Blog, Industrie 4.0

#258 – Rückkehr der «Alten»

Neuorientierung nach der Zwangspause
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, Rituale bilden die Struktur im Alltag. Am Arbeitsplatz ist es beispielsweise der gewohnte Austausch beim Morgenkaffee. Dass dieser auf behördliche Anordnung plötzlich nicht mehr stattfinden durfte, traf uns alle. Wir «Alten» (Ü65) wurden von einem Tag auf den anderen zur Hypothek. Das chronologische anstelle des biologischen Alters, wurde in einem nie dagewesenen Masse strapaziert. Heute, nach zwei Jahren «Auszeit» müssen wir uns erneut zurechtfinden. Vieles ist nicht mehr wie es war, die Gesellschaft hat sich mit der Pandemie verändert und auch weiterentwickelt. Nach dem digitalen Austausch auf Distanz, müssen uns erst wieder an die neue Arbeitswelt nach Corona herantasten. Viele von uns bekunden Mühe mit Veränderungen, nicht nur vulnerable Personen tragen weiterhin Masken und möchten nicht mehr ins Büro zurückkehren.

Die Metapher der schöpferischen Zerstörung
Der in der NZZ vom 18.Februar 2022 publizierte Essay von Sergio Aiolfi über den österreichischen Nationalökonomen und Politiker Joseph Alois Schumpeter (1883-1950) mit dem Titel «Der letzte Atemzug des Kapitalismus» passt zum absehbaren Ende der ausserordentlichen Lage in der Pandemiebekämpfung. Firmen, die sich im «unablässigen Kampfzustand» befinden, in einem «ewigen Sturm» stehen und «die Wirtschaftsstruktur unaufhörlich von innen heraus revolutionieren» und damit einen «Prozess dauernder Veränderung» auslösen: Diese dramatischen Umschreibungen der Existenz eines Unternehmens stammen von Joseph A. Schumpeter, einem der renommiertesten Ökonomen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bekannt war Schumpeter vor allem für seine Bewunderung der Schaffens- und Innovationskraft der Entrepreneure. Er wies allerdings auch darauf hin, dass Neuerungen die Tilgung von Altem zur Folge haben, und kreierte so das paradoxe Begriffspaar der «schöpferischen Zerstörung».

Gerhard Richter (90), deutscher Maler, Bildhauer und Fotograf. Fotoportrait Schniewind, 1964

Konflikt um Home-Office-Tage zeichnet sich ab
Das Team der online Plattform KMU_today vom 11. Februar 2022 schreibt dazu: Das Ende der Home-Office-Pflicht bedeutet nicht das Ende von Home-Office. Darüber, wie häufig die Arbeitnehmenden aber vor Ort sein sollen, gehen die Meinungen auseinander. Dass Home-Office auch über die Pandemie hinaus eine wichtige Rolle spielen wird, zeigt eine von JobCloud durchgeführte Umfrage, bei der mehr als 10’000 Arbeitnehmende sowie 800 Unternehmen teilgenommen haben. Demnach gaben über 30 Prozent der befragten Unternehmen an, dass die meisten Tätigkeiten ihrer Mitarbeitenden von den Voraussetzungen her im Home-Office erledigt werden könnten. Auf Seite der Arbeitnehmenden hingegen glaubt etwa die Hälfte, dass ihre Arbeit grundsätzlich im Home-Office verrichtet werden könnte. Auch wenn es Berufe gibt, die aus offensichtlichen Gründen nicht von zu Hause ausgeübt werden können, so hat sich bei vielen Stellen mit vermeintlich obligatorischer Präsenz am Arbeitsplatz gezeigt, dass diese teilweise aus der Ferne erledigt werden können, erklärt Davide Villa, CEO von JobCloud. Während nur 5 Prozent der Befragten vollständig auf Home-Office verzichten möchten, ist mit zunehmendem Alter der Wunsch nach Home-Office und Flexibilität grösser. Deutlich zurückhaltender sind dagegen die Arbeitgebenden. Nur ein Viertel von ihnen sind bereit, ihren Mitarbeitenden mindestens die Hälfte der Arbeitszeit im Home-Office zu gewähren. Unabhängig der Unternehmensgrösse wären jeweils 10 Prozent bereit, ihren Mitarbeitenden völlige Flexibilität zu gewähren, beziehungsweise eine Home-Office-Tätigkeit überhaupt nicht zu ermöglichen.

Kampfzone Home-Office. Bild: trendir.com

Coworking in der Schweiz
Die Pandemie hat Arbeitsgewohnheiten verändert und die Digitalisierung beschleunigt: «Nur jeder Achte will zurück ins Corporate Office», sagt Claudius Krucker, Co-Präsident des Verbands Coworking Switzerland. Mehr als die Hälfte will im Home-Office oder an anderen Orten arbeiten. Tatsächlich werden Flexibilität und Autonomie für Angestellte immer wichtiger. Wer als Arbeitgeber attraktiv bleiben will, muss reagieren – etwa mit neuen Arbeitsmodellen. Lange mieteten sich vor allem Selbstständige in Coworking Spaces ein. Dies hat sich gewandelt und das Angebot wird immer mehr von KMU genutzt. Coworking Spaces bieten flexible Arbeitsplätze – was permanente Büroräume einspart. Für ein Team-Meeting lässt sich der Raum in einem Coworking Space nach Bedarf anmieten. Mitarbeitende die nicht jeden Tag ins Büro pendeln wollen, finden alternativ flexibel anzumietende Arbeitsplätze in der Nähe ihres Wohnortes. Diese sind meist besser ausgestattet als das Home-Office und wenn ähnliche Branchen vertreten sind, ermöglichen mehr Austausch und eine bessere Vernetzung. Idealerweise sind die Standorte mit dem ÖV erreichbar oder befinden sich in der Nähe von Standplätzen für Mobility Fahrzeuge.

Die Mitarbeitenden ins Büro locken
In vielen Schweizer Unternehmen wird in diesen Tagen überlegt und entschieden, wie es in der Arbeitswelt nach Corona weitergehen soll. Unter dem Titel «zurück ins Büro» bis «volle Flexibilität»: Der Startschuss für die Arbeitswelt nach Corona ist gefallen, beleuchten Matthias Benz, Dominik Feldges, Giorgio V. Müller in der NZZ vom 18. Februar 2022 verschiedene Ansätze. Banken und Versicherungen möchten ihre Mitarbeitenden grundsätzlich wieder zurück im Büro haben. Die Gründe sind der persönliche Austausch zwischen Mitarbeitenden und Kunden, aber auch die gelebte Firmenkultur untereinander. Auch manche Klein- und Mittelbetriebe (KMU) finden, dass man die Mitarbeitenden ab März 2022 zurück ins Büro beordere. Das Arbeiten sei effizienter und der kreative Austausch grösser, wenn sich alle im Unternehmen befänden. Und doch wird bei fast allen beleuchteten Unternehmen, darunter auch Industriefirmen, Home-Office künftig ein Bestandteil sein. Mancherorts überlegt man sich sogar, wie man die Belegschaft am besten vom Home-Office zurück an die angestammten Büroarbeitsplätze locken könnte. Mittels attraktiv gestalteter «Begegnungszonen», gemeinsamem Frühstücken oder gratis Pizza am Mittag, versucht man die Unternehmenskultur und den Teamgeist, die während der Pandemie gelitten haben, zu stärken.

Herantasten an die neue Arbeitswelt
Insgesamt, so schreiben die Autoren, werden sich die Unternehmen in den nächsten Monaten an die neue Arbeitswelt nach Corona herantasten müssen. Manche haben schon klare Vorstellungen von den neuen Arbeitsmodellen, andere erarbeiten sie erst. Manche werden jedem Büromitarbeitenden einen fixen Arbeitsplatz im Unternehmen bieten, andere setzen auf das Modell von «shared desks», bei dem sich Teams oder Einheiten die Bürotische teilen. Klar ist aber: Die Möglichkeit zum Home-Office wird ihren Platz in der Arbeitswelt auch nach der Pandemie behalten.

«kompetenz60plus.ch»
Mit unserer Erfahrung aus der analogen, zusammen mit Erkenntnissen aus der digitalen Welt, sind wir «Alten» gerne bereit, diese mit KMU’s oder im Team mit jungen Forschenden und Wissenschaftern auf Augenhöhe zu teilen. Suchen Sie einen Mentor, eine Mentorin oder Coach, «kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


Ein Projekt «von uns. für uns.»
Web: kompetenz60plus.ch I Mail: werner@kompetenz60plus.ch I
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