolgreiche Karriere, ist heute nicht mehr angesagt, konstatiert auch Prof. Dr. Christian Fichter (51), Sozial- und Wirtschaftspsychologe an der Kalaidos Fachhochschule. Beeinflusst habe den Wertewandel zu mehr Freizeit auch der Wohlstand in der Schweiz. Doch: «Wohlstand kommt nicht von Erholung, sondern von entbehrungsreichen Zeiten», so Fichter.

Gian Maria Tosatti (42) «Geschichte der Nacht» – Aufstieg und Fall des italienischen industriellen «Wunders», Venice Biennale ARTE 2022. Bild: Andrea Avezzù courtesy La Biennale di Venezia

Sinn und Zweck von Arbeit hinterfragen
Während wir «Alten» noch im Beruf «aufgingen», machen sich viele Junge Gedanken über den Sinn von Arbeit. Ralf Haase’s (58) Post on LinkedIn vom 30. Juli 2022 mit dem Titel: «Wieviel Purpose braucht sinnvolle Arbeit?» schreibt dazu: Purpose (Zweck) ist kaum mehr aus den «NewWork-Diskussionen» wegzudenken. Doch ist die Forderung an Führung und Unternehmen, einen übergeordneten Sinn und Zweck der mit und in ihnen geleisteten Arbeit zu suchen und zu definieren, auch wirklich sinnvoll? Nein findet er, denn Sinn lässt sich nicht verordnen. Umgekehrt ergäbe «wirklich jede Arbeit Sinn, sofern sie als Ganzes oder in wesentlichen Teilen diese fünf Voraussetzungen erfüllt: Sie ist vielfältig (1) und bedeutsam (2), kann von vorne bis hinten (3) und relativ autonom (4) ausgeführt werden und sie bietet Feedback (5). Jeder dieser fünf Faktoren steigert die Sinnhaftigkeit – und das deutlich mehr als jeder Purpose.»

Eine Bedrohung für die Wirtschaft?
Im Beitrag von Fabian Pöschl und Nicolas Meister fragen die Autoren nach der Bedeutung für die Wirtschaft, wenn Arbeitnehmende nicht mehr bereit sind, hundert Prozent und mehr zu arbeiten? Prof. Dr. Rudolf Minsch, Chefökonom des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse, befürchtet, dass sich der Fachkräftemangel noch verstärke, weil es weniger qualifizierte Arbeitskräfte gebe. Dies hat Folgen für die Produktivität. Fehlende Arbeitskräfte seien neben Lieferengpässen die grösste Bedrohung der Wirtschaft.

Generation Z hilft gegen den Fachkräftemangel
Wirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger (61) von der Uni Freiburg hingegen glaubt nicht, dass es schade, wenn mehr Leute Teilzeit arbeiteten. «Früher ging der Mann arbeiten und die Frau machte den Haushalt, heute arbeiten beide, dafür reduziert. Das gleicht sich aus», so Eichenberger. Die Schweiz arbeite ohnehin viel. In anderen Nationen wie Dänemark seien 34-Stunden-Wochen Standard. Arbeitspsychologin Dr. Nicola Jacobshagen sagt, man könne die jüngste Generation nicht als Faulenzer abstempeln. «Sie haben andere Vorstellungen vom Leben und von der Arbeitskultur. Bei ihnen dreht sich nicht alles um die Arbeit». Ausserdem sei die Generation Z noch sehr jung und werde sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln. «Als digital natives werden viele von ihnen die Digitalisierung positiv beeinflussen und den Fachkräftemangel, zum Beispiel in der Informatik-Branche, verringern können», so Jacobshagen. Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch die Politik (Gesetzgeber) müssen sich noch an die neue Arbeitshaltung der Generation Z anpassen.

«kompetenz60plus.ch»
Mit unserer Erfahrung aus der analogen, zusammen mit Erkenntnissen aus der digitalen Welt, sind wir «Alten» gerne bereit, diese mit KMU’s oder im Team mit jungen Forschenden und Wissenschaftern auf Augenhöhe zu teilen. Suchen Sie einen Mentor, eine Mentorin oder Coach, «kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
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