Blog, Industrie 4.0

#353 – Wir «Alten» sind öfter im Stress

Weshalb wir «Alten» etwas öfter gestresst sind
Die letzten Tage waren für mich unangenehm stressig: Kreditkartendaten gestohlen, zum alljährlichen notwendigen Update der Kundenkarte an der Supermarkt-Kasse das Passwort vergessen, Ärger mit der Hausbank und trotz besserem Wissen auf eine Phishing-Mail hereingefallen. Wir «Alten» tun uns, öfter als in jungen Jahren, oft schwer mit Ereignissen die unseren eingespielten Rhythmus stören. Unsere Komfortzone ist in Gefahr, obwohl unser Gehirn immer noch über unglaubliche Speicherkapazitäten verfügt. Allerdings sind nicht alle diese Informationen auf einmal zugänglich. Mit zunehmendem Alter verlieren wir nicht unser Gedächtnis, aber die Kapazität für das «Multitasking». Die Fähigkeit, mit dem Telefon eingeklemmt zwischen Ohr und Schulter ein Gespräch mit dem Anwalt zu führen, gleichzeitig die Einkäufe einzupacken, zu bezahlen und auf das Kind aufzupassen.

Auszugsweise: Nicole Byers, TEDxSUNYUpstate • April 2023
Gemäss einem Artikel in «Scientific American» kann das menschliche Gehirn schätzungsweise 2,5 Millionen Gigabyte an Daten speichern Das sind etwa 5’000 iPhones. Doch vergessen wir ein Passwort, den Namen eines Bekannten, oder wohin wir die Brille verlegt haben, wird uns bewusst, dass der Zugriff auf den Speicher nicht immer einfach ist. Wir unterscheiden zwischen Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis. Ähnlich wie die Festplatte und das RAM (randem access memory) in unserem Computer, haben diese Systeme ihre Grenzen. Eine Reihe von Faktoren in unserem täglichen Leben können deshalb unsere Gedächtnisleistung beeinflussen.

Kleine «Aussetzer» gehören dazu
Wir «Alten» können uns vielleicht nicht mehr erinnern, gewisse Aufgaben bereits erledigt zu haben und andere Vorfälle kommen uns fast automatisch in den Sinn. Das Gehirn hatte die Abläufe gelernt, ohne dass wir es merkten. Sogenannte «Trigger», Geräusche oder Düfte, erwecken in uns die schönsten Erinnerung oder bringen Gefahren zurück ins Gedächtnis. Dabei erfordern gewisse Vorgänge mehr Gehirnleistung und Anstrengung, um sie abzurufen. Wie der Versuch, sich an ein neues Passwort zu erinnern. Da manche Erinnerungen mehr Gehirnleistung und Anstrengung erfordern, um sie abzurufen, sind sie auch anfälliger für Störungen. Speziell wenn wir in unseren Gedankengängen unterbrochen werden, zum Beispiel beim Gespräch mit unserem Nachbarn auf dem Weg zur Bushaltestelle, können wir uns kurzfristig nicht mehr an das erinnern, wofür wir eigentlich losgezogen sind. Das Kurzzeitgedächtnis ist im Gegensatz zur Grösse der 5’000 iPhones eher klein und mit zunehmendem Alter entdecken wir vermehrt den einen oder anderen «Aussetzer».

Gottfried Leo Böhm, deutscher Architekt (1920-2021): Decke im Mariendom, Neviges DE, 1968
Bild: ©Laurian Ghinitoiu

Stress bringt uns durcheinander
Ein Problem ist sicher, dass wir in einer sehr ablenkenden modernen Welt leben. In einer Arbeitsbesprechung versuchen wir uns an alle Details eines Projekts zu erinnern, um diese mit dem Team teilen zu können. Aber zur selben Zeit achtet unser Gehirn darauf, was die Kolleg:innen sagen und wir versuchen alle Benachrichtigungen zu ignorieren, die andauernd auf unserem Smartphone auftauchen. Zudem fragen wir uns, ob nicht bald eine Pause eingelegt wird, denn wir könnten wirklich noch einen Kaffee gebrauchen. Das Ignorieren all dieser Ablenkungen mit konkurrierenden Prioritäten verbraucht viel Energie. Wenn unser Gehirn mit 400 Dingen jongliert, ist es wahrscheinlicher, dass wir einen Speicherfehler machen und während der Besprechung den Namen eines Kollegen oder einer Kollegin vergessen. Solche Fehlleistungen machen uns den Rest des Tages zu schaffen, was uns zu einer weiteren Angewohnheit bringt, welche das Gehirn auslaugt oder durcheinander bringt – den Stress.

Belastungen verbrauchen Ressourcen
All dieser Alltagsstress, der Leistungsdruck und die Termine beanspruchen auch Platz im Gehirn und zwingen dieses zu einer Menge mentalem Multitasking. Wenn wir gleichzeitig über die Anrufe nachdenken, die wir morgen tätigen müssen, die Ideen für ein Projekt, an dem wir arbeiten und wen wir am Abend treffen sollten, sind wir oft überfordert. Ein Artikel der Queen’s University schätzt, dass wir jeden Tag 6’200 Gedanken haben. Da ist viel Potenzial für Ablenkungen. Gemäss einer Studie der University of California, versuchen wir diesen Zustand auszugleichen, indem wir «schneller» arbeiten. Aber dadurch fühlen wir uns noch gestresster, überwältigt von unseren endlosen Aufgabenlisten und arbeiten schlussendlich weniger effizient. Gemäss einem Artikel in der Zeitschrift «Science of Learning» macht Stress es unserem Gehirn auch schwer, Probleme zu erkennen und über kreative Lösungen nachzudenken. Wir wissen aus Erfahrung, wie finanzieller Druck oder Veränderungen im Familienumfeld, unser Gedächtnis durcheinander bringen und auch belasten können. Dadurch wird es wahrscheinlicher, dass wir Fehler machen und es wird schwieriger, sich an die Dinge zu erinnern, an die wir uns erinnern müssten. Speicherfehler sind also normal, vor allem, wenn man müde und überarbeitet ist oder eben gestresst.

Intensives Nachdenken blockiert das Gehirn
Als Gegenmassnahme versuchen wir einfach intensiver nachzudenken, aber das klappt nicht immer. Wir versuchen beispielsweise den Namen eines Films oder eines Schauspielers zu erwähnen, der uns direkt auf der Zunge liegt, aber wir können uns augenblicklich nicht mehr daran erinnern. Dann fällt er uns vier Stunden später spontan ein, während der Tramfahrt nach Hause. Völlig normal, auf Grund eines Prozesses der Konkurrenzhemmung der Neuronen im Gehirn. Wenn wir versuchen, zu sehr über ein ganz bestimmtes Erinnerungsstück nachzudenken, wie ein Name oder den eingangs erwähnten Kundenkarten-Code, werden die Gehirnzellen in diesem Teil unseres Gehirns überlastet und blockiert. Sie brauchen Zeit zum Aufladen, weshalb die Erinnerung vier Stunden später spontan zurück kommt. Alles ist immer noch da, quasi im Backup, nur der Zugangsweg ist erschöpft und benötigt Zeit zum Zurücksetzen.

Kleine Pause und Neustart
Wenn wir uns also vergesslicher als sonst fühlen, oder das Gehirn sich festgefahren anfühlt, den Speicher nicht finden kann, den es braucht, ist das ein Zeichen für einen benötigten Neustart. Da hilft es, ein paar Minuten über etwas anderes nachzudenken. (Das geht natürlich schlecht, wenn man an der Kasse steht und hinter sich die Warteschlange drängt.) Wenn wir uns kurzzeitig ablenken, an etwas anderes denken, geben wir den Gedächtniszentren die Möglichkeit, sich aufzuladen und zurückzusetzen. Es hilft aufzustehen und eine echte Pause zu machen, bei einem Spaziergang durchs Büro oder einem Spiel am Töggelikasten. Diese Mikropausen erfrischen unsere mentalen Ressourcen und geben dem Gehirn die Energie und Konzentration zurück, die es braucht um Informationen zu finden. Gedächtnisfehler sind kein Zeichen dafür, dass wir «Alten» (wie auch die Jungen) den Verstand verlieren. Sie sind ein Zeichen dafür, dass unser gestresstes Gehirn eine kleine Pause und einen Neustart braucht.

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Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
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