«Kein Wunder, sind die Leute wütend» Auszugsweise aus dem Interview:
NZZ, Samstag 12. November 2016
Folgen der Digitalisierung
Im Interview mit dem amerikanische Ökonom David Autor befragten Thomas Fuster und Jürg Müller diesen zur aktuellen Situation in den USA, einen Tag vor der Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten. David Autor’s Forschung kreist um Themen, die breite Bevölkerungskreise sowohl faszinieren als auch beunruhigen. Dazu zählen etwa die Folgen der Digitalisierung und die Fortschritte bei der künstlichen Intelligenz. Der Professor des Massachusetts Institute of Technology (MIT) setzte sich schon früh mit dem technischen Wandel und dessen Konsequenzen auseinander. In den 1990er Jahren erforschte er die Auswirkungen von Computern auf die Wirtschaft. Derzeit befasst sich der Wirtschaftswissenschafter mit der Frage, wie sich der technologische Fortschritt und die Globalisierung am Arbeitsmarkt auswirken; seine Beiträge dazu wurden mit renommierten Preisen ausgezeichnet.
Jean Tinguely, Méta-Harmonie 1979, Tinguely Museum Basel 2016
«Kein Wunder, sind die Leute wütend»
In der Tat wurden in den letzten 200 Jahren zahlreiche Prozesse automatisiert. Noch im Jahr 1900 entfielen 41% der Beschäftigung auf die Landwirtschaft, heute liegt die Quote unter 2%. Vor hundert Jahren war es schwer vorstellbar, was diese Leute ausserhalb ihrer Farmen arbeiten könnten. Schliesslich wurden Traktoren, Fertigungslinien und Computer ja vor allem erschaffen, um menschliche Mühen und Unzulänglichkeiten zu ersetzen. Dennoch sind die Beschäftigungsrate und die Zahl der Arbeitskräfte über die vergangenen 125 Jahre gestiegen, und zwar in fast jedem Jahrzehnt.
Das wirft ein Paradox auf
Die meisten Jobs verlangen eine Vielzahl von Fähigkeiten; gefordert sind Gehirn, Muskeln, Urteilskraft, Inspiration und vieles mehr. Automatisierungen zielen aber meist nur auf eine einzige Fertigkeit – die anderen bleiben unberührt. Wenn nun aber alle Fähigkeiten gemeinsam nötig sind, hat die Automatisierung einer einzigen zur Folge, dass die anderen an Wert gewinnen.
Routineaufgaben sind am ehesten automatisierbar
Daten der vergangenen 30 Jahre zeigen, dass Routineaufgaben am stärksten verdrängt wurden. Software folgt ja meist einem klaren Skript. Automatisiert wurden daher viele Jobs in der Produktion, aber verstärkt auch Büroarbeiten und administrative Aufgaben. Diese Berufe liegen bezüglich Lohn und Qualifikation in der Mitte des Arbeitsmarktes. Der Anteil dieser Stellen an der Gesamtbeschäftigung ist in den Industriestaaten klar zurückgegangen.
Ganz verschwinden werden sie aber nicht
Die Jobs der Mittelschicht werden nicht mehr dieselben sein wie vor 30 Jahren. Damals nahmen Sekretärinnen einfach Anrufe entgegen und erstellten Kopien; Arbeiter füllten etwas in Maschinen ein oder bedienten einen Hebel. Das hat sich geändert: Diese Arbeitnehmenden wurden zu Problemlösern, Organisatoren, Koordinatoren. Die Tätigkeit eines Fabrikarbeiters gleicht heute jener eines Programmierers. Diese kontrollieren Maschinen und sind viel stärker in die Lösung von Problemen involviert.
Wertvolle Arbeiten sind schwer automatisierbar
Einerseits Aufgaben mit hohem Abstraktionsgrad, wie sie etwa bei Ärzten, Krankenpflegern, Anwälten, Softwareentwicklern, Marketingexperten anzutreffen sind. Ein Teil davon ist zwar automatisiert, die Stelleninhaber agieren aber stark komplementär zu diesen Automatisierungen, etwa durch induktives Denken, Kommunikation, Expertenwissen. Der einfachere Zugang zu Information macht diese Arbeitnehmer produktiver und damit auch wertvoller.
Dies erklärt den Aufstieg von Leuten wie Donald Trump
In den USA waren die vergangenen 35 Jahre miserabel für Arbeiter ohne Universitätsabschluss, besonders für solche mit weisser Hautfarbe. Verdrängt werden vor allem Beschäftigte in mittleren Positionen. Der Arbeitsmarkt wird immer polarisierter. Auf der einen Seite gibt es viele gutbezahlte, hochqualifizierte und interessante Stellen. Auf der anderen Seite stehen schlechter entlöhnte und niedrigqualifizierte Stellen, bei denen es quasi darum geht, dem Wohl und Komfort der Wohlhabenden zu dienen. Für die weissen Männer ohne Universitätsabschluss ging es mehrheitlich bergab. Ihre Möglichkeiten haben sich dramatisch verschlechtert. Das verarbeitende Gewerbe war immer eine männerdominierte Branche, und genau diese Arbeiter wurden hart vom Wandel getroffen.
Die «weissen» Männer sind daran teilweise auch selber schuld
Die Welt hat sich verändert – und die Männer nicht rasch genug. Es ist Teil der männlichen Identität, sie sind tief verbunden mit der Herstellung von Gütern. Sie wollen zupacken, Dinge mit den Händen erledigen. Zweifelsfrei steht fest, dass sich über die vergangenen 35 Jahre die Reallöhne und die Arbeitsplatzsicherheit für Niedrigqualifizierte verschlechtert haben. Die USA haben heute bei den Männern die zweittiefste Beschäftigungsrate aller OECD-Staaten. Die Qualität der Primär- und Sekundarstufe muss verbessert werden und die berufliche Bildung verdient einen besseren Ruf.
Es ist wichtig, dass unsere Volkswirtschaft und deren Arbeitnehmer aus Furcht vor Neuem und damit nicht immer fürs Erste Verständlichem wie heute Digitrans und Robotik sich gegenüber Entwicklungen verschanzen. Umso wichtiger erachte ich als Zielsetzung in unserer Arbeitswelt eine Symbiose von beruflich aktiven Jungen, mit Nähe zum neusten Wissenschaftsstand, hier und aus dem aktiven Berufsleben ausgeschiedenen älteren Semestern mit Erfahrung dort als wichtig, denn so kann vermeiden werden, dass die Jungen die Fehler welche die «Alten» machten, unnötiger Weise wiederholen. Dies scheint mir ein Mittel damit die Schweizer Wirtschaft weiterhin die Nase vorn hat im immer härteren globalen Wettbewerb. Diese Symbiose steuert das Beratungsnetzwerk adlatus http://www.adlatus-zh.ch an.