Blog, Industrie 4.0

#305 – Das Privileg von Mentor:innen

«Alte» als Mentor:innen
Als Mentor:in ist man privilegiert, indem man Einblick erhält in die Beweggründe der Menschen für ihre Entscheidungen. Letzte Woche lernte ich im Rahmen der Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein SIA-Mentoring-Programm-2023 Kick-off Veranstaltung meinen Tandempartner (Mentee) kennen. Er hat kürzlich zusammen mit einem Studienkollegen ein (typisches) Architekturbüro gegründet und erwartet vom Programm die Unterstützung durch erfahrene «Alte» für das weitere Vorgehen. Der Name «Mentor» stammt aus der griechischen Mythologie und wurde Synonym für einen väterlichen Freund und Berater. Mentor war der Freund des Odysseus, der für die Zeit seiner Abwesenheit von Ithaka die Sorge für seinen Sohn übernahm. Wir werden folglich über die nächsten Monate zusammen verschiedenste Themenkreise besprechen – darauf freue ich mich.

Offenheit und Engagement
Heute wird unter Mentoring ein Beziehungssystem zwischen einer erfahrenen, meist älteren Person (Mentor:in) und einer unerfahreneren, meist jüngeren Person (Mentee) bezeichnet. Das Programm wird vom SIA bereits zum vierten Mal angeboten und erfreut sich grosser Beliebtheit. Der Mentor, die Mentorin unterstützen, geben Ratschläge, führen in Netzwerke ein und helfen die Mechanismen und ungeschriebene Regeln in der Berufswelt zu verstehen. Als informelle Beziehung ist das Mentoring schon seit langem ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Karriere und Nachwuchsförderung. Ein solch institutionalisiertes Betreuungssystem zur gezielten Förderung des Nachwuchses ist oft eine Win-Win-Situation. Wertvoll ist es, wenn alle Beteiligten davon profitieren können, da beide Parteien die Möglichkeit erhalten, ihre Perspektive zu wechseln. Entscheidend für eine gut funktionierende Partnerschaft ist jedoch eine Lebenshaltung, die von Offenheit und Engagement geprägt ist. (Quelle: HTW Chur, 2018: Leitfaden Mentoring)

Typischerweise in der Lebensmitte
Im Kanton Zürich werden gemäss KMU_today TeamMontag vom 30. Januar 2023, so viele Firmen gegründet wie noch nie. Eine Analyse der Zürcher Handelsregisterdaten zeigt, wer die Firmengründerinnen und -gründer sind. Eine Firmengründung erfolgt meist mit knapp 40 Jahren. Das entspricht auch etwa dem Durchschnittsalter der Bevölkerung im Kanton Zürich. Die Hälfte aller Gründerinnen und Gründer ist 32 bis 49 Jahre alt. Je ein Viertel ist älter oder jünger. Frauen und Männer sind bei der Firmengründung im Mittel etwa gleich alt. Während bei Schweizer Gründern Architekturbüros zu den häufigsten Branchen zählen, sind es bei den Gründerinnen Tätigkeiten im Bereich der nicht-ärztlichen Medizinalberufe.

Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein: Mentoring-Programm-2023, Kick-off 1. Februar 2023

Arbeitnehmende in der Sinnkrise
Wir leben in einer Zeit des Umbruchs, indem sich die Erwartungen an das Berufsleben auch auf Grund des technologischen Fortschritts verändern. Wir geben uns nicht mehr zufrieden damit, einfach einen Job zu erfüllen, sondern streben nach einem höheren Sinn im Leben. Wer kann, sagt sich los vom Angestelltenverhältnis und gründet sein eigenes Unternehmen. Für Menschen, die zur Erledigung ihrer Arbeit nicht einfach den Computer anwerfen können, die «Schreibtischlosen» unter uns, bestehen grössere Hürden, aber auch sie machen sich Gedanken. Denn wir alle möchten unsere Energie für ein erfülltes Leben einsetzen, was angesichts dem herrschenden Arbeitskräftemangel in einer Reihe von Untersuchungen thematisiert wird.

Mehr offene Stellen als Stellensuchende
Die Arbeitslosenquote der Schweiz lag im vergangenen Jahr mit 2,2 Prozent so niedrig wie seit über zwanzig Jahren nicht mehr. Aus dem Fachkräftemangel ist ein genereller Arbeitskräftemangel geworden, schreibt Thomas Fuster in der NZZ vom 11. Januar 2023. Boris Zürcher, der Leiter der Direktion für Arbeit beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), verweist auf Umfragen, wonach noch immer rund 40 Prozent der Firmen mit Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Fachkräften kämpfen. Im Interview mit Katharina Bracher, NZZ vom 7. Januar 2023 spricht der HR-Experte Matthias Mölleney von einer der wohl grössten Umwälzungen im Schweizer Arbeitsmarkt seit Jahrzehnten.

Die Mentalität der Arbeitnehmenden verändert sich gerade stark
In den letzten Jahren hat sich das Leben von vielen Menschen verändert, findet Mölleney. Ob man wollte oder nicht: Man musste sich neu orientieren. Für einen Teil war plötzlich Home-Office gefordert. Für einen anderen Teil gab es gar keine Arbeit mehr oder Kurzarbeit. Da kamen ganz viele ins Nachdenken: Ist das der Beruf, den ich morgen noch haben will? Und wenn man dann noch merkt, dass es viele freie Stellen auf dem Arbeitsmarkt hat, dann denkt man schnell: wenn nicht jetzt, wann dann? Dahinter steckt neben dem Lohn auch der Wunsch nach mehr Wertschätzung. Um das Problem langfristig zu lösen, ohne Produktionsstätten zu schliessen oder Arbeitsplätzen zu verlagern, müssten die Unternehmen auf Digitalisierung und Effizienzsteigerung setzen, oder das Potenzial von Frauen und «Alten» reaktivieren, die trotz Qualifikation nicht mehr im Arbeitsmarkt sind.

Bezahlung ist nicht der einzige Grund für eine Kündigung
«Schreibtischlose» Mitarbeitende im Gesundheitswesen, im Einzelhandel, in der Fertigung, im Gastgewerbe, in der Logistik, auf dem Bau und weiteren Branchen machen 70% bis 80% der weltweiten Erwerbsbevölkerung aus. Diese Menschen sind, trotz fortschreitender Automatisierung vieler Tätigkeiten, wichtig für das tägliche Funktionieren unserer Gesellschaft. Doch geben mittlerweile mehr als die Hälfte von ihnen an, ausgebrannt zu sein, und 43 % suchen entweder aktiv oder passiv nach einem neuen Job, so die neueste BCG Boston Consulting Group -Umfrage unter Schreibtischlosen. In ihrem Beitrag vom 15. Dezember 2022 gehen Vinciane Beauchene, Julia Dhar, Katie Lavoie, Deborah Lovich, Chris Mattey, Nick South und Sebastian Ullrich dabei der Frage nach, wie in Zeiten des Arbeitskräftemangels darauf zu reagieren ist. Denn die Bezahlung ist nicht der einzige Grund für eine Kündigung. Der Hauptgrund, warum diese Mitarbeitenden nach einem neuen Job suchen, ist laut ihrer Umfrage die fehlende Erfüllung von emotionalen Bedürfnissen. Wenn sich Mitglieder dieser Belegschaftsgruppe bei der Arbeit nicht respektiert, geschätzt, fair behandelt oder wertgeschätzt fühlen, sind sie bereit zu gehen.

Die Erfüllung emotionaler Bedürfnisse um Mitarbeitende an Bord zu halten
Die Ergebnisse sind Teil der BCG-Forschung zur Zukunft der Arbeit, die aus einer Umfrage unter mehr als 4’600 Schreibtischlosen in Frankreich, Deutschland, Grossbritannien und den USA hervorgegangen ist. Die Befragten verteilen sich fast gleichmässig auf Männer und Frauen und unterscheiden sich erwartungsgemäss stark nach Alter, Dienstalter, Berufserfahrung und Beschäftigungsstatus. Tatsächlich betreffen acht der zehn wichtigsten Faktoren, die Schreibtischlose zum Aufhören motivieren, eher emotionale als funktionale Bedürfnisse, wie eine gute Beziehung zu Vorgesetzten, das tägliche Arbeitsumfeld, Aufstiegsmöglichkeiten sowie die Leistung und der Ruf der Arbeitgebenden.

«Alte» Mentoren unterstützen die Belegschaft der Zukunft
Gute Manager sind möglicherweise nicht in der Lage, aktive Jobsuchende von der Suche abzuhalten, aber sie können passive Jobsuchende im Unternehmen halten, indem sie in die Verbesserung der Arbeit investieren. So wie sich Unternehmen verpflichten, zu investieren, wenn sie neue Produkte einführen oder neue Märkte erschliessen, müssen sie sich wirklich bemühen, die Arbeit für schreibtischlose Mitarbeitende zu verbessern. Nachdem eine Organisation potenzielle Änderungen identifiziert hat, die als mögliche Wege zur Verbesserung der Arbeit untersucht werden können, muss sie in die Technologie, die Weiterbildung, die Führung und andere Voraussetzungen investieren, die zur Unterstützung der neuen Praktiken erforderlich sind. Wenn jüngere Arbeitnehmende mit weniger Erfahrung am ehesten dazu neigen, das Unternehmen zu verlassen, müssen Arbeitgebende in die Verbesserung der Einarbeitung und Karriereplanung investieren. «Alte» als Mentoren unterstützen dabei, damit sich die Menschen, welche die Zukunft der Belegschaft darstellen, mit dem Unternehmen verbunden und engagiert fühlen. Sie helfen ihnen erfolgreich zu sein, noch bevor sie den Betrieb frustriert wieder verlassen.

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Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
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