Blog, Industrie 4.0

#306 – «Alte» in neuen Berufen?

Chancen für uns «Alte»
Im Jahresausblick 2023 vom 19. Dezember 2022 kommt meine Faszination für die ungeahnten Möglichkeiten der Software ChatGPT, einem künstlichen Intelligenz (KI) System von OpenAI klar zum Ausdruck. Ich sehe darin nur Chancen für uns «Alte», wie wir bei der Entwicklung dieser Technologie unsere Erfahrung in gemischten Teams mit Chatbots einbringen können. ChatGPT wird kein Massensterben von Wissens- und Kreativjobs auslösen – umdenken müssen wir trotzdem, schreibt Christin Severin, NZZ vom 7. Februar 2023. Die künstliche Intelligenz erobert die bisher vor Automatisierung relativ geschützte Welt der Büros und macht Textern, Grafikern und Informatikern Konkurrenz. Die Berufswelt wird sich massiv verändern, doch die Arbeit wird uns nicht ausgehen ist sie überzeugt.

«Taschenrechner des Schreibens»
ChatGPT, das System mit künstlicher Intelligenz, das in Sekundenschnelle Antworten auf eine unendliche Zahl von schwierigen Fragen generieren kann, könnte zum «Taschenrechner des Schreibens» werden. Das zumindest, gemäss Christin Severin, meint Erik Brynjolfsson, Professor am Institut für menschenzentrierte künstliche Intelligenz der Stanford-Universität und Direktor des Stanford-Labors für digitale Wirtschaft. Die Aussicht ist radikal. Taschenrechner erledigen Rechenaufgaben in einer Geschwindigkeit, mit der kein Mensch mithalten kann. Wenn also der Chatbot des amerikanischen Unternehmens OpenAI zum Taschenrechner des Schreibens wird – was passiert dann mit all den Arbeitnehmenden deren Arbeit das Schreiben, das Zusammentragen, Analysieren und Verarbeiten von Informationen ist? Berufe, die als «White Collar»- oder auch «Knowledge»-Jobs bezeichnet werden, galten bisher als relativ geschützt vor einer Automatisierung. Das dürfte sich nun ändern.

Das Startup OpenAI hat mit DALL-E ein Programm entwickelt, das aus Texteingaben Bilder generieren kann – so wie dieses: Eine Reihe von «White-Collar»-Arbeitern, im Stich gelassen in einer leeren Büroumgebung, fotorealistischer Stil. NZZ, 7. Februar 2023

Ein Wettrennen zwischen Mensch und Maschine?
Seit dem Jahreswechsel berichtet deshalb die Presse auch vom Kampf «Mensch contra Maschine». Für mich bedeuted dies eher ein miteinander, verlangt jedoch eine positive Einstellung mit etwas Vorstellungsvermögen. Einer Agenturmeldung in der NZZ vom 8. Februar 2023 zufolge will Microsoft die ChatGPT-Software von OpenAI nutzen, um Google als Marktführerin bei der Internet-Suche den Rang abzulaufen. Der Text-Automat ChatGPT aus dem Silicon Valley soll es Microsofts Suchmaschine Bing ermöglichen, ausformulierte Fragen ebenso ausführlich zu beantworten. Die Internetsuche kommt mit diesem Schritt unserem Bedürfnis nach einem personalisierten Umgang mit Informationen etwas näher. Microsoft investierte mehrere Milliarden Dollar in OpenAI und bindet Software der Firma auch in seine Office-Büroprogramme ein. Microsoft-Chef Satya Nadella glaubt, dass die Technologie so ziemlich jede Software-Kategorie verändern werde. Die Konkurrentin Google wurde durch Ansammlung der richtigen Links zu einem bestimmten Thema zur dominierenden Suchmaschine mit einem Marktanteil von rund 90 Prozent. Der Konzern arbeitet seit Jahren an einer Software, die sich mit Menschen unterhalten kann und will diese nun ebenfalls schrittweise für eine breitere Öffentlichkeit verfügbar machen, auch in der Web-Suche. Man darf gespannt sein.

DALL-E 2 von OpenAI – Texteingabe: retired architect explaining his creation. Bildauswahl nach 10 sek.

Mensch und Maschine arbeiten und lernen zusammen
Auch Thomas Fuster beschreibt in seinem Kommentar in der NZZ vom 8. Februar 2023 wie ChatGPT unsere Arbeitswelt beeinflussen wird. Seit die Dienstleistung Ende November 2022 freigeschaltet wurde, debattiert man rund um den Globus, was diese Innovation für den eigenen Job bedeuten könnte. In Fabrikhallen sind schon zahlreiche Arbeitsplätze durch Maschinen ersetzt worden. Sorgt die künstliche Intelligenz dafür, dass dasselbe nun bald auch in den Büros passiert? Gut möglich. Seit es bezahlte Erwerbstätigkeit gibt, existiert diese dunkle Vorahnung. Das war zur Zeit der industriellen Revolution so, und das ist heute nicht anders. Was sich ändert, ist nur das Streitobjekt: Waren es früher die Dampfkraft und die Elektrizität, die als Bedrohung empfunden wurden, sind es heute die Spielarten der Digitalisierung, die für Verunsicherung sorgen. Denn die künstliche Intelligenz von OpenAI hat einiges zu bieten: Sie kann Gedichte verfassen, Aufsätze schreiben, Bücher zusammenfassen, Computerprogramme erstellen und vieles mehr. Eigentlich handelt es sich um eine gigantische Antwortmaschine. Sie saugt ihr Wissen aus dem Internet ab, wird dank der Analyse neuer Daten jeden Tag ein bisschen schlauer und formuliert ihre Auskünfte in verschiedenen, (fast fehlerfrei) Sprachen. Dabei ist die Bedienung des Chat-Systems denkbar einfach: Man tippt eine Frage ins System, und die Maschine spuckt im Nu eine Antwort aus, die man durch Nachfragen weiter präzisieren kann.

DALL-E 2 von OpenAI – Texteingabe: retired architect trying to understand a new building. Nach 10sek.

Es geht um «White-Collar-Jobs»
Dass dieses Programm in der Öffentlichkeit für mehr Verunsicherung sorgt als bisherige Formen der Digitalisierung, hat einen einfachen Grund, schreibt Fuster. Diese Automatisierung bedroht für einmal nicht Tätigkeiten, die eher handwerklicher Natur sind, sondern die Inhaber von White-Collar-Jobs. Diese zumeist höheren Angestellten – viele mit akademischem Abschluss – die sich bisher auf der sicheren Seite des technischen Fortschritts sahen. Es zeigt sich: Auch der menschliche Intellekt ist nicht gefeit vor Rationalisierungen. Viele Tätigkeiten, die bisher qualifiziertem Personal anvertraut waren, können auch Maschinen erledigen. Beispiele gibt es zuhauf, sei es die Analyse von Röntgenbildern, das Durchforsten juristischer Dokumente in Rechtsfällen, die Eruierung von Betrugsfällen bei Finanztransaktionen, die Bewertung von Aktien bei der Geldanlage oder die Empfehlung personalisierter Produkte für Kundinnen und Kunden. Für all diese Arbeiten braucht es nicht zwingend Ärzte, Anwälte, Finanzexperten, Werber. Oft erledigen Maschinen die Aufgaben schneller und präziser.

Wie künstliche Intelligenz unsere Arbeitswelt verändert
Aktuell herrscht ein Mangel an Fachkräften und die wachsende Rentnergeneration verschärft die Situation zusätzlich. Viele offene Stellen – darunter auch einige sinnentleerte «Bullshit Jobs» (David Graeber) – sind kaum noch zu besetzen. Das gilt für Fabrikarbeiten ebenso wie für White-Collar-Jobs, schreibt Thomas Fuster und warnt davor, die disruptive Kraft dieser Technologie zu verharmlosen. Vom Ende der Arbeitsgesellschaft zu sprechen ist bei aller Bewunderung für maschinelles Lernen aber noch zu früh. Die Mängel dieser Algorithmen sind offensichtlich: Künstliche Intelligenz im Stil von GPT vermag bis dato nichts Originelles zu kreieren. Sie bedient sich nur bei Bestehendem, klaut hier und dort einige Informationshäppchen und generiert daraus etwas halbwegs Plausibles. Das ist für viele Probleme ausreichend, aber eben bei weitem nicht für alle.

Avatar nach der Fotografie, kreiert mit der OpenArt AI Applikation. Bildaufbau weniger als 10 Sek.

Neue Berufe werden entstehen
Die menschliche Urteilskraft bleibt daher essenziell. Sie entscheidet, mit welchen Rohdaten die Maschinen gefüttert werden, wie die Resultate digitalen Lernens vernünftig zu interpretieren sind, wie aus der Ansammlung von Bestehendem etwas Neues entstehen kann und wo der Algorithmus keinen Platz hat, weil menschlicher Austausch unumgänglich ist. Die künstliche Intelligenz wird deshalb die menschliche Arbeit nicht ersetzen, sondern ergänzen. Einige repetitive und datenintensive Routinearbeiten, etwa in der Buchführung, in der Verwaltung oder im Kundenservice übernimmt die Maschine. Der Umgang mit künstlicher Intelligenz wird aber auch neue und komplexere Stellen schaffen. Deren Profil ist heute noch ebenso unklar, wie vor der Geburt des Internets die Berufe des Webmasters, des Social-Media-Managers oder des Online-Händlers irgendeinen Sinn ergaben. In einem Berufsbildungssystem, das auch immer erst auf Druck von aussen reagiert, weiss niemand, ob die neuen Stellen besser oder schlechter sein werden als die bisherigen. Sie werden anders sein. Und der Mensch erhält Freiraum für interessantere Aufgaben, bei denen typisch menschliche – und daher schwer automatisierbare – Fähigkeiten wie Kreativität und Empathie besonders wichtig sind. Das zwingt zur Neuerfindung vieler Berufe, ist Fuster überzeugt.

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Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
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