Blog, Industrie 4.0

#268 – «Alte» und das Metaversum

Die Parallelwelt des Metaverse
Für uns «Alte» ist die reale Welt über alle Zweifel erhaben. Wir sind im «physischen» Universum aufgewachsen, darüber hinaus gab es höchstens «übernatürliche», religiöse Aspekte oder Träume. In meiner Arbeit als Architekt galten immer die physikalischen Zwänge, Gebäude sind nicht schwerelos, Materialien sind «Be-Greifbar». Wenn aber die ersten Bauten, die man mit viel Herzblut verwirklichen konnte, plötzlich abgebrochen werden um neuen Ideen Platz zu machen, stimmt das nachdenklich. Die reale Welt ist vergänglicher als man glaubte, mit der Folge einer scheinbar grenzenlosen Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Nun erschliessen sich mit der Digitalisierung, zumindest in der Forschung, plötzlich neue Möglichkeiten einer virtuellen «Parallelwelt», das «Metaverse». Ein Metaversum ist ein konsistenter und persistenter digitaler Raum, der durch die Konvergenz von virtueller, erweiterter und physischer Realität entsteht. Auch wenn die Begrifflichkeiten, was genau diesem virtuellen Raum zuzuschreiben sei, noch unklar sind, müssen wir uns damit befassen. Vor 25 Jahren glaubte nämlich der Primarlehrer meines Sohnes auch nicht an den Erfolg des Internets.

2020 OPUS, Hotel ME Dubai und Bürokomplex, Zaha Hadid Architects, Burj – Khalifa, Dubai UAE

«Alte» als Gralshüter
Die Digitalisierung ermöglicht eine nahezu sofortige, kostenneutrale oder kostenlose und einwandfreie Möglichkeit, Menschen, Maschinen, Geräte, virtuelle und physische Objekte weltweit miteinander zu verbinden. Die damit einhergehende «Entbündelung» schafft oft mehr Wert für die Kund:innen als für die Unternehmen, indem diese nur das bestellen und kaufen, was sie wirklich brauchen. Es hat 95’000 Jahre gedauert von der Sprache (1.0) zur Schrift (2.0), 4500 Jahre von der Schrift zum Buchdruck (3.0) und noch knapp 500 Jahre vom Buchdruck zur Digitalisierung (4.0). Uns «Alten» kommt dank unserer Erfahrung die Aufgabe der Gralshüter des Realen im Virtuellen zu.

Paradigmenwechsel in der nächsten Dekade
«Zukunft Bauen», die Verlagsbeilage der NZZ am Sonntag vom 1. Mai 2022, realisiert durch NZZ Content Creation im Auftrag von Brand Relations war dem Thema Metaverse gewidmet. In einem guten Dutzend Beiträgen äusserten sich Expert:innen aus der Software-, Bau- und Immobilienbranche zu digitalen Anwendungen und Veränderungen am Markt. Das Gebiet ist vor allem für unzählige Startups interessant. Zu reden geben aktuell die virtuellen Welten, ein millionenschweres Ökosystem von NFT (Non-Fungible Token), in denen neben Kunstwerken auch Grundstücke und Immobilien erworben und gehandelt werden. Ohne Makler, Banken oder Versicherungen im herkömmlichen Sinne, bezahlt wird digital in Cryptowährungen. Gemäss Martha Böckenfeld, Thought Leader Mertaverse und Advisory Board Member bei GenTwo, werden Metaverse-Immobilien die reale mit der virtuellen Welt vereinen und wie die damalige Einführung des Internets, in der nächsten Dekade einen Paradigmenwechsel bewirken.

Noch zählt die Schwerkraft
Andrea Leu, Co-Geschäftsführerin von Bauen digital Schweiz / buildingSMART Switzerland, sieht im Metaverse vor allem parallelen zur durchgängigen und umfassenden Digitalisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft, von der die Branche noch ziemlich weit entfernt ist. Smarte Gebäude sind vernetzte Gebäude welche sie mit dem Nervensystem eines Menschen vergleicht, mit Sensoren, Netzwerken und Hirn. Informationen werden genau wie beim Menschen erfasst, übermittelt, ausgewertet und lösen automatisch Aktionen aus. Die Vorteile von smarten Gebäuden sind zusätzlicher Komfort, bessere Energieeffizienz und nachhaltige Bewirtschaftung. Dazu ist aber die konsequente Kooperation aller Akteur:innen entlang der gesamten Wertschöpfungskette notwendig. Dies bedingt Kulturveränderungen und neue Rollenverständnisse, denn nur gemeinsam werden wir smart.

2017, Leeza SOHO-Towers, Peking, China, Blick ins weltgrösste Atrium, Zaha Hadid (1950 – 2016).

Virtuelle Realität dank digitalen Zwillingen
Für Leslie Schibler, Leiterin Neubau und Mitglied Management-Team bei Walde Immobilien, stehen die Bedürfnisse der Kund:innen im Zentrum. Mit der VR-Brille (Virtuelle Realität) sollen potenzielle Käufer:innen im digitalen Zwilling ihr zuhause bereits während der Planung erleben können. Mit Hilfe von Materialkonfiguratoren bestimmen die Kund:innen Oberflächen und Ausbauten, die nahtlos ins BIM-Modell (Building Information Modeling) zurückgespielt werden. Neben den Vorteilen für die spätere Bewirtschaftung sind die Daten als zukünftige Referenz im Metaverse gespeichert.

Weg von analogen Strukturen dank sicherem Metaverse
Stephanie Züllig sieht im Metaverse mehr als nur einen kurzfristigen Hype. Sie ist Vizepräsidentin des Verwaltungsrats von pom+Consulting – Prozesse sinnvoll digitalisieren, Daten intelligent verknüpfen – und neue Technologien gewinnbringend einsetzen. Züllig glaubt, trotz vieler offenen Fragen, mittelfristig an eine Ablösung analoger Bürostrukturen. Noch gibt es kein vollumfängliches Protokoll, das die virtuellen Welten sicher miteinander verbindet, oder Standards für die digitalen Besitzrechte. Sie stellt fest: Wir stehen zunehmend vor Herausforderungen die wir noch nicht einmal kennen und so bleibt der Wunsch nach einem sicheren Metaverse.

Entstehung eines riesigen Uni- oder Omiversums
Traditionelle Immobilien- und Finanzdienstleister schliessen sich zusammen, um die einzelnen Puzzleteile nahtlos zusammenzufügen und Synergien zu nützen. Das Ziel dieser Gruppierungen ist eine erhöhte Transparenz und Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette als Dienst an den Kund:innen. Als das «nächste grosse Ding» beschreibt Daniel Rutishauser, Partner bei Inacta AG in Zug, das Metaverse, die Verschmelzung von physischer und digitaler Welt in der Bau- und Immobilienbranche als Chance. Dank BIM, also die vernetzte Planung, würde die Branche nicht gänzlich bei Null anfangen. Er sieht den Vorteil des Metaversums in seiner Dezentralität, in dem einzelne Plattformen zu einem riesigen Uni- oder Omniversum zusammenschmelzen, das theoretisch weltweit und von jedem und jeder zugänglich ist. (Stichwort Wikipedia).

2012, The Heydar Aliyev Center in Baku, Azerbaijan. Zaha Hadid (1950 – 2016), Irakische Architektin

Interdisziplinarität und Innovation
Auch die ganz grossen Player im schweizer Immobilienmarkt merken, dass Teamwork und Eco-Systeme uns Wege in die Zukunft weisen. Innovation, Transformation und Kollaboration sind die Schlüsselbegriffe, ausgelöst durch die Digitalisierung. Neben Fachkompetenz werden auch die weichen Faktoren, wie Sozialkompetenz, also ob jemand ins Team passt, bei der Stellenbesetzung berücksichtigt. Gemeinsame Werte wie Kommunikation auf Augenhöhe, gemeinsame Grundphilosophie, gegenseitiges Vertrauen oder Mut zur Veränderung sind wichtig. Denn die neue Generation Berufsleute sind keine Befehlsempfänger:innen, sie wollen involviert sein bei Entscheiden. Dazu gehören auch Interdisziplinarität und Innovation im Team.

Das «Augmented Metaverse» (erweitertes Metaversum), wie Google Earth
Nilson Kufus, CEO des Zürcher Startups Nomoko arbeitet an einer Datenbank vergleichbar mit Google Earth, aber mit viel mehr (Detail-)Informationen und Möglichkeiten. Als Beispiel nennt er steigende Materialpreise und Lieferschwierigkeiten, Probleme welche die automatisierte Plattform der Zukunft lösen muss. Dazu steht eine Vielzahl an Partnern mit Alternativen bereit. Das System soll selbstständig umfassende Analysen machen. Seine 2015 gegründete Plattform Praedia hat zum Ziel, die Schweiz (und die ganze Welt?) als digitalen Zwilling zu erfassen. Dies als Hilfe für Architekt:innen, Ingenieur:innen, Designer:innen und Investoren beim nachhaltigen Planen und Bauen. Er spricht dabei von einem «Augmented Metaverse», des erweiterten Universums, Interaktion der physischen mit der digitalen Welt.

«kompetenz60plus.ch»
Mit unserer Erfahrung aus der analogen, zusammen mit Erkenntnissen aus der digitalen Welt, sind wir «Alten» gerne bereit, diese mit KMU’s oder im Team mit jungen Forschenden und Wissenschaftern auf Augenhöhe zu teilen. Suchen Sie einen Mentor, eine Mentorin oder Coach, «kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!

Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator


Ein Projekt «von uns. für uns.»
Web: kompetenz60plus.ch I Mail: werner@kompetenz60plus.ch I
Linkedin: kompetenz60plus.ch | facebook: wernerkruegger