Heraus aus der Schockstarre
Ohne Vergangenheit gibt es keine Zukunft. Deshalb ist es wichtig, auch in dieser schwierigen Zeit, die «Alten» nicht einfach wegzusperren. Denn gemäss einer Schlagzeile vom 4. Februar 2021, erreicht die Schweiz beim aktuellen Tempo ihr Impfziel erst 2023. Eine lange Zeit, die wir nutzen müssen um bestehende Muster zu überdenken. Bund und Kantone hatten in den vergangenen Jahrzehnten die Vorteile der Digitalisierung sträflich vernachlässigt, das rächt sich heute und lässt sich nicht so schnell korrigieren. Mit der Corona-Pandemie wurde uns allen das Ausmass unzähliger Schwachstellen bewusst. Um die Seuche unter Kontrolle zu kriegen bräuchten wir verlässliche Statistiken und zeitnahe Rückmeldungen, verfügen jedoch über weite Teile nur über komplizierte (händische) Abläufe und für eine sinnvolle Zusammenarbeit inkompatible Systeme. Der Aufbau der notwendigen digitalen Infrastruktur wird das Land nochmals einige Milliarden Franken kosten und wird Jahre dauern. Diese Erkenntnis relativiert für mich auch die Diskussion um eine (staatliche) elektronische Identitätskarte. Doch Technologie ist nur ein Aspekt von vielen für die erfolgreiche Neuausrichtung unseres Lebens mit der Pandemie. Veränderungen müssen bekanntlich von «Oben» angestossen werden und da fehlt es oft an Mut und Verständnis. Echte Innovation bedingt Neugier, Kompetenz und kalkulierte Risikobereitschaft. Das Virus zwingt uns, neue Visionen zu entwicklen und diese entsprechend verständlich zu kommunizieren. Hilfreich ist dabei der Austausch mit Sparringspartnern die nicht nur aus dem eigenen Umfeld stammen. Wir «Alten» verfügen dazu über eine breite (Lebens-)Erfahrung, auch Altersweisheit genannt. Die aktuell geltenden Einschränkungen im sozialen Bereich erschweren jedoch den Austausch zwischen den Generationen merklich.
Woher stammen die guten Ideen?
Daniel Ammann lässt diese Frage in seinem Essay, NZZ vom 7. Februar 2021, von Schriftstellern beantworten. Sie sind diejenigen, die ihr Leben der Kreativität verschreiben und sich darauf verstehen, die passenden Worte zu finden. Wir alle sind besessen von Innovation und Veränderung. Die Suche nach dem Neuen und nie Dagewesenen treibt uns an. Wenn Autorinnen wie Agatha Christie oder Anne Tyler zu Protokoll geben, die besten Einfälle kämen ihnen bei monotonen Hausarbeiten wie dem Abwaschen und Staubsaugen, kann ich für mich noch die morgendliche Dusche hinzufügen. Die schottische Autorin A. L. Kennedy spöttelt über die Frage nach dem Woher von Ideen: Man werde verdächtigt, diese «in abgelegenen Gassen unterm Ladentisch einer schmuddeligen Inspirationshöhle» erworben oder billig im Ausland besorgt, wo sie «unter grausamen und unhygienischen Bedingungen» produziert würden. Die Verklärung des kreativen Prozesses hängt mit dem Umstand zusammen, dass uns die beschwerlichen Lehrjahre der Meisterinnen und Meister ebenso verborgen bleiben wie die Entstehungsgeschichte ihrer Werke. Ihre Kompetenz, Ausbildung, Weiterbildung und Erfahrung sind das Resultat jahrelanger harter Arbeit.
Talent wird masslos überschätzt
In ihrem reich illustrierten Band «Kreativität» räumen David Eagleman und Anthony Brandt zuerst einmal mit der Vorstellung auf, alles Neue trete aus heiterem Himmel in Erscheinung. «Neue Ideen werden nicht von einem Blitzschlag entzündet, sondern entstehen aus dem Zusammenspiel von Abermilliarden winzigen Funken im Dunkel des Gehirns.» Jedes Novum, ob in Wissenschaft, Technik oder Kunst, hat eine lange Vorgeschichte. Jede Errungenschaft knüpft an Bisheriges an. Das Neue geht aus dem Alten hervor, indem wir Vertrautes variieren, umkrempeln oder auf ungewohnte Weise mit anderem kombinieren. Den Wissenschaftsjournalisten Steven Johnson interessieren dabei auch die Gelingensbedingungen und Begleitumstände. Er identifiziert sieben Muster, die den Fortschritt begünstigen und ideale Voraussetzungen für bahnbrechende Entwicklungen schaffen. Vernetzung und Austausch erweisen sich in gleicher Weise als hilfreich wie Lernen aus Irrtümern oder soziale Verdichtung in urbanen Siedlungen. Diese sind aktuell durch staatlich verfügte Corona-Massnahmen stark eingeschränkt. Wer diese Gesetzmässigkeiten kennt und zu nutzen weiss, verfügt noch nicht über eine Erfolgsgarantie, kann aber Türen zum Nächstmöglichen aufstossen und dem erfinderischen Zufall etwas auf die Sprünge helfen. Talent wird dabei masslos überschätzt, denn gemäss der Psychologin Angela Duckworth führen Willenskraft, Ausdauer und Zielstrebigkeit zum Erfolg – Einsatz zählt dabei doppelt. Mag sein, dass die guten Ideen sich gelegentlich unvermittelt einstellen. Aber man sollte auf sie vorbereitet sein und dafür sorgen, dass man zu Hause ist, wenn die Muse an die Tür klopft.
Zukunft hat Herkunft
Roman Bucheli schreibt in der NZZ vom 6. Januar 2021, wie aus der Vergangenheit «Zukunft» entsteht und werweisst wie viel uns fehlen würde, wenn unsere Vergangenheit und die Sehnsucht danach abhandenkämen. Bucheli sieht in der Vergangenheit einen konservativen Wert, ohne den es keine Zukunft gäbe. Demgegenüber zählt die Verachtung für das Hergebrachte gleichermassen zum rhetorischen Repertoire der Avantgarde, wie die etwas präpotente Selbstüberschätzung jener, die sich zur Speerspitze des Fortschritts erklären. Auch Elon Musk macht Zukunft aus Vergangenheit. Der Chef des Autobauers Tesla dankt vermutlich den grossen Automobilkonzernen, dass sie ihm den Vortritt gelassen haben beim Bau eines Elektroautos. Denn Elon Musk weiss nur zu gut, dass sein Tesla zwar cool aussieht, aber im Grunde, ausser der Nutzung digitaler Prozesse, durch und durch alte Schule ist. Automobile mit Elektromotoren gab es schon in den 1880er Jahren und so ein Tesla sieht nicht bahnbrechend anders aus. Vier Räder plus Steuerrad, Motorhaube, alles wie eh und je, sogar die Steckdose erinnert an den Benzintankdeckel von ehedem. Elon Musk verpackt das Alte neu und macht daraus ein Kultobjekt des fröhlichen Fortschritts, indem er die Vergangenheit zur besseren Zukunft erklärt. Musk baut die Zukunft nicht allein mit den aus sich selbst geschöpften originären Ideen, sondern mit den Trümmern und Versatzstücken der Vergangenheit, nur muss man diese als solche erkennen und folgerichtig kombinieren. Dazu gehört auch die «Intelligenz», die Software die uns das Leben erleichtern soll. Dafür braucht es unter Anderem auch die Weisheit und Erfahrung der «Alten» in unserer Gesellschaft.
Krisenerprobte und kompetente «Alte»
«kompetenz60plus.ch» ist ein Sammelbecken für kompetente Senioren, die sich ihrer Verantwortung gegenüber der jüngeren Generation bewusst sind und sich aktiv an der Diskussion über die Zukunft beteiligen wollen. Wir «Alten», Frauen und Männer, im Team auf Augenhöhe mit den «jungen Wilden», stellen unsere Erfahrung mit Leidenschaft zur Verfügung. Bitte bringen Sie sich ein und registrieren Sie Ihre Kompetenz kostenlos hier. Wir freuen uns auch über Ihre Kontaktnahme per Mail an: werner@kompetenz60plus.ch, oder hinterlassen Sie Ihren Kommentar weiter unten. Danke!
Werner K. Rüegger, dipl. Arch. SIA AIA
Projektadministrator und Initiator
Ein Projekt «von uns. für uns.»
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