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Erweiterte Realität

Augmented Reality, erweiterte Realität
Pokémon Go erfindet die Realität neu – déjà vue?
Auszugsweise NZZ am Sonntag, 17.7.2016, Marco Metzler

Spiele treiben Technologie voran
Google wollte 2013 die digitale mit der realen Welt verschmelzen, mit Google Glass: Die Computer-Brille sollte Trägern etwa GPS-Daten einblenden und so den Weg weisen. Doch Google scheiterte. Nun ist der Durchbruch ausgerechnet Pokémon Go gelungen – einem Handy-Spiel, in dem man virtuelle Monster in der realen Welt jagt. Games haben seit jeher Technologieschübe ausgelöst. Sie spornen Chiphersteller wie Intel an, schnellere Computer zu bauen. Dank Kinect – einer von Microsoft für Spielkonsolen entwickelter Steuerung – lernen nun auch selbstfahrende Autos und Roboter das Sehen. Man mag über die Monsterjäger lächeln, die derzeit mit dem Handy durch die Stadt irren. Aber sie sind es, die die technologische Entwicklung vorantreiben.

IKEA Katalog app
Eine ähnliche Anwendung besteht seit einigen Jahren mit der IKEA Katalog app. Diese lässt 3-D-Modelle von IKEA Produkten virtuell im Zuhause platzieren. Während die Kamera den Wohnraum scannt, werden die Möbel aus dem Katalog dank einer rafinierten Skalier- und Blickwinkelfunktion im Raum dargestellt und als Bild gespeichert.


Bild: WKR 2013

Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR) & Mixed Reality (MR)
Michael Crichton publizierte 1996 seinen Roman «Airframe». Die Norton Aircraft Mitarbeiterin in Kalifornien, Casey Singleton, verwendete darin zur Aufklärung technischer Defekte am Flugzeug eine Art Datenbrille, holographische Bilder im Zusammenhang mit einer Daten-DVD. Die Technologie der erweiterten Realität wird nachhaltig die Zukunft von Architektur, Design und unser Leben ganz allgemein beeinflussen.

Jagdfieber geweckt
Das Spiel Pokémon Go ist gratis. Um mehr Erfolg zu haben, lassen sich digitale Hilfsmittel hinzukaufen. Freemium heisst das Geschäftsmodell. Bald ist etwa der digitale Rucksack voll – einen grösseren gibt es nur gegen Geld. Anfangs hat man schnell Erfolg und gewinnt viele Erfahrungspunkte; später wird das stets herausfordernder. Der Sammeltrieb führt dazu, dass man alle 150 Pokémons haben will; gewisse sind künstlich verknappt – wie beim Panini-Bild-Album. Das weckt das Jagdfieber, wozu der Pokémon-Werbeslogan «Gotta catch ’em all» passt. Bei älteren Nutzern kommt oft Nostalgie hinzu.

Trauben an Monster-Jägern vor dem Schaufenster
Derweil arbeitet Niantic daran, bei Pokémon Go neue Einnahmequellen zu erschliessen. Lokale Geschäfte können schon heute Lock-Module kaufen, um Fussvolk anzulocken, wenn sich gewisse Spielorte in der Nähe befinden. Künftig sollen die Geschäfte auch Orte im Spiel sponsern können. So entstehen neue Spielarten der geobasierten Werbung. Kritische Stimmen warnen derweil vor Datenschutzrisiken. Offen ist, wie lange der Pokémon-Hype anhalten wird: Die App ist schnell wieder gelöscht. Doch die Trauben an Monster-Jägern sind nur Vorboten all der unzähligen Nutzer von Augmented Reality, die künftig das Stadtbild noch stärker prägen werden.

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